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Stuttgarter unikurier Nr.80/November 1998
Universitätsabend mit Klaus von Klitzing:
Nanoelektronik - Aufbruch in neue Dimensionen
 

Wir alle haben uns an den rasanten Fortschritt in der Halbleitertechnologie gewöhnt - am auffälligsten ist er zweifellos in der schnellen Abfolge immer leistungsfähigerer Computer. Wie lange jedoch sind noch weitere Größenreduzierungen und Leistungssteigerungen realisierbar? Wo stößt die Halbleitertechnik an ihre Grenzen? Wird die Nanoelektronik die Mikroelektronik ablösen? Antworten auf diese Fragen lieferte Nobelpreisträger Prof. Dr. Klaus von Klitzing in einem Vortrag beim Universitätsabend am 4. Juni 1998.

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Der Universitätsabend hat an der Stuttgarter Hochschule bereits Tradition; sein Ziel ist es, die fächerübergreifende Diskussion zwischen Wissenschaftlern, Studierenden und der Öffentlichkeit anzuregen. Mit Klaus von Klitzing, seit 1985 Honorarprofessor an der Universität Stuttgart, wurde erneut ein Redner gefunden, der den Gegenstand ebenso verständlich wie präzise darzustellen vermag. Der 1943 in Schroda (Posen) geborene von Klitzing hat Physik an der TU Braunschweig studiert, war nach dem Diplom als Assistent an der Universität Würzburg tätig, hat dort 1972 promoviert und sich 1978 habilitiert. Bei der Arbeit am High Magnetic Field Laboratory in Grenoble (1979-1980) gelang ihm die Beobachtung des Quanten-Hall-Effektes, die ihm 1985 den Nobelpreis für Physik einbrachte. Nach einer Professur an der TU München (1980-1984) übernahm er 1985 die Stelle als Direktor am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart.

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In kleinste Dimensionen Entführte Klaus von Klitzing beim Universitätsabend seine Zuhörer
(Foto: Knöller)

Zu Beginn seines Vortrages stellte von Klitzing in einem kurzen Rückblick die Geschichte der Elektrizitätslehre dar. In der relativ jungen Wissenschaft hat sich in 200 Jahren Erstaunliches getan: Von den spieleri-schen Experimenten des ausgehenden 18. Jahrhunderts über die allmähliche Nutzbarmachung der Elektrizität im 19. Jahrhundert bis zu ihrer dominierenden Rolle in der Welt von heute. Und gerade mal 100 Jahre ist es her, daß das Elektron als Elementarteilchen entdeckt worden ist.

Die Entwicklung ging atemberaubend weiter: Besaß 1945 der Computer Eniac noch 18.000 Elektronenröhren und wog mehrere Tonnen, so sind heutige PCs nicht nur vergleichsweise Leichtgewichte, sondern auch um ein Vieltausendfaches schneller - dank der Halbleitertechnik. Dabei stieß gerade diese bahnbrechende Technologie am Anfang auf Widerstand. „Man sollte sich mit Halbleitern nicht beschäftigen, das sind Dreckeffekte - wer weiß, ob sie wirklich existieren“. So hatte noch 1931 einer der Väter der Quantentheorie, Wolfgang Pauli, geurteilt.
Doch seit der Vorstellung des ersten Transistors in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts hat die Halbleitertechnik enorme Entwicklungssprünge zu verzeichnen. Mittlerweile beherrscht die Mikroelektronik unser tägliches Leben in nie geahntem Umfang. Durch ständige Größenreduzierungen werden Mikroprozessoren immer kleiner und dabei immer leistungsfähiger, zugleich sinken die Preise kontinuierlich.Allerdings: Allmählich stößt die Mikroelektronik an ihre Grenzen, weitere Verkleinerungen können nur noch im Nanometerbereich (1 Nanometer = 0,000000001 Meter) stattfinden. Doch gerade dort kann die „Erfolgsstory der Verkleinerung“ (von Klitzing) noch eine Fortsetzung finden.
Von Klitzings Entdeckung des Quanten-Hall-Effektes an Halbleitern hatte der Welt nicht nur die universelle Von-Klitzing-Konstante gebracht, sie war auch der erste experimentelle Hinweis darauf, daß bei einer Reduzierung der Dimensionen der aktiven Schichten, in denen sich die Elektronen eines Halbleiters bewegen können, völlig neuartige physikalische Effekte auftreten. Der Quanten-Hall-Effekt wurde damit zum Ausgangspunkt weitreichender Untersuchungen an „dimensionsreduzierten Halbleitern“. Das hat die Neugierde an Strukturen geweckt, bei denen nicht nur die Dicke einer Halbleiterschicht auf wenige Nanometer reduziert wird, sondern diese Ebene in einem weiteren Schritt quasi in Streifen geschnitten wird - sogenannten „Quantendrähten“. Wenn man diese Quantendrähte in einem dritten Schritt noch einmal zerstückelt, erhält man „Quantenpunkte“, Halbleiterkristalle von unter 100 nm Kantenlänge, die zwar noch einige hundert Atome, aber nur noch wenig „aktive“ Elektronen enthalten.
Von Klitzing legte nun anhand zahlreicher Schaubilder die bisherigen Entwicklungen im Nanobereich dar, umriß zukünftige Entwicklungen und stellte eigene Fortschritte im Bereich der Nanoelektronik vor. Dem Publikum wurde deutlich, daß in absehbarer Zeit die Halbleitertechnik in Größenordnungen einzelner Atome vordringen wird: Die Herstellung von Halbleitern, deren Kristallschichten jeweils nur noch wenige Atomlagen Dicke aufweisen oder sogar aus lediglich einer Atomlage bestehen, ist im Labor bereits möglich. Die leitende Schicht kann dadurch so dünn gemacht werden, daß die Elektronen sich nur zweidimensional bewegen können. Weiter ist es möglich, in den Halbleitern eindimensionale Gates einzurichten, die nurmehr einzelne Elektronen passieren lassen. Des weiteren ist absehbar, daß Bits, die kleinsten Informationseinheiten, auf einzelne Atome reduziert werden.
Dennoch: Von Klitzing will die Nanotechnologie nicht als bloße Fortführung der Mikrotechnologie verstanden wissen. Der „Aufbruch in neue Dimensionen“ bedeute nicht, daß die Mikroelektronik komplett durch Bausteine aus der Nanoelektronik ersetzt werde. Die Nanoelektronik werde vor allem Nischen besetzen - von Klitzing nannte als Beispiele kleinste Speicherbausteine, neuartige Halbleiterlaser sowie neue, noch empfindlichere Sensoren. Bei der komplexen Vernetzung heutiger Technologien ist zu erkennen, daß selbst diese Nischenfunktionen bedeutsame Veränderungen in allen Bereichen hervorrufen werden.
Mit der Nanotechnologie jedoch stößt die Elektronik offenbar an ihre Grenzen, Verkleinerungen unterhalb der Elektroneneinheit scheinen physikalisch undenkbar - aber wer weiß?

C. Rabe

KONTAKT
Prof. Dr. Klaus von Klitzing, Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Heisenbergstr. 1 70569 Büsnau, Tel. 0711/6891570;
http://klizix.mpi-stuttgart.mpg.d

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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