Städtebau
Wir brauchen eine Denkpause in der städtischen
Verkehrspolitik, die genutzt werden sollte, um ein Konzept zu diskutieren, das die Stadt-
und Umweltverträglichkeit vom Stigma des Ausstiegs und Verzichts befreit. Im Vordergrund
sollte stehen ein Gewinn an Lebensqualität, Komfort und Sicherheit.
Prof. Dr. Franz Pesch |
Verkehrsplanung
Wir haben früher Generalverkehrspläne für
Städte erstellt, sozusagen als Anpassungsplanung an stattgefundene
Siedlungsentwicklungen, ohne die Möglichkeiten der Verkehrssteuerung und -lenkung in
ihrer Auswirkung auf die Stadt zu nutzen. Heutige Verkehrsentwicklungsplanungen beinhalten
sehr viel mehr Vorstellungen über die Entwicklungen unter Beachtung der gegenseitigen
Abhängigkeiten in diesem Bereich.
Prof. Dr.-Ing. Gerhard Heimerl |
Fahrzeugtechnik
Das Kraftfahrzeug und sein Antrieb der Verbrennungsmotor
haben inzwischen einen hohen technischen Stand erreicht. Trotz zunehmendem
Fahrzeugbestand konnten die Abgasemissionen in den letzten Jahren deutlich reduziert
werden, verbunden mit einer Minderung des Kraftstoffverbrauchs und der
Geräuschentwicklung. Weitere Innovationen werden im Normalfall keine revolutionären,
sondern evolutionäre Prozesse sein, bei denen die Summe vieler kleiner Verbesserungen in
der Verknüpfung weiteren Fortschritt erbringen wird.
Prof. Dr.-Ing. Michael Bargende |
Verkehrsleittechnik
Mit dem Mobilitätsmanagement soll den einzelnen
Verkehrsteilnehmern Hilfestellung gegeben werden, effizienter und umweltfreundlicher
Mobilität wahrzunehmen. Im Vordergrund steht dabei die zeitnahe Information über das zur
Verfügung stehende Angebot der verschiedenen Verkehrsmittel.
Manfred Wacker |
Raumordnung
Die Verkopplung von Stadt als dem Standort von Wirtschaft
und Handel mit den anderen Städten, auch auf anderen Kontinenten, ist die eigentlich
entscheidende Frage. Eine der großen Hoffnungen ist, daß sich der Städtebau und die
kommunalen, regionalen Entwicklungen im gemeinsamen Dialog finden werden.
Prof. Dr. sc. pol. Peter Treuner |
Ökologie
Wir müssen Umwelt und Verkehr zu Recht als besonders
schwierigen Bereich und große Herausforderung betrachten, da mit der
Verkehrsinfrastruktur immer Sekundärfolgen bewußt oder unbewußt erzeugt werden. Deren
ökologische Folgen sind um ein Vielfaches größer als die Verkehrsinfrastruktur selbst.
Es setzt eine Dynamik ein, die nur sehr schwer oder gar nicht geplant werden kann.
Prof. Dr. Giselher Kaule |
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Dieses zum Teil paradoxe Chaos entwirren helfen will die
Forschungsgruppe FOVUS (Forschungsschwerpunkt Verkehr Universität Stuttgart). Im
Frühjahr 1999 trafen sich die in diesem Schwerpunkt kooperierenden Wissenschaftler der
unterschiedlichsten Disziplinen zu einem Meinungsaustausch im größeren Kreis.
Stadt und Verkehr Positionen und Perspektiven lautete das Thema der von
Professor Frank Englmann vom Institut für Volkswirtschaftslehre und Recht moderierten
Podiumsdiskussion.
Umweltqualität bei der Stadtentwicklung
Bei der Veranstaltung im Pfaffenwaldring 7 wurde die Spannweite der aus den
unterschiedlichen Fachdisziplinen eingebrachten Ansätze deutlich. Für die einen steht
die städtische Lebensqualität im Vordergrund. Stadtplaner Professor Franz Pesch
bezeichnete die Umweltqualität als eine der wichtigsten Säulen der Stadtentwicklung im
kommenden Jahrhundert, besonders vor dem Hintergrund der Globalisierung. Gefordert seien
dabei sowohl die eigenen Kollegen als auch die anderen Berufsstände. Er schlug vor, bei
städtischen Bauprojekten künftig auf eine Durchmischung von Kultur, Freizeit, Arbeit und
Ökonomie zu achten. Darüber hinaus müsse die gegenwärtige Art der Mobilität, die eine
fast ungebrochene Lust an der Windschutzscheibenperspektive kennzeichne,
überdacht werden. Er regte an, daß Stadtplaner und Verkehrsexperten sich über
Möglichkeiten der Fahrradförderung Gedanken machen sollten und fragte danach, ob ein
Teil Mobilität in das Internet verlagert werden könnte.Mit dem Ruf nach
Ressourceneffizienz wandte er sich an seine Mitstreiter aus dem technischen Bereich. Diese
mußten jedoch feststellen, daß bei ihren Bemühungen um eine Verringerung des
Energieverbrauchs der Kraftfahrzeuge keine Revolutionen mehr zu erwarten seien. Dies gelte
auch für die Reduzierung der Emissionen, verdeutlichte Professor Michael Bargende vom
Lehrstuhl für Verbrennungsmotoren. Nach den großen Fortschritten der vergangenen
Jahrzehnte seien allenfalls noch sehr kleine Verbesserungen zu erwarten. Auch alternative
Antriebe stünden in naher Zukunft nicht zur Verfügung, wie die Fahrzeugingenieure im
Verlaufe der Diskussion zum Unwillen mancher Visionäre eingestanden. Bisher würden
Versuche allenfalls demonstrieren, daß neue Antriebe noch zu teuer oder zu wenig
leistungsfähig seien. Verbrennungsmotoren könnten in absehbarer Zeit wohl kaum ersetzt
werden.
