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Stuttgarter unikurier Nr.79/Juni 1998
Ausstellung zur Wallfahrt Eberhards im Barte:
„... zu sehen die hailigen stett"
 

Eine Wallfahrt im Jahr 1468 markiert den Wendepunkt im Leben eines Herrschers: er wandelt sich vom zügellosen Lebemann zum verantwortungsbewußten Landesvater - so hat die traditionelle Geschichtsschreibung den württembergischen Herzog Eberhard im Barte (1445-1496) gerne gesehen.

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Eberhard spielt in der württembergischen Landesgeschichte eine bedeutende Rolle: Er hatte die geteilte Grafschaft Württemberg wieder geeint und war 1495 erster Herzog von Württemberg geworden. Dem Volksmund bleibt der Gründer der Universität Tübingen als der Landesvater in Erinnerung, der, wie Justinus Kerner dichtete, sein Haupt im Schoß eines jeden seiner Untertanen sorglos zum Schlaf legen könne und daher der reichste aller Landesväter sei - eine Figurengruppe im Stuttgarter Schloßgarten gibt dieses Motiv wieder. Genauso sprichwörtlich ist jedoch die Zügellosigkeit des jungen Eberhard geworden, und deshalb lag es nahe, in der Wallfahrt nach Jerusalem den - historisch allerdings nicht belegbaren - Wendepunkt seines Lebens zu sehen. Um so erstaunlicher ist, daß die Wallfahrt bisher nicht die gebührende Beachtung gefunden hat.

 

Neue Forschungsergebnisse
Eine Arbeitsgruppe des Historischen Instituts unter der Leitung von Professor Folker Reichert und Dr. Gerhard Faix präsentiert nun neue Forschungsergebnisse zu diesem Themenkomplex. Wichtigste Grundlage hierfür ist die Auffindung einer Abschrift des heute verschollenen Tagebuchs, das Eberhards Leibarzt Dr. Johannes Münsinger aus Ulm auf der Reise verfaßt hat. Aus dem in der Universitätsbibliothek Tübingen befindlichen, von dem Tübinger Professor Martin Crusius 1587 erstellten Exzerpt sind zahlreiche neue Informationen über die Reise zu gewinnen. Vor allem ist nun eine wichtige Phase im Leben Eberhards denkbar anschaulich von einem Zeitgenossen dokumentiert. Die von vielen früheren Biographen herausgestellte Lebenswende wollen die Stuttgarter Forscher jedoch nicht bestätigen. Mag neben Abenteuerlust und gesellschaftlichem Geltungsbedürfnis auch die Aussicht auf Sündenerlaß Eberhard zu der nicht ungefährlichen Pilgerfahrt verleitet haben - eine gravierende Veränderung seiner Persönlichkeit läßt sich aus den Quellen der Pilgerfahrt nicht bestätigen. Auch die später gerne mit der Wallfahrt in Verbindung gebrachten Symbole wie Eberhards Bart, die Palme und die Devise „Attempto" seien erst in späterer Zeit entstanden und gehen nicht auf die Jerusalemreise zurück.

 

Das Tagebuch
Der Öffentlichkeit liegen die Forschungsergebnisse aus Stuttgart in einem Sammelband vor, der auch die wichtigsten Quellen, allen voran das Tagebuch, erstmals abdruckt. Darüberhinaus konnte vom 4. Februar bis 28. März 1998 im Foyer der Württembergischen Landesbibliothek eine Ausstellung zu diesem Thema besichtigt werden. Hintergrundinformationen zum - geradezu „touristisch" organisierten - Wallfahrtswesen und zu den einzelnen Etappen der Reise wurden ergänzt durch eine ganze Reihe sehenswerter Exponate, vom Ring eines begleitenden Ritters, der nach der Berührung heiliger Stätten als Reliquie galt, bis zum persönlichen Reisekalender Eberhards und der oben erwähnten Tagebuchabschrift.

Daß die Ergebnisse der Stuttgarter Forschungen auf ein großes Interesse stoßen werden, zeigte sich schon an der ungewöhnlich hohen Besucherzahl bei Eröffnung der Ausstellung.

C. Rabe

 

Folker Reichert/ Gerhard Faix (Hg.): Eberhard im Bart und die Wallfahrt nach Jerusalem im späten Mittelalter. Stuttgart 1998.

 


last change: 09.06.98 / eng
Pressestelle der Universität Stuttgart

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