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Stuttgarter unikurier Nr.80/November 1998
Podiumsdiskussion Teilzeitstudium:
Problem oder Chance?
 

Um das Thema „Teilzeitstudium“ ging es bei einer Podiumsdiskussion, zu der das Studium Generale am 2. Juli innerhalb der Reihe „Öffentliche Wissenschaft“ eingeladen hatte. Vertreter aus Verwaltung, Lehrkörper und Studentenschaft ließen die Frage des Teilzeitstudiums als ein ebenso vielschichtiges wie bisher ungelöstes Problem erscheinen.

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Einig war man sich darin, daß jede Form der Nebentätigkeit ein Studium einschränke und damit zu einem Teilzeitstudium führe, also einem Studium, in dem sich der Student nicht mehr voll den Inhalten seines Faches widmen könne. Unterschiede ergaben sich bei Fragen der Behandlung von Teilzeitstudierenden, die leicht zu „Langzeitstudierenden“ werden können. Dr. phil. habil. Reinhold Nickolaus vom Institut für Berufs-, Wirtschafts- und Technikpädagogik wies nachdrücklich darauf hin, daß das Teilzeitstudium weiter verbreitet sei als bisher angenommen. Bis zu zwei Drittel aller Studentinnen und Studenten gingen nicht nur während der Ferien, sondern auch in der Vorlesungszeit einer bezahlten Arbeit nach. Im Erststudium belaufe sich die Zahl der geleisteten wöchentlichen Arbeitsstunden auf 13, im Zweitstudium gar auf 20 Stunden. Diese zeitliche Einschränkung eines Studiums durch Arbeitstätigkeit bedeute ja im Grunde schon ein Teilzeitstudium. Gründe seien in erster Linie die Unterhaltssicherung, dann auch die Berufsqualifizierung, wobei die Studenten allerdings meist als billige Arbeitskräfte ausgenutzt würden und die Jobs nicht unbedingt studiennah seien. Auf alle Fälle gehe die Arbeitsbelastung auf Kosten der Studienzeit. Nickolaus empfahl, zur Verbesserung der Situation eine finanzielle Grundsicherung einzuführen sowie durch Deregulierung des Studiums Freiräume zu schaffen, die den individuellen Arbeitsdruck im Zwiespalt zwischen Studium und Arbeit erleichtern würden.

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Vollzeitstudentinnen und -studenten werden immer seltener. Viele arbeiten nebenher,
um ihr Studium zu finanzieren oder um Berufserfahrung zu sammeln. Die Universität
Stuttgart hat die Initiative ergriffen, dies auch im Universitätsgesetz zu verankern.
(Foto: Knöller)

Thorsten Bothe, Student der Philosophie und Germanistik, vertrat dagegen die Meinung, daß sich Studium und Arbeit im Grunde nicht vertrügen. Ein Studium erfordere einen solchen Zeitaufwand, daß gerade in Zeiten, wo schnelles Studium und studiennahe Zusatzqualifikationen verlangt würden, Jobs zur reinen Unterhaltssicherung vermieden werden sollten. Eine Existenzsicherung solle vor Studienbeginn angestrebt werden oder entsprechende Förderungen bemüht werden.
Walter Nohlen, Leiter des Dezernats Studentische Angelegenheiten, machte deutlich, daß nach wie vor das Dilemma bestünde, daß der Gesetzgeber nur ein Vollzeitstudium kenne - was nicht der Realität entspreche. Festzuhalten sei aber auch, daß die Studierenden meist mehr aus Gründen eines gewissen Lebensstandards oder wegen erhoffter Zusatzqualifikationen einer Nebentätigkeit nachgingen denn zum Sichern der Existenz. Nohlen sprach eine wichtige Folge des Teilzeitstudiums an: die Verlängerung der Verweildauer an den Hochschulen, die Frage der Langzeitstudenten und der Studiengebühren. Zum Zeitpunkt der Podiumsdiskussion wurden in Stuttgart 3.249 entsprechende Gebührenbescheide vorbereitet. In den Ingenieurwissenschaften, so Nohlen weiter, bedeuteten Teilzeitstudenten zwar eine Verlängerung der Studienzeit, nicht aber eine Mehrbelastung des Lehrbetriebs, während in den Geisteswissenschaften in aller Regel eine längere Studienzeit mit einer umfangreicheren Inanspruchnahme des Lehrangebots einhergehe. Insgesamt seien Lösungen für die Problematik nicht leicht; verschärft werde das Problem durch den breiten Konsens in Politik und Öffentlichkeit, das Studium über Gebühren zu reglementieren. So sei es nicht einmal gelungen, im neuen Hochschulrahmengesetz die durchschnittliche Regelstudienzeit von bisher acht auf zehn Semester anzuheben - was allemal einem Teilzeitstudium entgegengekommen wäre.
Auch Gisela Kocher, Studentin der Soziologie und der Politikwissenschaften in Tübingen, sah das Hauptproblem beim Teilzeitstudium in den Studiengebühren beziehungsweise einer mangelnden Differenzierung der sozialen Ausgangslage der Studierenden. Zu einem steten Ansteigen der Lebenshaltungskosten komme hinzu, daß auch studentische Nebentätigkeiten künftig sozialversicherungspflichtig würden.
Dipl.-Ing. Erwin Henke von der Zentralen Studienberatung wies darauf hin, daß das Teilzeitstudium im Fernstudium wie auch an einigen ostdeutschen Universitäten auch formaljuristisch verwirklicht sei und forderte im Hinblick auf den berufsbildenden Aspekt der Nebenjobs eine Förderung des Teilzeitstudiums.
Diesen Praxisaspekt betonte auch Prof. Dipl.-Ing. Horst Küsgen vom Institut für Bauökonomie. Die angeeignete Erfahrung erleichtere wiederum das Verständnis für das Gelehrte an der Universität. Küsgen forderte, daß jeder Studierende selbst über die Gestaltung seines Studiums entscheiden solle - solange er damit nicht die Allgemeinheit belaste. Eine „Verreglementierung“ des Teilzeitstudiums lehnte Küsgen ab.
Mochten die Ansichten über die Definition eines Teilzeitstudiums, den Sinn von Nebentätigkeiten und die Behandlung von Langzeitstudenten auch auseinandergehen, einig war man sich darin, daß die bisherige Situation einer Lösung bedarf, die bestehende Benachteiligungen beseitigt und der Realität der Studiengestaltung Rechnung trägt.

C. Rabe

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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