Stuttgarter unikurier Nr. 82/83 September
1999 |
Studium Generale:
50 Jahre Grundgesetz |
50 Jahre Grundgesetz. Ein runder Geburtstag, ein renommierter Redner doch
das Interesse an diesem besonderen Tag war nicht überwältigend. Im Tiefenhörsaal der
Universität Stuttgart blieb am 14. Juni so mancher Platz frei. Die Zuhörer jedoch, die
den Weg gefunden hatten, waren sehr interessiert; das zeigte sich bei der abschließenden
Diskussionsrunde. |
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Auf Einladung des Studium Generale hatte sich Prof. Heinrich Wilms von der
Universität Konstanz auf den Weg nach Stuttgart gemacht, um zum 50. Jahrestag des
Grundgesetzes über Geistes- und ideengeschichtliche Leitgedanken für die Struktur
des Grundgesetzes zu reden. Dr. Martin Bauer freute sich, den Professor für
Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie, Völker- und Europarecht begrüßen zu können,
besonders da die Universität Stuttgart über keine eigene Rechtswissenschaftliche
Fakultät verfügt. Als naturgegeben werde das Grundgesetz heute von vielen
angesehen, das am 24. Mai 1949 in Kraft trat, sagte Rektor Prof. Günter Pritschow in
seinem Grußwort, und die wenigsten dächten viel darüber nach. Ein halbes Jahrhundert
Grundgesetz und ein halbes Jahrhundert Bundesrepublik Deutschland sei in der
Weltgeschichte zwar nur ein Wimpernschlag, da das Provisorium
Grundgesetz nun aber länger als je gedacht Bestand hat und für Freiheit und
Stabilität steht, sei es doch etwas Besonderes.
In seinem Vortrag ging Heinrich Wilms auf die historischen Entwicklungslinien bis 1948
ein, die den Parlamentarischen Rat in seiner Arbeit beeinflußt haben. So wurden der
Gesamtcharakter und die Einzelbestimmungen des Grundgesetzes von den Erfahrungen mit dem
Schicksal der Weimarer Verfassung geprägt. Die Grundrechte mit den Menschenrechten
wurden daher als unmittelbar geltendes Recht verankert, die Parteien auf die demokratische
Ordnung verwiesen, und auch das ausgeprägte förderative System der Bundesrepublik
Deutschland findet sein Motiv in den Erfahrungen mit dem extremen Einheitsstaat des
nationalsozialistischen Regimes und mit der Weimarer Republik.
Auch die Alliierten, erinnerte Wilms an die Geschichte, wirkten mit ihren
Gesetzesvorbildern auf die Ausgestaltung des Grundgesetzes ein. Sie waren stark daran
beteiligt, Deutschland in die Tradition des Westens einzugliedern und damit den deutschen
Sonderweg zu beenden. Der Rechtswissenschaftler hob hier auch auf die Besonderheit ab,
daß die Bundesrepublik Deutschland 1949 ja nicht aufgrund eines souveränen Willensaktes
der Deutschen geboren wurde, sondern daß, was durchaus nicht zu erwarten war, USA,
Frankreich und Großbritannien bestrebt waren, ihre Besatzungszonen zu einem
funktionsfähigen Ganzen zu machen.
Vom Nullpunkt aus wurde so eine Neuordnung entwickelt, die innenpolitische Stabilität
brachte, Wiederherstellung und Sicherung der rechtsstaatlichen Verhältnisse ermöglichte
und die Rückgewinnung des außenpolitischen Vertrauens forcierte. Als Resümee stellte
Wilms fest, daß das Grundgesetz, unter historisch ungünstigen Umständen entstanden und
als Provisorium angelegt, sich bewährt hat und stabil ist. Die immer wieder angedachten
und diskutierten Verbesserungsvorschläge hält er für vermeintliche
Verbesserungsvorschläge, denn 50 Jahre Stabilität sind Beweis für
Richtigkeit, zeigte sich Heinrich Wilms überzeugt und mahnte, das Bewährte nicht
dem Zeitgeist zu opfern.
J. Alber
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