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Stuttgarter unikurier Nr.80/November 1998
Meinungen der Nutzer zum Campus:
Sind die Strukturen, die die Planer sich ausgedacht haben, der Kommunikation förderlich?
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„25 Jahre sind seit dem Bezug des ersten Teils des Naturwissenschaftlichen Zentrums (NWZ I) im Universitätsbereich Vaihingen ins Land gegangen. Waren vorher überwiegend forschungsorientierte kleinere Institute in Vaihingen gebaut worden, die sich malerisch im Wald verteilten, so standen mit dem NWZ I und NWZ II plötzlich zwei riesige Betonklötze im Pfaffenwald, was auch mit einem starken Anstieg der Zahl an Studierenden einherging. Nach den Naturwissenschaften erfolgte der Ausbau und der Umzug der Ingenieurwissenschaften nach Vaihingen, so daß rein zahlenmäßig das Einwohnerpotential einer mittleren Stadt mit entsprechenden Bedürfnissen erreicht wurde.
Für den nicht mit der Planung Befaßten war und ist dabei kein Konzept ersichtlich geworden, in welcher Weise neben der technischen Infra-struktur an eine sozial-kommunikative Infrastruktur, die für ein funktionierendes Gemeinwesen genauso wichtig sein sollte, gedacht worden ist. Man hatte und hat mehr oder weniger das Gefühl, daß eben dort gebaut wurde und wird, wo sich gerade ein freier Platz anbietet. Das Nebeneinandersetzen von Instituten, auch wenn sie von ihrer räumlichen und sachlichen Ausstattung keine Wünsche offenlassen, schafft noch keine Campusatmosphäre, die man sich gerade bei der angestrebten und notwendigen Interdisziplinarität von Lehre und Forschung wünschen würde.
Es ist nie zu spät, Fehler einzusehen und sie künftig möglichst zu vermeiden. Bevor neue Bauvorhaben im Pfaffenwald angegangen werden, sollte man sich deshalb den „Luxus“ leisten, planerisch alle Möglichkeiten auszuloten, um zu einer Universität mit Campusgeist und „Corporate Identity“ zu kommen.“        
    Franz Effenberger


„Architektonisch ist der Uni-Campus im Pfaffenwald durchaus gelungen. Was fehlt, ist allerdings eine kommunikationsfördernde Infrastruktur wie etwa Lokale und Anlaufstellen zur Begegnung zwischen der sogenannten „Normalbevölkerung“ und Studenten sowie Wissenschaftlern. Die preisgekrönte Mensa-Architektur hebt sich zwar wohltuend gegen die Naturwissenschaftsklötze ab, wirkt aber genauso einladend wie das Essen selbst. Es ist schon erstaunlich, daß sich im Stuttgarter Ortsteil Vaihingen keinerlei studentisches Leben entwickelt hat. Der Stadtteil und der Campus existieren nun - manchen Versuchen zum Trotz - schon einige Jahrzehnte nebeneinander her. Ob das auch ein wenig an der schwäbischen Mentalität liegt?“     Heinz Bach


„Wenn die ‘Campus-Gebäude‘ sowohl in der Stadtmitte als auch in Vaihingen die ruhmreiche Stuttgarter Schule repräsentieren, fragt man sich, wie dieser Ruf zustande kam, der sich auch in der Verleihung des Paul-Bonatz-Preises ausdrückt. Hinsichtlich der Kommunikation stellt sich die Frage, wo diese stattfinden soll; zwischen Bauherr und Nutzer kam sie jedenfalls nicht zustande. Oder wie läßt sich sonst das Fehlen von ‘Kommunikationsräumen‘ insbesondere in der Stadtmitte erklären?
Ein ‘Campus-Gefühl‘ kann in dieser Betonwüste mit Bauklötzchen-Charme nur schwer aufkommen.“
    Michael Lateier
    (Politik-Student)


