Stuttgarter unikurier Nr. 82/83 September
1999 |
DFG-Verbund-Schwerpunktprogramm
Transition:
Stuttgarter
Forschungsgruppe führend |
Einen außergewöhnlichen Erfolg konnte das Institut für Aerodynamik und
Gasdynamik (IAG) der Universität Stuttgart bei der dritten Antragsrunde für das
DFG-Verbund-Schwerpunktprogramm Transition erzielen: alle acht eingereichten
Projektanträge wurden bewilligt; die Gesamtfördersumme für zwei Jahre beträgt rund 1,6
Mio. Mark. Der Übergang oder die Transition von der schichtartigen, laminaren zur
unruhigen, vermischenden, reibungsintensivierenden, turbulenten Strömungsform ist das
komplexeste und hartnäckigste Grundlagenproblem der Strömungsmechanik und stellt seit
über hundert Jahren eine große Herausforderung für experimentelle und theoretische
Untersuchungen dar. Das in letzter Zeit stark zunehmende praktische Interesse an dieser
Thematik resultiert unter anderem aus den großen Anstrengungen der
Verkehrsluftfahrtindustrie, durch gezielte Laminarhaltung der dünnen reibungsdominierten
Strömungsschicht nahe der Flugzeughaut, der Grenzschicht, den Reibungswiderstand merklich
zu reduzieren: allein an den Flügeln besteht ein Reduktionspotential von ca. 10 bis 15
Prozent bezüglich des Gesamtwiderstandes. So kann die Wirtschaftlichkeit und
Umweltverträglichkeit des Transportmittels Flugzeug spürbar verbessert werden. |
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Im April 1996 wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) das
Verbund-Schwerpunktprogramm (SPP) Transition eingerichtet. Durch koordinierte
Entwicklung und Anwendung neuer Experimentier- und Berechnungsmethoden unter Bündelung
aller in Deutschland verfügbaren fachspezifischen Ressourcen wollen die Wissenschaftler
letztlich eine zuverlässigere Vorhersage oder sogar die Kontrolle der aerodynamisch
relevanten Grenzschichttransition ermöglichen. Abweichend von gängigen
Schwerpunktprogrammen mit ausschließlich universitärer Beteiligung war hier von
vornherein die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und
der Industrie vorgesehen, um damit auch für einen schnelleren Technologietransfer zu
sorgen.
Ausgangspunkt für das Schwerpunktprogramm war eine seit 1993 von der DFG finanzierte
Hochschulgruppe mit vier experimentellen Projekten aus Aachen, Berlin, Darmstadt und
Erlangen zur Untersuchung des laminarturbulenten Strömungsumschlages im Flugversuch, in
die gleich zu Beginn ein numerisches Projekt des Instituts für Aerodynamik und Gasdynamik
(IAG) der Universität Stuttgart zur koordinierenden theoretischen Unterstützung
eingebunden wurde. Schnell stellte sich die Fruchtbarkeit der großen theoretischen
Expertise der IAG-Transitionsgruppe heraus, die in den 80er Jahren am Institut A für
Mechanik von Prof. Hermann Fasel und Dr. Horst Bestek gegründet wurde und die seit 1990
am IAG Direktor seit Herbst 1991 Prof. Siegfried Wagner arbeitet. Mit derzeit 13
Mitarbeitern in den zwei Abteilungen Transition und Turbulenz und
Grenzschichtablösung und Sichtbarmachung gehört sie zu den weltweit ganz
wenigen Forschergruppen auf dem Gebiet der direkten numerischen Simulation und
Visualisierung von Transitionsvorgängen auf Höchstleistungscomputern.
Prof. Wagner und Dr. Bestek formulierten 1995 im wesentlichen den ersten SPP-Antrag, der
zur Einrichtung des in vier Themenkreise gegliederten Schwerpunktprogramms führte. Im
Frühjahr 1999 stand die dritte Antragsphase für das vierte und fünfte Förderungsjahr
von maximal sechs Jahren an. Alle acht vom IAG eingereichten Projekte, einschließlich
zweier Neuanträge, wurden von der DFG positiv begutachtet. Das IAG stellt damit allein
über ein Viertel der aktuell insgesamt 30 beteiligten Projekte, oder über ein Drittel
der direkt DFG-finanzierten Projekte. Darüber hinaus ist für Anfang 2000 die Einrichtung
eines fünften Themenkreises zur Strömungsphysikalischen Modellbildung (Transition,
Turbulenz, Ablösung) unter weiterer Beteiligung des IAG fest vorgesehen. Dieser
Erfolg unterstreicht das seit langem bestehende internationale Renommee der Stuttgarter
Transitionsgruppe.
Angeregt durch die drastisch gestiegenen Computerleistungen innerhalb der letzten 30 Jahre
sind in der Transitionsforschung vereinzelt leistungsfähige Methoden entwickelt worden,
die auf der entwicklungs- und rechenzeitintensiven hochgenauen numerischen Lösung der
zugrundeliegenden partiellen Differentialgleichungssysteme basieren. Bei der schwierigen,
sogenannten räumlichen direkten numerischen Simulation werden dagegen die vollständigen
Gleichungen für reibungsbehaftete zeitabhängige Strömungen, die
Navier-Stokes-Gleichungen, ohne weitere Modellierung numerisch zeitgenau gelöst. Damit
können die Instabilitätswellendominierten, instationären Strömungsvorgänge unter
einem Aufwand von wenigen bis hunderten von Rechenstunden auf Höchstleistungsrechnern
detailliert bis zur Turbulenz so simuliert werden, wie sie in sorgfältig durchgeführten,
aber meßbedingt oft nur lokal aussagefähigen, oder in virtuellen, weil praktisch nur
sehr schwer zu verwirklichenden Experimenten ablaufen würden.
Für die Simulationen stehen im Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) geeignete
Supercomputer sowohl mit wenigen, aber sehr schnellen Prozessoren
(Parallele-Vektor-Prozessoren-Typ NEC-SX4) als auch mit vielen, etwas weniger schnellen
Prozessoren (Massiv-Parallele-Prozessoren-Typ, CRAY-T3E) zur Verfügung. Die
Eigenentwicklung eines Simulationsverfahrens, die kontinuierliche Weiterentwicklung unter
Berücksichtigung der jeweils tatsächlich leistungsfähigsten Rechnerarchitektur, das
hartnäckige Attackieren hindernder Probleme, vor allem aber die konsequente, unbeirrbare
Fortsetzung des eingeschlagenen Weges und nicht zuletzt die Teamarbeit in der
Transitionsgruppe sind offensichtlich die besten Voraussetzungen für soliden Fortschritt
in der Grundlagenforschungsdisziplin Transition.
M. Kloker
KONTAKT
Dr.-Ing. Markus Kloker, Institut für Aerodynamik und Gasdynamik, Pfaffenwaldring 21,
70569 Stuttgart, Tel: 0711/685-3427; Fax: -3438
e-mail: kloker@iag.uni-stuttgart.de
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