Eberhard spielt in der württembergischen Landesgeschichte
eine bedeutende Rolle: Er hatte die geteilte Grafschaft Württemberg wieder geeint und war
1495 erster Herzog von Württemberg geworden. Dem Volksmund bleibt der Gründer der
Universität Tübingen als der Landesvater in Erinnerung, der, wie Justinus Kerner
dichtete, sein Haupt im Schoß eines jeden seiner Untertanen sorglos zum Schlaf legen
könne und daher der reichste aller Landesväter sei - eine Figurengruppe im Stuttgarter
Schloßgarten gibt dieses Motiv wieder. Genauso sprichwörtlich ist jedoch die
Zügellosigkeit des jungen Eberhard geworden, und deshalb lag es nahe, in der Wallfahrt
nach Jerusalem den - historisch allerdings nicht belegbaren - Wendepunkt seines Lebens zu
sehen. Um so erstaunlicher ist, daß die Wallfahrt bisher nicht die gebührende Beachtung
gefunden hat.
Neue Forschungsergebnisse
Eine Arbeitsgruppe des Historischen Instituts unter der Leitung von Professor Folker
Reichert und Dr. Gerhard Faix präsentiert nun neue Forschungsergebnisse zu diesem
Themenkomplex. Wichtigste Grundlage hierfür ist die Auffindung einer Abschrift des heute
verschollenen Tagebuchs, das Eberhards Leibarzt Dr. Johannes Münsinger aus Ulm auf der
Reise verfaßt hat. Aus dem in der Universitätsbibliothek Tübingen befindlichen, von dem
Tübinger Professor Martin Crusius 1587 erstellten Exzerpt sind zahlreiche neue
Informationen über die Reise zu gewinnen. Vor allem ist nun eine wichtige Phase im Leben
Eberhards denkbar anschaulich von einem Zeitgenossen dokumentiert. Die von vielen
früheren Biographen herausgestellte Lebenswende wollen die Stuttgarter Forscher jedoch
nicht bestätigen. Mag neben Abenteuerlust und gesellschaftlichem Geltungsbedürfnis auch
die Aussicht auf Sündenerlaß Eberhard zu der nicht ungefährlichen Pilgerfahrt verleitet
haben - eine gravierende Veränderung seiner Persönlichkeit läßt sich aus den Quellen
der Pilgerfahrt nicht bestätigen. Auch die später gerne mit der Wallfahrt in Verbindung
gebrachten Symbole wie Eberhards Bart, die Palme und die Devise Attempto" seien
erst in späterer Zeit entstanden und gehen nicht auf die Jerusalemreise zurück.
Das Tagebuch
Der Öffentlichkeit liegen die Forschungsergebnisse aus Stuttgart in einem Sammelband vor,
der auch die wichtigsten Quellen, allen voran das Tagebuch, erstmals abdruckt.
Darüberhinaus konnte vom 4. Februar bis 28. März 1998 im Foyer der Württembergischen
Landesbibliothek eine Ausstellung zu diesem Thema besichtigt werden.
Hintergrundinformationen zum - geradezu touristisch" organisierten -
Wallfahrtswesen und zu den einzelnen Etappen der Reise wurden ergänzt durch eine ganze
Reihe sehenswerter Exponate, vom Ring eines begleitenden Ritters, der nach der Berührung
heiliger Stätten als Reliquie galt, bis zum persönlichen Reisekalender Eberhards und der
oben erwähnten Tagebuchabschrift.
Daß die Ergebnisse der Stuttgarter Forschungen auf ein großes Interesse stoßen
werden, zeigte sich schon an der ungewöhnlich hohen Besucherzahl bei Eröffnung der
Ausstellung.
C. Rabe
Folker Reichert/ Gerhard Faix (Hg.): Eberhard im Bart und die Wallfahrt nach
Jerusalem im späten Mittelalter. Stuttgart 1998.