Weniger Schadstoffe durch Verkehrsmanagement
Angesichts dessen forderte Bargende die Verkehrsplaner auf, mit durchdachten
Verkehrssteuerungssystemen ihren Beitrag zur Schadstoffbegrenzung zu leisten. Die
Emissionen könnten durch die Erleichterung des Verkehrsflusses um 20 bis 30 Prozent
reduziert werden. Die Veränderung des Fahrverhaltens der einzelnen Verkehrsteilnehmern
ließe zudem Verminderungen zu.
Verkehrsmanagement und Verkehrssteuerung diese beiden Möglichkeiten standen auch bei
anderen Teilnehmern des Gesprächs an oberster Stelle. Manfred Wacker vom Institut für
Straßen- und Verkehrswesen hielt dies angesichts steigender Fahrzeugzahlen bei
gleichzeitigem Rückgang der Bevölkerung gerade für den Standort Stuttgart für
unabdingbar. Bessere Auslastung und höhere Effizienz der Verkehrsnetze und Verkehrsmittel
seien Möglichkeiten, dem Chaos nebst Folgen für die Umwelt und Lebensqualität Herr zu
werden. Zu denken sei dabei an neue Instrumente wie PTAs, die Personal Travel Assistants,
die beispielsweise in Form einer Armbanduhr den Verkehrsteilnehmern Informationen über
die besten Möglichkeiten und Mittel, von A nach B zu gelangen, zur Verfügung stellten.
Die Untersuchung der Lebensstile, die das Mobilitätsverhalten des einzelnen bestimmen,
war eine Forderung des Verkehrsexperten Professor Gerhard Heimerl. Er beklagte die Fehler
einer Vergangenheit, in der die Steigerung des Bruttosozialprodukts mit der Steigerung des
Verkehrs synonym gesetzt worden war. Dem Stadtplaner Professor Pesch gab er zu bedenken,
daß früher Generalverkehrspläne für Städte erstellt worden seien, ohne daß Pläne
für Verkehrssteuerung und -lenkung entworfen worden wären. Professor Peter Treuner vom
Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung wies jedoch darauf hin, daß heute
bereits Lenkungsprozesse in der Verkehrsplanung berücksichtigt würden.
Professor Heimerl ging jedoch noch weiter: Die aktuellen Rahmenbedingungen des Verkehrs,
das Verkehrsverhalten sowie die Möglichkeiten der Telekommunikation müßten in die
Überlegungen einbezogen werden. Er setzt auf integrale Konzepte für künftige Planungen,
die auch die Professoren Treuner und Giselher Kaule (Institut für Landschaftsplanung und
Ökologie) befürworteten. Meist löse man lediglich einen Teil des Verkehrsproblems,
beklagte Kaule. Genau dieses Defizit bildet den Hintergrund für die Zusammenarbeit der
Stuttgarter Wissenschaftler im Forschungsschwerpunkt FOVUS. Daß dies bisher kaum
praktiziert wurde, zeigte Treuner am Beispiel der bundesdeutschen Städte und
Verkehrsminister: Diese hätten sich am europäischen Raumordnungskonzept EUREK nicht
beteiligt.
Verkehr und Stadt versöhnen
Verkehrssteuerung durch unterschiedliche Ansätze, Mobilitätsmanagement, technischer
Fortschritt drei Instrumente zur Krisenbewältigung kristallisierten sich im Laufe der
Diskussion heraus. Dabei wollen die Wissenschaftler der Forschungsgruppe nicht
stehenbleiben. Mit ihren je eigenen Möglichkeiten wollen sie Gesamtkonzepte erarbeiten,
die dem zukünftigen Städtebau unter der Zielvorgabe, Verkehr und Stadt zu versöhnen,
einen Orientierungsrahmen bieten. Treuner wies allerdings darauf hin, daß dem Grenzen
gesetzt sind: Das Zusammenspiel von technisch Möglichem, philosophisch Wünschbarem
und Organisierbarem muß mit dem finanziell Machbaren abgestimmt werden, brachte er
in die Runde ein.
