Über Technik, ihren Sinn und Wert, über ihre Chancen ebenso wie ihre
Risiken, wird seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit besonders heftig und kontrovers
diskutiert. Einem euphorischen Technikverständnis, das glaubt, alle menschlichen Probleme
mit fortwährender Technisierung lösen zu können, steht eine defaitistische
Technikkritik entgegen, die das reale Humanisierungspotential von Technik unterschätzt.
Apologie oder Apokalypse diese unfruchtbare Frontenbildung in der gegenwärtigen
Technik-Debatte aufzuheben ist für Günter Ropohl das zentrale Anliegen. Es prägt seinen
synthetischen Ansatz einer Technikphilosophie.
Bei einem Empfang der Universität für Prof. Ropohl (rechts)
hob der bisherige
Prorektor Lehre, Prof. Dr. Eckart Olshausen (Mitte), die Bedeutung der
Stiftungsvorlesung im Zusammenhang mit den Bemühungen der Universität hervor,
fachübergreifende Studieninhalte zu stärken. Angesichts schnell veraltender
Wissensbestände gelte es zunehmend, den Studierenden Methoden- und
Sozialkompetenz sowie Kommunikationsfähigkeit zu vermitteln. Links im Bild ist
Prof. Hubig. (Foto: Eppler) |
Nicht allein auf theoretischer Ebene gilt es, den
vielfältigen Integrations- und Kompatibilitätsproblemen einer arbeitsteilig
organisierten technologischen Praxis gerecht zu werden. Angesichts der verwickelten
soziokulturellen Folgeprobleme technischen Handelns müssen zugleich Gestaltungsstrategien
eröffnet werden, mit denen der zunehmenden Komplexität von Technik angemessen begegnet
werden kann. Beides verlangt nach einer philosophischen Reflexion, die sich nicht darin
bescheidet, wohltuende Wirkungen und verderbliche Folgen einander aufzurechnen. Technik
muß als umfassendes kulturelles Phänomen begriffen werden. Ropohl favorisierte dabei
kybernetisch-systemtheoretische Modelle, wie sie in der allgemeinen Systemtheorie Ludwig
von Bertalanffys, in der Kybernetik Norbert Wieners samt ihren regelungs- und
nachrichtentechnologischen Vorläufern und Nachfolgern, in der Bourbaki-Schule, aber auch
in praxisorientierten Ansätzen von Systemanalyse und Systemtechnik entwikkelt worden
sind. Auf sie griff er zurück, um ein neues, jeden Reduktionismus ausschließendes
Technikverständnis philosophisch zu begründen. Wesentlich war dabei nicht nur die
Verknüpfung von funktionalen, strukturalen und hierarchischen Systemaspekten, sondern
zugleich deren Einbettung in einen handlungstheoretischen Ansatz. Technik ist mehr als die
Summe angeblich ethisch neutraler Mittel für beliebige Zwecke. Technik müsse vielmehr
als soziotechnisches System gedacht werden, welches seinen Wert erst in
gesellschaft-lichen Handlungszusammenhängen erhält. Zwar sei das Artifizielle
Kennzeichen des Technischen, aber als ein Sachsystem, das in solchen
individuellen und sozialen Handlungskontexten hergestellt und verwendet wird, welche sich
selbst wiederum systemisch generieren. In einem derart konzipierten Systemmodell
technischen Handelns lassen sich technische Artefakte wie die daran geknüpften
soziotechnischen Interdepen-denzen begreifen. Ropohl zog daraus eine bedenkenswerte
Schlußfolgerung: Es gibt keine unschuldige Technik. Der Technik eignet von vornherein
eine normative Dimension. Diese normative Dimension erschöpft sich nicht in moralischen
Regeln für Individuen im Umgang mit der Technik. Sie umfaßt gleichermaßen Regeln der
gesellschaftlichen Ordnung.
Technikethik hätte dann aber ihren Ort weder allein im Bereich moralischer Bewertung von
technischen Verwendungszwecken und Gebrauchsweisen noch ließe sich die technische
Entwicklung ausschließlich über eine Berufsethik des Ingenieurs steuern. Ausgehend von
seinem systemtheoretischen Technikverständnis forderte Ropohl, Technik- und
Wirtschaftsethik zusammenzuführen. Einer integrativen Sozialethik stellte er eine auf der
Einheit von Moral und Politik beruhende Sozialtechnologie zur Seite. Elke
Uhl
KONTAKT
Prof. Dr. Christoph Hubig, Abteilung für Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie des
Instituts für Philosophie, Pädagogik und Psychologie, Seidenstr. 36, 70174 Stuttgart,
Tel. 0711/121-2490, -2491, Fax 0711/121-2492; e-mail: christoph.hubig@po.uni-stuttgart.de
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