Ein Gemeinschaftsprojekt der Länder Italien, Irland, Großbritannien,
Schweden, Portugal, Frankreich und Deutschland führt in Block 4 des italienischen
Kraftwerkes Vado Ligure" zu einem geringeren Schadstoffausstoß. Der Block
arbeitet nach dem Prinzip der Brennstoffstufung. 80 Prozent der gesamten Kohle werden
dabei in der Primärverbrennungszone mit insgesamt 24 NOx-armen Brennern umgesetzt.
Oberhalb dieser Hauptverbrennungszone befinden sich zehn Injektoren, über die die
restlichen 20 Prozent des Brennstoffes zugeführt werden, um das in der Primärzone
entstandene NO zu molekularem Stickstoff N2 zu reduzieren. In der dritten Zone wird
schließlich über aerodynamisch optimierte Düsen zusätzliche Ausbrandluft eingeblasen,
die einen möglichst vollständigen Umsatz der Kohle garantieren soll.
Kohle als Reduktionsbrennstoff
Die Besonderheit des Vado Ligure-Projekts ist der Einsatz von Kohle als
Reduktionsbrennstoff. Bisher kamen in Großkraftwerken dafür ausschließlich Öl oder Gas
zum Einsatz, weil sie bessere Handhabbarkeit und Mischungseigenschaften besitzen. Es
besteht jedoch großes Interesse, diese Edelbrennstoffe" durch die meist
billigere und langfristig verfügbare Kohle zu ersetzen.
Generelles Ziel des Vado-Ligure-Projektes war es, eine optimale Kesselkonfiguration zu
ermitteln, um den NOx-Gehalt der Rauchgase effektiv zu mindern und gleichzeitig eine hohe
Brennstoffausnutzung zu erreichen. Deshalb wurden neben Tests an verschiedenen
Versuchsanlagen vor allem numerische Werkzeuge wie das Feuerraumsimulationsprogramm AIOLOS
eingesetzt. Die speziell für die Simulation von Kraftwerksfeuerungen entwickelte Software
kann sowohl die komplizierte Geometrie von Einzelkomponenten (zum Beispiel Brenner oder
Luftdüsen) auflösen als auch den gesamten Feuerraum mit einem feinen Rechengitter
abbilden. Zudem lassen sich komplexe kombinierte Verbrennungsmechanismen wie die
Brennstoffstufung simulieren.
Für die Simulationsrechnungen auf einem Parallel-Vektorrechner NEC SX-4/32 stellten
die italienischen Kraftwerksbetreiber Enel sowie die Kraftwerkshersteller Ansaldo neben
den Basisdaten über Kesselgeometrie und -fahrweise unter anderem auch die Ergebnisse
einer detaillierten Reaktivitätsuntersuchung der eingesetzten Kohlen zur Verfügung.
Ein Ergebnis der Berechnungen war, daß die ursprünglich vorgesehene Verteilung der
Ausbrandluftdüsen mit jeweils vier auf den Seitenwänden und zwei weiteren Düsen auf der
Frontseite des Kessels zu einer unerwünschten Ungleichverteilung der Ausbrandluft führt.
Als weitaus günstiger erwies sich die symmetrische Anordnung von jeweils fünf Düsen auf
den Seitenwänden.
Ein weiterer Aspekt war die Verwendung eines verbesserten Düsentyps, bei dem Luft mit
unterschiedlich starkem Drall eingeblasen werden kann. Durch numerische Optimierung von
Drallstärke, Einblasgeschwindigkeit sowie Luftmengenverteilung auf die einzelnen Düsen
konnte ein deutlich besserer Umsatz des Brennstoffes nahe bei den Kesselwänden erreicht
werden. Neben weiteren Optimierungen zum Beispiel der Brenner und der Injektoren für den
Reduktionsbrennstoff dienten Vergleichsrechnungen für unterschiedlich feine Kohlenstäube
zur Auswahl neuer Mühlensysteme.
Nach den Ergebnissen der experimentellen und numerischen Untersuchungen wird im
Kraftwerk Vado Ligure der Kessel 4 umgebaut, dessen neue Konfiguration einen optimierten
Ausbrand der Kohle und eine hohe Effektivität bei der NOx-Minderung erreichen soll.
Während des Projekts hat sich gezeigt, daß 3D-Simulationen mit Computerprogrammen eine
entscheidende Rolle beim Design von Feuerungssystemen spielen. Vorteile gegenüber rein
experimentellen Untersuchungen sind dabei vor allem die niedrigeren Kosten und kürzeren
Antwortzeiten der Computersimulation, aber auch die Möglichkeit, große Kraftwerkskessel
mit ihren Komponenten im Originalmaßstab zu beschreiben.
*) Auch die VDI-Nachrichten stellten die Neuentwicklung der Stuttgarter Wissenschaftler
bereits vor (Nr. 10 vom 6.3.1998).
KONTAKT
Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen (Abteilung Feuerungstechnik) der
Universität Stuttgart, Dr.-Ing. Uwe Schnell, Pfaffenwaldring 23, 70569 Stuttgart, Tel.
0711/685-3574
e-mail: schnell@ivd.uni-stuttgart.de