Einig war man sich darin, daß jede Form der Nebentätigkeit ein Studium
einschränke und damit zu einem Teilzeitstudium führe, also einem Studium, in dem sich
der Student nicht mehr voll den Inhalten seines Faches widmen könne. Unterschiede ergaben
sich bei Fragen der Behandlung von Teilzeitstudierenden, die leicht zu
Langzeitstudierenden werden können. Dr. phil. habil. Reinhold Nickolaus
vom Institut für Berufs-, Wirtschafts- und Technikpädagogik wies nachdrücklich darauf
hin, daß das Teilzeitstudium weiter verbreitet sei als bisher angenommen. Bis zu zwei
Drittel aller Studentinnen und Studenten gingen nicht nur während der Ferien, sondern
auch in der Vorlesungszeit einer bezahlten Arbeit nach. Im Erststudium belaufe sich die
Zahl der geleisteten wöchentlichen Arbeitsstunden auf 13, im Zweitstudium gar auf 20
Stunden. Diese zeitliche Einschränkung eines Studiums durch Arbeitstätigkeit bedeute ja
im Grunde schon ein Teilzeitstudium. Gründe seien in erster Linie die
Unterhaltssicherung, dann auch die Berufsqualifizierung, wobei die Studenten allerdings
meist als billige Arbeitskräfte ausgenutzt würden und die Jobs nicht unbedingt
studiennah seien. Auf alle Fälle gehe die Arbeitsbelastung auf Kosten der Studienzeit.
Nickolaus empfahl, zur Verbesserung der Situation eine finanzielle Grundsicherung
einzuführen sowie durch Deregulierung des Studiums Freiräume zu schaffen, die den
individuellen Arbeitsdruck im Zwiespalt zwischen Studium und Arbeit erleichtern würden.
Vollzeitstudentinnen und -studenten werden immer seltener.
Viele arbeiten nebenher,
um ihr Studium zu finanzieren oder um Berufserfahrung zu sammeln. Die Universität
Stuttgart hat die Initiative ergriffen, dies auch im Universitätsgesetz zu verankern.
(Foto: Knöller) |
Thorsten Bothe, Student der Philosophie und
Germanistik, vertrat dagegen die Meinung, daß sich Studium und Arbeit im Grunde nicht
vertrügen. Ein Studium erfordere einen solchen Zeitaufwand, daß gerade in Zeiten, wo
schnelles Studium und studiennahe Zusatzqualifikationen verlangt würden, Jobs zur reinen
Unterhaltssicherung vermieden werden sollten. Eine Existenzsicherung solle vor
Studienbeginn angestrebt werden oder entsprechende Förderungen bemüht werden.
Walter Nohlen, Leiter des Dezernats Studentische Angelegenheiten, machte
deutlich, daß nach wie vor das Dilemma bestünde, daß der Gesetzgeber nur ein
Vollzeitstudium kenne - was nicht der Realität entspreche. Festzuhalten sei aber auch,
daß die Studierenden meist mehr aus Gründen eines gewissen Lebensstandards oder wegen
erhoffter Zusatzqualifikationen einer Nebentätigkeit nachgingen denn zum Sichern der
Existenz. Nohlen sprach eine wichtige Folge des Teilzeitstudiums an: die Verlängerung der
Verweildauer an den Hochschulen, die Frage der Langzeitstudenten und der Studiengebühren.
Zum Zeitpunkt der Podiumsdiskussion wurden in Stuttgart 3.249 entsprechende
Gebührenbescheide vorbereitet. In den Ingenieurwissenschaften, so Nohlen weiter,
bedeuteten Teilzeitstudenten zwar eine Verlängerung der Studienzeit, nicht aber eine
Mehrbelastung des Lehrbetriebs, während in den Geisteswissenschaften in aller Regel eine
längere Studienzeit mit einer umfangreicheren Inanspruchnahme des Lehrangebots
einhergehe. Insgesamt seien Lösungen für die Problematik nicht leicht; verschärft werde
das Problem durch den breiten Konsens in Politik und Öffentlichkeit, das Studium über
Gebühren zu reglementieren. So sei es nicht einmal gelungen, im neuen
Hochschulrahmengesetz die durchschnittliche Regelstudienzeit von bisher acht auf zehn
Semester anzuheben - was allemal einem Teilzeitstudium entgegengekommen wäre.
Auch Gisela Kocher, Studentin der Soziologie und der Politikwissenschaften in
Tübingen, sah das Hauptproblem beim Teilzeitstudium in den Studiengebühren
beziehungsweise einer mangelnden Differenzierung der sozialen Ausgangslage der
Studierenden. Zu einem steten Ansteigen der Lebenshaltungskosten komme hinzu, daß auch
studentische Nebentätigkeiten künftig sozialversicherungspflichtig würden.
Dipl.-Ing. Erwin Henke von der Zentralen Studienberatung wies darauf hin, daß
das Teilzeitstudium im Fernstudium wie auch an einigen ostdeutschen Universitäten auch
formaljuristisch verwirklicht sei und forderte im Hinblick auf den berufsbildenden Aspekt
der Nebenjobs eine Förderung des Teilzeitstudiums.
Diesen Praxisaspekt betonte auch Prof. Dipl.-Ing. Horst Küsgen vom Institut für
Bauökonomie. Die angeeignete Erfahrung erleichtere wiederum das Verständnis für das
Gelehrte an der Universität. Küsgen forderte, daß jeder Studierende selbst über die
Gestaltung seines Studiums entscheiden solle - solange er damit nicht die Allgemeinheit
belaste. Eine Verreglementierung des Teilzeitstudiums lehnte Küsgen ab.
Mochten die Ansichten über die Definition eines Teilzeitstudiums, den Sinn von
Nebentätigkeiten und die Behandlung von Langzeitstudenten auch auseinandergehen, einig
war man sich darin, daß die bisherige Situation einer Lösung bedarf, die bestehende
Benachteiligungen beseitigt und der Realität der Studiengestaltung Rechnung trägt.
C. Rabe
|