Abschied für einen Vollblutchemiker mit
Managertalent: Franz Effenberger (rechts) mit Rektor Günter Pritschow.
(Foto: Klinkert) |
Ganz konnte es Universitätsrektor Prof. Günter Pritschow
nicht glauben, daß Franz Effenberger, ein Mensch, der selten ruht, sich nun
wirklich zurückzieht. Seinem scheidenden Kollegen, dem es gelinge, so viel Sympathie auf
sich zu vereinigen, bescheinigte der Rektor Toleranz, hintergründigen Charme,
Fleiß, Wissen, zielgerichtetes Handeln und vieles mehr.
Der Vollblutchemiker, mit 300 Originalpublikationen und 40 Patenten, zählt zu
seinen wichtigsten Arbeitsgebieten die Chemie der Aromaten, Heterocyclen und Aminosäuren
sowie die chemischen Grundlagen der Molekularelektronik und die Anwendung von Enzymen in
der Synthese. Effenberger erhielt das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und wurde mit dem
Alexander von Humboldt-Forschungspreis ausgezeichnet. 1930 in Nordmähren geboren,
studierte er an der TH Stuttgart Chemie, promovierte 1959 und habilitierte sich fünf
Jahre später. Es folgte ein Forschungsaufenthalt in den USA und 1971 die entscheidende
Wahl. Statt einem Ruf an die TU Braunschweig zu folgen, gab er der TH Stuttgart den
Vorzug. Zum Glück, kommentierte Günter Pritschow diese Entscheidung, denn
Effenberger wirkte nicht nur intensiv an der Reform des Chemiestudiums mit, sondern
engagierte sich als Prorektor für Forschung auch für den Aufbau der
Bioverfahrenstechnik. Seit 1986 erreichte der Rektor mit Managertalenten,
strategischem Geschick, Humor und Charme, so seine Mitarbeiter und Kollegen, vieles
für die Universität. Durch meisterliche Niederlagen beim Tennis gegen den
damaligen Ministerpräsidenten verstand er es, viele Fördermittel zu ergattern. Gerne
erinnerte sich Günter Pritschow an diese Zeit, als er, der Prorektor, beim Rektor
Effenberger noch in die Lehre ging.
Wie bei seiner Antrittsrede als Rektor sei es ihm auch an diesem Abend wichtig, die
Einstellung der Menschen zur Chemie zu verbessern, begann Franz Effenberger seine
Abschiedsvorlesung zur Frage Was haben Bopserbrunnen, Blutfarbstoff und
Perlonstrümpfe gemeinsam?
Durch Berichte und Briefe von Zeitgenossen lebendig aufbereitet, porträtierte Effenberger
drei Stuttgarter Chemiker. Hermann Christian Fehling, Begründer des Chemischen
Landesuntersuchungsamtes und der erste, der die vielen Mineralquellen Württembergs
analysierte, darunter auch die Bopserquelle in Stuttgart. William Küster, der die
richtungsweisende chemische Struktur für den Blutfarbstoff vorschlug und sich damit lange
nicht in der Fachwelt etablieren konnte. Als seine Struktur durch die Totalsynthese
bestätigt werden konnte, erlag er einem Herzinfarkt und kam um den Ruhm des Nobelpreises.
Als Hommage an diesen Forscher kennzeichnet in der S-Bahnhaltestelle
Universität die Formel für das Chlorophyll die Stuttgarter Chemie, das wie
der Blutfarbstoff ein Porphyrinderivat ist. Der gebürtige Stuttgarter Paul Schlack erfand
1938 das Perlon und wurde 1961 Leiter des neu gegründeten Forschungsinstituts für
Chemiefasern an der TH Stuttgart.
Alle drei Forscher hätten dazu beigetragen, betonte Effenberger, den Kenntnisstand ihrer
Disziplin zu erweitern und etwas Bleibendes für die Menschheit zu schaffen. Gemeinsam sei
ihnen auch gewesen, den persönlichen Ehrgeiz der Sache unterzuordnen und nicht die
Werbetrommel zu rühren. So lasse sich auch ihr geringer Bekanntheitsgrad erklären.
Ich möchte Ihnen vermitteln, daß es in Stuttgart hervorragende Chemiker gegeben
hat, schloß der Emeritus seinen Vortrag.
Die Zuhörer haben in Zukunft nun die Wahl, ob sie Günter Pritschows Aussage
überprüfen. Der Rektor meinte: Sehen Sie im Stadtpark in Zukunft einen älteren
Herrn mit grauem Schopf Tauben füttern, dann grüßen Sie ihn ruhig, aber es wird nicht
Franz Effenberger sein. Diesen vermutet er eher über einer Denkschrift zur
Befreiung der Universität von zuviel Bürokratie.
J. Alber
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