„Die Idee der Campusuniversität halte ich prinzipiell für gut, da auf kleinem Raum ein hohes Maß an Vernetzung jeder Art möglich ist: Kurze Wege (zu Fuß oder Fahrrad, kein störender Autoverkehr); jeder kann mit nur geringem Aufwand jeden anderen persönlich erreichen. Dies ist auf dem Campus in Vaihingen weitgehend erreicht. Das ist positiv.
Für die mehr zufällig sich ergebende Kommunikation und für die Identifizierung mit ‘meiner‘ Universität fehlt mir ein Zentrum, ein zentraler Platz, wo man sich trifft - ähnlich einem Spinnennetz, wo alle Fäden in der Mitte zusammenlaufen. Diesen Platz gibt es nicht, vermutlich als Folge des Fehlens eines planerischen Gesamtkonzeptes zu Beginn des Pfaffenwaldausbaus*). Die S-Bahn-Station als starkes zentrierendes Element wurde ja auch erst viel später geplant und realisiert. Obwohl die zentrumbildenden Elemente wie Bibliothek, Mensa, Audimax (großer Physikhörsaal), S-Bahn-Station, Geschäfte, Cafeterias und anderes mehr relativ nahe beieinander liegen, ist deren räumliche Anordnung in keiner Weise „platz“-bildend im Sinne eines mittelalterlichen Marktplatzes. Dazu fehlen auch anheimelnde architektonische Elemente.
Im Innern der Zweckbauten wie dem Naturwissenschaftlichen Zentrum oder der Mensa fehlen weitgehend „Begegnungs“-Inseln. Ansätze dafür sind zwar vorhanden, jedoch wirken sie durch ihre Nüchternheit und Funktionalität wenig einladend. Eine Maximierung der Nutz-/Verkehrsflächenrelation hat nun mal nicht die Optimierung des menschlichen Wohlbefindens und der „zufälligen“ Kommunikation zum Ziel.
Positiv empfinde ich den Blick aus dem Fenster: Grüne Bäume, Wiesen, demnächst sogar ein See, Freiraum zwischen den Gebäuden, am Horizont noch Wälder, höchstens Eigenheimsiedlungen, kein Großstadtlärm.“ 
    Wolf Wölfel

*) Anmerkung der Redaktion: Ein solches Zentrum war in der ersten Planung durchaus vorgesehen, wurde jedoch später in die Lernstraße umgewandelt. Allerdings hat die Lernstraße die erwartete Zentrumsfunktion nicht erfüllt.


“...ein Kommentar aus dem amerikanischen Exil. Ich bin ein Informatiker aus dem Stuttgarter Ghetto und genieße es, daß ich hier in Amherst mal auf einem richtigen Campus studieren darf und mir gelegentlich Leute anderer Fachrichtungen (!!!) über den Weg laufen. - Bitte rettet uns und gebt der Informatik ein Zuhause auf dem Campus!!!“
    Ina (Informatikstudentin)


„Nach meinen Erfahrungen mit der Universität Bochum, einer Campus-Universität im Grünen, weiß ich einen Standort in der Stadtmitte besonders zu schätzen. Die Kunstgeschichte zieht, zusammen mit anderen geisteswissenschaftlichen Fächern, immer auch ein interessiertes Laienpublikum an, wie unter anderem auch die rege Teilnahme von Senioren an Vorlesungen und Seminaren belegt. Die erfolgreiche Durchführung von Gastvorträgen und von Symposien wird durch die zentrale Lage und die Nähe zum Bahnhof begünstigt. Persönlich gefällt mir mein Büro im zehnten Stock: Die Aussicht aus halber Höhenlage auf den ‘Stuttgarter Kessel‘ verleiht mir bei der Arbeit ein urbanes Lebensgefühl.“
     Beat Wyss


