Prof. Dr.-Ing. Siegmund Wintergerst, ehemaliger Direktor des Instituts für
Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde, vollendete am 8. August 1999 sein 90. Lebensjahr.
Nach dem Studium der Technischen Physik in München, nach Assistenten- und
Industrietätigkeit wurde er 1949 zum Leiter des Materialprüfungsamtes für Maschinenbau,
1956 zum apl. Professor und 1957 zum Leiter der Forschungsstelle Kunststoffe der TH
München ernannt. 1963 folgte er einem Ruf an die Technische Hochschule Stuttgart und
übernahm den neugegründeten Lehrstuhl für Werkstoffkunde der Metalle und Kunststoffe.
Er baute das Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde auf, führte es zu
weitreichender Anerkennung und leitete es bis zu seiner Emeritierung 1979. |
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In grundlegenden Arbeiten zeigte er, wie Orientierungen und
Eigenspannungen die mechanischen Eigenschaften beeinflussen, wie man sie messen und durch
Tempern abbauen kann. Statische und dynamische Langzeitversuche, vor allem mit den für
die Praxis interessanten intermittierenden Beanspruchungen, gaben neue Einblicke in das
Verformungsverhalten von Thermoplasten. Durch umfangreiche Prüfungen an verstärkten
Thermoplasten wurden die Wege zur Auswahl und Vorbehandlung der Verstärkungsmaterialien
aufgezeigt. Einen Schwerpunkt von Wintergersts wissenschaftlicher Arbeit bildeten
Strukturuntersuchungen an Kunststoffen. Die Anwendung moderner elektronenmikroskopischer
Präparationsmethoden diente als Grundlage zum Aufbau einer Plastographie. Dadurch wurde
es möglich, bei Thermoplasten den Zusammenhang zwischen charakteristischen
Überstrukturen, Orientierungen und Verformungsvorgängen herzustellen.
Die Markteinführung der Kraftstoffkanister aus Polyethylen wurde erschwert durch das
Problem der Durchlässigkeit für Benzin. Davon angeregt, entwickelte Prof. Wintergerst
Meßmethoden für Permeationsvorgänge, die noch heute erfolgreich angewandt werden.
Sein reges Interesse an den Materialprüfungsaufgaben des Instituts, vor allem auch an
Schadensuntersuchungen, drückt die Aufgeschlossenheit für praxisnahe Probleme aus.
Bezeichnend für die Forschertätigkeit Wintergersts ist die Weite der Thematik und das
Bestreben, Phänomene auf ihre Ursachen zurückzuführen. Er hat mehr als eine
Ingenieurgeneration mitgeprägt, die in verschiedenen Zweigen der Wirtschaft und Forschung
erfolgreich das Fachgebiet der Werkstofftechnik vertreten.
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