Das Besondere an diesem Institut: Hier paart sich architektonisches Know-how
mit sozialwissenschaftlicher Kompetenz, denn die zwei Professoren sind Architekt und
Soziologe. Die Uni ist um ein Wissenschaftsgebiet reicher geworden und die
Architektur noch gefragter als bisher, betonte Prof. Pritschow. Die
Institutsneugründung, die auch eine Erweiterung des Fachgebietes Gebäudekunde und
Entwerfen mit sich brachte, war nur möglich aufgrund der Stiftungsprofessur der
Wüstenrot-Stiftung, die zugleich weitere Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter
finanziert. In Forschung und Lehre können nun die komplexen ökonomischen, sozialen,
städtebaulichen und ökologischen Fragen im Wohnungsbau berücksichtigt werden.
Perspektiven des Wohnungsbaus
Der Architekt Thomas Jocher, er hat die C4-Professur für Wohnbau, Wohnkonzepte und
Grundlagen der Gebäudelehre inne, sprach über die Perspektiven des Wohnungsbaus
und schlug dabei einen Bogen vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Vor 500 Jahren, als
beispielsweise in Augsburg fast 80 Prozent der Bevölkerung kein Haus hatten, war Jakob
Fugger einer der ersten, der eine reine Wohnsiedlung errichtete, die zudem auf seriellen
Elementen und einer systematischen Gebäudeplanung basierte. Im Hinblick auf die
Endlichkeit der Ressourcen und die immer geringere Halbwertzeit der Bauten, mahnte Thomas
Jocher, müsse in Zukunft die wirtschaftliche Notwendigkeit der seriellen Produktion mit
gestalterischer Vielfalt und Nutzungsreichtum verbunden werden. Im Idealfall könnten so
Behausungen mit geringem Energieaufwand, geringem Unterhalt und bestmöglicher
Rückführung in den Naturkreislauf hergestellt werden. Auf die Dauer ist sowohl die
Stadt als auch der Mensch gefährdet, da in der Stadt nur noch die Menschen wohnen werden,
die sich ein Haus im Grünen nicht leisten können, warnte Jocher und bemerkte, daß
die Architektur viel Nachholbedarf habe. Neue Umfragedaten besagen nämlich, daß sich 80
Prozent der Menschen nur in einem Einzelhaus zufrieden wähnen.
Der Soziologe Tilman Harlander, Inhaber der C3-Professur für
Sozialwissenschaftliche Grundlagen, ging auf die in den letzten Jahren
zunehmend in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gelangte soziale Stadt ein.
Hintergrund dieses neuen Planungsziels sind die Problemquartiere und sozialen Brennpunkte,
die in vielen Städten dazu führen, daß die Stadtgesellschaften immer weiter
auseinanderdriften. Anhand der USA zeichnete Harlander die Entwicklung der
Stadtgesellschaften auf, wo die Ghettos der Armen einer zunehmenden Anzahl von gated
communities, abgesicherten Wohnorten der Mittel- und Oberschichten,
gegenüberstehen. Das ursprüngliche Ziel in der amerikanischen Gesellschaft, die
Durchmischung, wird dabei zurückgedrängt, und der Rückzug ins Private, als
Schutzmechanismus gesehen, geht mit einer Entsolidarisierung einher.
Neuregelung erleichtert Stiftungsprofessuren
Eine Stiftungsprofessur ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, betonte
Wissenschaftsminister Klaus von Trotha, und bezeichnete sie als einen Glücksfall für Uni
und Land. Damit sich in Zukunft keine Universität mehr überlegen muß, ob sie einen
solchen Glücksfall annehmen kann, dessen Weiterfinanzierung nach zehn Jahren nicht mehr
gesichert ist, konnte von Trotha von einer Neuregelung berichten. Diese sieht vor, daß
zwei Jahre vor Ablauf einer Stiftungsprofessur deren Qualität und Effizienz geprüft
wird. Weiterhin für förderungswürdig anerkannt, wird diese dann aus den Ressourcen des
Landes finanziert.
J. Alber
Anmerkungen:
1) Siehe dazu auch Uni-Kurier Nr. 70/März 1996, S. 5
KONTAKT
Institut für Wohnen und Entwerfen (Direktor: Prof. Dr. Thomas Jocher, Prof. Dr. Tilman
Harlander, Prof. Dr. Wolf Reuter), Keplerstraße 11, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-4200,
Fax 0711/121-4211;
e-mail: iwe@iwe.uni-stuttgart.de
|