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Stuttgarter unikurier Nr. 82/83 September 1999
Institut für Wohnen und Entwerfen:
Von Trotha: “Glücksfall für Uni und Land“
 

Neues schaffen, innovative Ideen verwirklichen... Doch was hilft all der Ideenreichtum, wenn das Geld zur Umsetzung fehlt? “Schon Cicero erkannte vor 2000 Jahren: Die Kassen sind leer“, zitierte Rektor Prof. Günter Pritschow. Doch eine großzügige Spende der Wüstenrot-Stiftung und das tatkräftige Engagement vieler ermöglichte die Verwirklichung des lang gehegten Wunsches: Ein zusätzliches Institut an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung. Am 19. Mai gaben die Professoren des 1997 gegründeten (Anm. 1) Instituts für Wohnen und Entwerfen, Thomas Jocher und Tilman Harlander, bei ihren Antrittsvorlesungen Einblick in ihre Arbeit.

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Das Besondere an diesem Institut: Hier paart sich architektonisches Know-how mit sozialwissenschaftlicher Kompetenz, denn die zwei Professoren sind Architekt und Soziologe. “Die Uni ist um ein Wissenschaftsgebiet reicher geworden und die Architektur noch gefragter als bisher“, betonte Prof. Pritschow. Die Institutsneugründung, die auch eine Erweiterung des Fachgebietes Gebäudekunde und Entwerfen mit sich brachte, war nur möglich aufgrund der Stiftungsprofessur der Wüstenrot-Stiftung, die zugleich weitere Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter finanziert. In Forschung und Lehre können nun die komplexen ökonomischen, sozialen, städtebaulichen und ökologischen Fragen im Wohnungsbau berücksichtigt werden.
Perspektiven des Wohnungsbaus
Der Architekt Thomas Jocher, er hat die C4-Professur für “Wohnbau, Wohnkonzepte und Grundlagen der Gebäudelehre“ inne, sprach über die Perspektiven des Wohnungsbaus und schlug dabei einen Bogen vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Vor 500 Jahren, als beispielsweise in Augsburg fast 80 Prozent der Bevölkerung kein Haus hatten, war Jakob Fugger einer der ersten, der eine reine Wohnsiedlung errichtete, die zudem auf seriellen Elementen und einer systematischen Gebäudeplanung basierte. Im Hinblick auf die Endlichkeit der Ressourcen und die immer geringere Halbwertzeit der Bauten, mahnte Thomas Jocher, müsse in Zukunft die wirtschaftliche Notwendigkeit der seriellen Produktion mit gestalterischer Vielfalt und Nutzungsreichtum verbunden werden. Im Idealfall könnten so Behausungen mit geringem Energieaufwand, geringem Unterhalt und bestmöglicher Rückführung in den Naturkreislauf hergestellt werden. “Auf die Dauer ist sowohl die Stadt als auch der Mensch gefährdet, da in der Stadt nur noch die Menschen wohnen werden, die sich ein Haus im Grünen nicht leisten können“, warnte Jocher und bemerkte, daß die Architektur viel Nachholbedarf habe. Neue Umfragedaten besagen nämlich, daß sich 80 Prozent der Menschen nur in einem Einzelhaus zufrieden wähnen.
Der Soziologe Tilman Harlander, Inhaber der C3-Professur für “Sozialwissenschaftliche Grundlagen“, ging auf die in den letzten Jahren zunehmend in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gelangte “soziale Stadt“ ein. Hintergrund dieses neuen Planungsziels sind die Problemquartiere und sozialen Brennpunkte, die in vielen Städten dazu führen, daß die Stadtgesellschaften immer weiter auseinanderdriften. Anhand der USA zeichnete Harlander die Entwicklung der Stadtgesellschaften auf, wo die Ghettos der Armen einer zunehmenden Anzahl von “gated communities“, abgesicherten Wohnorten der Mittel- und Oberschichten, gegenüberstehen. Das ursprüngliche Ziel in der amerikanischen Gesellschaft, die “Durchmischung“, wird dabei zurückgedrängt, und der Rückzug ins Private, als Schutzmechanismus gesehen, geht mit einer Entsolidarisierung einher.

Neuregelung erleichtert Stiftungsprofessuren
Eine Stiftungsprofessur ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, betonte Wissenschaftsminister Klaus von Trotha, und bezeichnete sie als einen Glücksfall für Uni und Land. Damit sich in Zukunft keine Universität mehr überlegen muß, ob sie einen solchen Glücksfall annehmen kann, dessen Weiterfinanzierung nach zehn Jahren nicht mehr gesichert ist, konnte von Trotha von einer Neuregelung berichten. Diese sieht vor, daß zwei Jahre vor Ablauf einer Stiftungsprofessur deren Qualität und Effizienz geprüft wird. Weiterhin für förderungswürdig anerkannt, wird diese dann aus den Ressourcen des Landes finanziert.

J. Alber

Anmerkungen:

1) Siehe dazu auch Uni-Kurier Nr. 70/März 1996, S. 5

KONTAKT
Institut für Wohnen und Entwerfen (Direktor: Prof. Dr. Thomas Jocher, Prof. Dr. Tilman Harlander, Prof. Dr. Wolf Reuter), Keplerstraße 11, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-4200, Fax 0711/121-4211;
e-mail: iwe@iwe.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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