Kein Herrscher, kein Reich und keine Republik hat es sich nehmen lassen,
seine Macht mit Hilfe des Reiterdenkmals darzustellen. Der Wandel von der dynastischen zur
demokratischen Gesellschaft erfolgte somit auch auf dem Rücken der Pferde. Das
Pferdezeitalter beginnt mit dem dynastischen Totenkult. Das Denkmal verewigt
den Monarchen in herrschaftlicher Haltung, sein Antlitz wird mit imperialen Gesten
angereichert, deren Ikonographie bis in die Antike zurückreicht. Die segnende Hand des
Marc Aurel erweist sich als flexibel einsetzbares Zitat ebenso wie der Heilige Georg, der
auf einem sich aufbäumenden Pferd mit Lanze und Schwert den Drachen als Inbegriff alles
Bösen besiegt.
In dieser ersten Phase der Hippotaktik steht das Pferd für das Volk, das sich
durch seinen Monarchen lenken läßt. Dieses Verhältnis wird sich mit dem Schritt in das
soldatische Pferdezeitalter umkehren: Die Nation wird nun selbst zum Reiter. Der einfache
Soldat erklimmt den Pferderücken, während er vorher, wenn überhaupt, nur zu Fuß auf
dem Sockel der Denkmäler zu sehen war. Um 1900 räumt der Monarch seinen Platz, und
vorzugsweise nackte Jünglinge besteigen das Roß. So realitätsfern diese
klassizistischen Athleten auch ausfallen mögen, sie stellen gerade in ihrer Nacktheit
einen ersten Schritt zur Demokratisierung dar ohne Uniform läßt sich schließlich
auch der Dienstgrad nicht mehr ablesen.
Auch in Stuttgart sind zahlreiche Reiterdarstellungen zu
entdecken. Hier ein Ausschnitt
aus der Siegessäule auf dem Schloßplatz. (Foto: R. Koselleck) |
Die Anonymität dieser Figur wird sich im folgenden auch
für die Darstellung des unbekannten Soldaten eignen. Seine demokratisierende Funktion
entdecken erstmals die Briten nach dem Burenkrieg. Sie errichteten die ersten Mahnmale,
die den unbekannten Soldaten in direkter Umgebung der Grabstätten der Monarchen ehren.
Ein äußerst geschickter Schachzug, der sicher auch half, das Überleben der englischen
Krone zu sichern. Das Modell machte in ganz Europa Schule: Allerorts wurde der anonyme
Held zu Füßen oder gar auf gleicher Ebenen wie der Staatslenker geehrt.
Nach der Demokratisierung des Reiters steht mit dem ersten Weltkrieg noch die
Ästhetisierung des Pferdes aus. Mit dem Einzug der modernen Technik in das
Kriegsgeschehen hätte das Roß durch den Panzer oder das Flugzeug ersetzt werden müssen.
Aber das Ende der Kavallerie wird das Pferd dennoch überstehen. Es wird nun selbst
denkmalfähig. Im anbrechenden Zeitalter der Massenvernichtung steht es für die
Wehrlosigkeit nicht nur des Soldaten, sondern des gesamten Volkes gegenüber den neuen
Waffen. Von nun an sieht man nicht nur sterbende Krieger, sondern auch verendende Pferde,
deren Tod der Soldat betrauert. Mensch und Tier sind als wehrlose Märtyrer der Übermacht
der Technik ausgeliefert.
Den Zweiten Weltkrieg wird das Reiterdenkmal allerdings nicht überleben. Das
Medienzeitalter setzt auf Berichterstattung in Echtzeit und leitet das Ende der Erinnerung
ein. Denkmäler sind in unserer Gesellschaft nicht mehr postkartenfähig und verschwinden
zunehmend aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit. Nur in Deutschland kämpft man noch mit
der Frage, wie man mit Stein, Metall oder Architektur der Erinnerung noch Ausdruck
verleihen könnte die Krise dieser Gedächtniskultur ist jedoch nicht zu übersehen.
Insbesondere der Berliner Denkmalstreit dürfte darauf hinweisen, daß Erinnerung in
unseren Tagen nicht mehr mythisch zu vermitteln ist.
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