Der Universitätsabend hat an der Stuttgarter Hochschule bereits Tradition;
sein Ziel ist es, die fächerübergreifende Diskussion zwischen Wissenschaftlern,
Studierenden und der Öffentlichkeit anzuregen. Mit Klaus von Klitzing, seit 1985
Honorarprofessor an der Universität Stuttgart, wurde erneut ein Redner gefunden, der den
Gegenstand ebenso verständlich wie präzise darzustellen vermag. Der 1943 in Schroda
(Posen) geborene von Klitzing hat Physik an der TU Braunschweig studiert, war nach dem
Diplom als Assistent an der Universität Würzburg tätig, hat dort 1972 promoviert und
sich 1978 habilitiert. Bei der Arbeit am High Magnetic Field Laboratory in Grenoble
(1979-1980) gelang ihm die Beobachtung des Quanten-Hall-Effektes, die ihm 1985 den
Nobelpreis für Physik einbrachte. Nach einer Professur an der TU München (1980-1984)
übernahm er 1985 die Stelle als Direktor am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
in Stuttgart.
In kleinste Dimensionen Entführte Klaus von Klitzing beim
Universitätsabend seine Zuhörer
(Foto: Knöller) |
Zu Beginn seines Vortrages stellte von Klitzing in einem
kurzen Rückblick die Geschichte der Elektrizitätslehre dar. In der relativ jungen
Wissenschaft hat sich in 200 Jahren Erstaunliches getan: Von den spieleri-schen
Experimenten des ausgehenden 18. Jahrhunderts über die allmähliche Nutzbarmachung der
Elektrizität im 19. Jahrhundert bis zu ihrer dominierenden Rolle in der Welt von heute.
Und gerade mal 100 Jahre ist es her, daß das Elektron als Elementarteilchen entdeckt
worden ist.
Die Entwicklung ging atemberaubend weiter: Besaß 1945 der
Computer Eniac noch 18.000 Elektronenröhren und wog mehrere Tonnen, so sind heutige PCs
nicht nur vergleichsweise Leichtgewichte, sondern auch um ein Vieltausendfaches schneller
- dank der Halbleitertechnik. Dabei stieß gerade diese bahnbrechende Technologie am
Anfang auf Widerstand. Man sollte sich mit Halbleitern nicht beschäftigen, das sind
Dreckeffekte - wer weiß, ob sie wirklich existieren. So hatte noch 1931 einer der
Väter der Quantentheorie, Wolfgang Pauli, geurteilt.
Doch seit der Vorstellung des ersten Transistors in den vierziger Jahren unseres
Jahrhunderts hat die Halbleitertechnik enorme Entwicklungssprünge zu verzeichnen.
Mittlerweile beherrscht die Mikroelektronik unser tägliches Leben in nie geahntem Umfang.
Durch ständige Größenreduzierungen werden Mikroprozessoren immer kleiner und dabei
immer leistungsfähiger, zugleich sinken die Preise kontinuierlich.Allerdings: Allmählich
stößt die Mikroelektronik an ihre Grenzen, weitere Verkleinerungen können nur noch im
Nanometerbereich (1 Nanometer = 0,000000001 Meter) stattfinden. Doch gerade dort kann die
Erfolgsstory der Verkleinerung (von Klitzing) noch eine Fortsetzung finden.
Von Klitzings Entdeckung des Quanten-Hall-Effektes an Halbleitern hatte der Welt nicht nur
die universelle Von-Klitzing-Konstante gebracht, sie war auch der erste experimentelle
Hinweis darauf, daß bei einer Reduzierung der Dimensionen der aktiven Schichten, in denen
sich die Elektronen eines Halbleiters bewegen können, völlig neuartige physikalische
Effekte auftreten. Der Quanten-Hall-Effekt wurde damit zum Ausgangspunkt weitreichender
Untersuchungen an dimensionsreduzierten Halbleitern. Das hat die Neugierde an
Strukturen geweckt, bei denen nicht nur die Dicke einer Halbleiterschicht auf wenige
Nanometer reduziert wird, sondern diese Ebene in einem weiteren Schritt quasi in Streifen
geschnitten wird - sogenannten Quantendrähten. Wenn man diese Quantendrähte
in einem dritten Schritt noch einmal zerstückelt, erhält man Quantenpunkte,
Halbleiterkristalle von unter 100 nm Kantenlänge, die zwar noch einige hundert Atome,
aber nur noch wenig aktive Elektronen enthalten.
Von Klitzing legte nun anhand zahlreicher Schaubilder die bisherigen Entwicklungen im
Nanobereich dar, umriß zukünftige Entwicklungen und stellte eigene Fortschritte im
Bereich der Nanoelektronik vor. Dem Publikum wurde deutlich, daß in absehbarer Zeit die
Halbleitertechnik in Größenordnungen einzelner Atome vordringen wird: Die Herstellung
von Halbleitern, deren Kristallschichten jeweils nur noch wenige Atomlagen Dicke aufweisen
oder sogar aus lediglich einer Atomlage bestehen, ist im Labor bereits möglich. Die
leitende Schicht kann dadurch so dünn gemacht werden, daß die Elektronen sich nur
zweidimensional bewegen können. Weiter ist es möglich, in den Halbleitern
eindimensionale Gates einzurichten, die nurmehr einzelne Elektronen passieren lassen. Des
weiteren ist absehbar, daß Bits, die kleinsten Informationseinheiten, auf einzelne Atome
reduziert werden.
Dennoch: Von Klitzing will die Nanotechnologie nicht als bloße Fortführung der
Mikrotechnologie verstanden wissen. Der Aufbruch in neue Dimensionen bedeute
nicht, daß die Mikroelektronik komplett durch Bausteine aus der Nanoelektronik ersetzt
werde. Die Nanoelektronik werde vor allem Nischen besetzen - von Klitzing nannte als
Beispiele kleinste Speicherbausteine, neuartige Halbleiterlaser sowie neue, noch
empfindlichere Sensoren. Bei der komplexen Vernetzung heutiger Technologien ist zu
erkennen, daß selbst diese Nischenfunktionen bedeutsame Veränderungen in allen Bereichen
hervorrufen werden.
Mit der Nanotechnologie jedoch stößt die Elektronik offenbar an ihre Grenzen,
Verkleinerungen unterhalb der Elektroneneinheit scheinen physikalisch undenkbar - aber wer
weiß?
C. Rabe
KONTAKT
Prof. Dr. Klaus von Klitzing, Max-Planck-Institut für Festkörperforschung,
Heisenbergstr. 1 70569 Büsnau, Tel. 0711/6891570;
http://klizix.mpi-stuttgart.mpg.d
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