„Die Vorstellung, das lieb gewonnene Domizil des Backsteinbaus, Keplerstraße 10, Ende der 80er Jahre zugunsten eines Provisoriums in Vaihingen aufgeben zu müssen, war für uns damals fast eine Horrorvision. Zu sehr hatte man dieses Haus mit all seinen Unzulänglichkeiten schätzen und lieben gelernt. Überall schwang die Geschichte dieser Universität und ihrer Vergangenheit als Technische Hochschule mit, angefangen beim Großen Hörsaal im 3. Stock (dem ehemaligen Hörsaal 60) über das gewaltige Treppenhaus mit seinen Kunststeinstufen bis hinunter in die Toiletten im UG, die ehemals vom Architekten des Hauses nachgerüstet werden mußten. Es kamen wildfremde Leute vorbei, sahen sich im Haus um und erzählten, daß sie hier früher einmal studiert hatten, daß dieses Haus „ihre“ TH war. Man hatte auch liebgewonnen die Nähe zum Stadtzentrum und die Möglichkeiten, schnell etwas einkaufen zu können, in der Mittagspause oder auf dem Heimweg. Schließlich schätzte man die Nähe zum Rektoramt über die Straße, wo man den Kontakt zu den Menschen in der Verwaltung gut pflegen konnte.
Daß die Perspektive Vaihingen sich dann positiv entwickelte, lag zum einen an dem perfekten Containerhaus, das speziell für uns und unsere Bedürfnisse gebaut wurde, zum anderen an der Aussicht, als Institut eines ingenieurwissenschaftlichen Studiengangs ins Zentrum der Ingenieurwissenschaften zu kommen. Unsere Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Als Geodäten hatten wir nach dem Umzug im Jahre 1990 allen Grund, uns in unmittelbarer Nachbarschaft von Bauingenieuren, Maschinenbauern oder Physikern zu Hause zu fühlen. Die Zwangsläufigkeit, mit der wir den Kollegen begegneten - in der S-Bahn, auf dem Weg über den Campus oder in der Mensa -, brachte stets Anregendes mit sich: ein fachliches Gespräch, ein Austausch über die Studentensituation im anderen Fach, die Verabredung für einen umfassenderen fachlichen Austausch. Die interdisziplinären Kontakte zu den Ingenieurkollegen führten so schnell zu einer intensiven Zusammenarbeit in gemeinsamen Forschungsprojekten - gewachsen aus dem unmittelbaren Nebeneinander und den Möglichkeiten der direkten und spontanen Kontaktaufnahme.
Insoweit hat Vaihingen einen echten Campus-Charakter, der Forschenden und Lehrenden kurze Wege beim wissenschaftlichen Austausch erlaubt - ein Vorteil, der sich auch auf die Studierenden überträgt. Sie schätzen es nicht minder, über den Tellerrand des eigenen Faches hinauszuschauen und sich mit Studierenden anderer Fachrichtungen auszutauschen. Da ist es nachgeordnet, daß dieser Campus keine Urbanität hat (obwohl Studierende, die auf dem Campus wohnen, dies möglicherweise nicht so empfinden).
Und als nach knapp sieben Jahren erneut ein Umzug anstand, diesmal zugunsten eines angemieteten Hauses in der Stadtmitte (Baujahr 1966), gefiel uns der Gedanke, das uns liebgewordene Provisorium wieder aufgeben zu müssen, überhaupt nicht. Die Einsamkeit eines kleinen Ingenieurfaches in Stadtmitte war keine gute Perspektive, wenngleich der Weg mit der S-Bahn nach Vaihingen in nur 25 Minuten - von Haus zu Haus - zu bewältigen ist. Aber die zwangsläufigen Begegnungen fehlen eben. Und die vermissen wir. Eingewöhnt haben wir uns dennoch „hier unten...“
    Ulrich Hangleiter