Daß FOVUS den Stein der Weisen findet, nimmt niemand an. Die Stadt entwickelte sich
in einem Trial- and Error-Verfahren, hatte Stadtplaner Pesch zu Beginn weit in die
Geschichte zurückgeblickt. Dies gilt für alle menschlichen Bereiche: Für die Politik
wie für die Wissenschaft und eben auch für die Stadt- und Verkehrsplanung. Von Fehlern
der Vergangenheit zu sprechen, wie Heimerl dies tat, trifft die Sache daher nur halb. Daß
die fächerübergreifende Zusammenarbeit positive Auswirkungen auf die Entwicklung der
Städte haben wird, bleibt zu hoffen. Bei der Umsetzung haben indes noch andere
mitzureden: Die Wirtschaft, die Fahrzeuge verkaufen will, die Menschen, die Arbeit haben
wollen, um nur zwei weitere Beispiele neben der finanziellen Machbarkeit zu nennen.
Hans-Joachim Graubner
Autoren und
Institute Prof. Dr.-Ing. Michael
Bargende, Lehrstuhl Verbrennungsmotoren am Institut für Verbrennungsmotoren und
Kraftfahrwesen, Pfaffenwaldring 12, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-5645, -5646, Fax
0711/685-5710, e-mail: info@ivk.uni-stuttgart.de
Apl. Prof. Dr.-Ing. Günter Baumbach,
Abteilung Reinhaltung der Luft am Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen,
Pfaffenwaldring 23, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-3489, -3487, Fax 0711/685-3491, e-mail:
baumbach@ivd.uni-stuttgart.de
Dr.-Ing. Harry Dobeschinsky,
Geschäftsführer Forschungsschwerpunkt Verkehr Universität Stuttgart (FOVUS),
Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-6370, -6368, Fax 0711/685-6666, e-mail: harry.dobeschinsky@po.uni-stuttgart.de
Prof. Dr. Frank C. Englmann, Abteilung
für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie am Institut für
Volkswirtschaftslehre und Recht, Keplerstr. 17, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3542,
-3543, Fax 0711/121-3555, e-mail: englmann@sofo.uni-stuttgart.de
Prof. Dr.-Ing. Gerhard Heimerl, Institut
für Eisenbahn- und Verkehrswesen/Verkehrswissenschaftliches Institut an der Universität
Stuttgart, Sprecher FOVUS, Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-6367, -6368,
Fax 0711/685-6666, e-mail: euv.vwi@po.uni-stuttgart.de
Prof. Dr. Johann Jessen,
Städtebau-Institut, Fachgebiet Grundlagen der Orts- und Regionalplanung, Keplerstr. 11,
70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-2213, -3331, Fax 0711/121-2209, e-mail: johann.jessen@po.uni-stuttgart.de
Prof. Dr. Giselher Kaule, Institut für
Landschaftsplanung und Ökologie, Keplerstr. 11, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3380,
-3375, Fax 0711/121-3381, e-mail: gk@ilpoe.uni-stuttgart.de
Prof. Dr. Reinhart Kühne, Lehrstuhl
Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik am Institut für Straßen- und Verkehrswesen,
Seidenstr. 36, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-2480, -2482 Fax 0711/121-2484, e-mail: kuehne@isvs.uni-stuttgart.de
Dr. Barbara Lenz, Institut für
Geographie, Azenbergstr. 12, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-1453, Fax 0711/121-1455,
e-mail: barbara.lenz@po.uni-stuttgart.de
Prof. Dr. Franz Pesch,
Städtebau-Institut, Fachgebiet Stadtplanung, Keplerstr. 11, 70174 Stuttgart, Tel.
0711/121-3350, -3865, Fax 0711/121-3356, e-mail: franz.pesch@Si.uni-stuttgart.de
Prof. Dr.-Ing. Eckhart Ribbeck,
Städtebau-Institut, Fachgebiet Planen und Bauen in Entwicklungsländern, Keplerstr. 11,
70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3370, -3371, Fax 0711/121-3745, e-mail: eckhart.ribbeck@Si.uni-stuttgart.de
Prof. Dr. sc. pol. Peter Treuner, Institut
für Raumordnung und Entwicklungsplanung, Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart, Tel.
0711/685-6333, -6332, Fax 0711/685-6965, e-mail: treuner@ireus.uni-stuttgart.de
Dipl.-Kfm. Uwe Umbach, Institut für
Eisenbahn- und Verkehrswesen, , 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-6367, -6368, Fax
0711/685-6666, e-mail: euv.vwi@po.uni-stuttgart.de
Dr.-Ing. Walter Vogt, Institut für
Straßen- und Verkehrswesen, Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-6440, Fax
0711/685-6966, e-mail: isv@isvs.uni-stuttgart.de
Dipl.-Ing. Manfred Wacker, Institut für
Straßen- und Verkehrswesen, Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-6443, Fax
0711/685-6966, e-mail: isv@isvs.uni-stuttgart.de
Anmerkung
Hier sind die Autoren dieser Ausgabe genannt. Es ist
beabsichtigt, in einem zweiten Heft die innerhalb dieses umfangreichen Forschungsfeldes zu
bearbeitenden technischen Aspekte darzustellen. |
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