„Der Campus hat große Ähnlichkeit mit einem der üblichen städtischen Gewerbe- oder Industriegebiete. Werden dort Handels- und Industriegüter produziert oder vertrieben, dient der Universitätsbereich Vaihingen der Produktion oder dem Vertrieb von Gütern der wissenschaftlichen Lehre und Forschung. Man fährt morgens dorthin zur Arbeit, geht mittags in die Kantine (Mensa) und fährt abends wieder nach Hause.
Niemals kommt man auf die Idee, auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit irgendwo anzuhalten - denn es gibt keinen Grund dazu: Es gibt keinen Kiosk, um sich mit den neuesten Zeitungen einzudecken, kein Straßencafé, um das Kommen und Gehen der Professoren und der Studierenden zu beobachten, keine Galerie, kein Kino, keinen Friseur, keine Bäckerei, keine Ladenzeile, kurz - kein öffentliches Leben. „Halsa“-Markt und „Universum“ machen den Campus auch nicht menschengerechter. Keiner, der hier nicht arbeitet oder studiert, käme auf die Idee, den Universitäts-Campus in Vaihingen aufzusuchen.
Wo verbringen eigentlich die rund 3.600 Studierenden aus den Wohnheimen ihre Zeit?
Der Alltag der akademischen Bürgerinnen und Bürger von Vaihingen scheint irgendwie „ereignislos“ zu verlaufen. Attraktive Einrichtungen wie Ökumenisches Zentrum oder die Universitätssportanlagen stehen merkwürdig beziehungslos „neben“ den Wohnblöcken.
Ist die S-Bahn-Station die Verbindung zum eigentlichen Leben?“
     Hans Wieland


„Bei dieser Fragestellung finde ich die Architektur außerordentlich gut gelungen. Immerhin fördert es die Kommunikation ungemein, wenn man dauernd nach dem Weg fragen muß; sei es aufgrund fehlender Beschilderung oder auch wegen der stringenten Gebäudebezeichnung.“
    Ulrike Schwidtal
    (Bauingenieur-Studentin)


„Ach ja, die räumlichen Verhältnisse im K II gelten als wenig kommunikationsfördernd, und neulich hat deshalb sogar eine von den Studierenden interviewte Kollegin für Abbruch plädiert. Tatsache ist einerseits, daß zumindest im Bereich der Fakultät 11 nicht nur die meisten Abteilungen eines Instituts, sondern auch die Bestandteile des gleichen Faches (etwa Romanistik/Linguistik und Romanistik/Literaturwissen-chaft) auf verschiedene Stockwerke verteilt sind. Andererseits hat es bei der vermutlich ziemlich willkürlich vorgenommenen Raumzuordnung auch glückliche Zufälle gegeben; so befand ich mich in der gleichen Etage wie das Sprachenzentrum, an dessen Leitung ich beteiligt war*). Dies hat viele Kontakte erleichtert und Wege verkürzt. Die Architektur des Gebäudes können wir nicht mehr ändern, wohl aber die Raumbelegung. Die anstehende Renovierung wäre dafür eine schöne Gelegenheit, falls ein ernsthafter Wille zur Änderung bestehen sollte. Wir haben‘s dagegen einfach: Wenn wir nicht viel mehr zusammen unternehmen, so liegt das nicht an uns, sondern an den bösen Architekten.
Ziemlich unangenehm finde ich dagegen die lieblose Gestaltung der Cafeteria, die unter anderen Verhältnissen ein günstiger Treffpunkt sein könnte. Warum ist eigentlich aus den vor ein paar Jahren mit größerem Werbeaufwand angekündigten Umgestaltungsplänen bisher nichts geworden?“
     Peter Blumenthal

*) Zu Beginn des Wintersemesters ist Prof. Blumenthal einem Ruf an die Universität zu Köln gefolgt.

„Ich bin mit unserem Campus im Pfaffenwald sehr zufrieden! Es gibt in Deutschland wenig Vergleichbares. Die Bauten sind gut und funktional ausgestattet, die Infrastruktur an Institutionen, die mit den Uni-Wissenschaftlern zusammenarbeiten, könnte nicht besser sein: das reicht von Instituten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt über Institute der Fraunhofer-Gesellschaft bis zu den Max-Planck-Instituten. Dies ermöglicht eine Forschungsintensität, um die uns viele beneiden. Im übrigen lade ich Gäste gerne zu einer Autofahrt über den Campus ein, um ihnen die Dimension dieser Wissenschaftsstadt vor Augen zu führen. - Allerdings würde ich mir auch mehr Angebote und Möglichkeiten zur Begegnung wünschen“.
    Ernst Messerschmid

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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