Lärm ist ein weiterer Hauptfaktor zivilisationsbedingter Umweltgefährdung.
Rund 50 Prozent der Bevölkerung fühlen sich häufig oder andauernd durch Lärm
belästigt. An erster Stelle steht dabei der Straßen- und Verkehrslärm, vor allem in
zentrumsnahen Stadtbezirken. Die Lärmentstehung unterliegt zeitlichen Schwankungen. Dies
wird insbesondere beim Vergleich von Straßen- und Schienenlärm deutlich. Daher werden
Lärmwirkungen von einem energetischen Mittelwert des Schallpegels ausgehend über einen
größeren Zeitraum bewertet. Für die Feststellung der Lärmemissionen im Straßenverkehr
sind neben der Verkehrsstärke und der -zusammensetzung (Lkw-Anteil) die Geschwindigkeit
der Fahrzeuge, die Fahrbahnoberfläche, die Steigungsverhältnisse und betriebliche
Einrichtungen wie Lichtsignalanlagen von Bedeutung. Zur Ermittlung der Lärmemissionen des
Schienenverkehrs müssen die Parameter Zugfrequenzen und Zuglängen, die
Geschwindigkeiten, die Zugart und die Art der Bremsen herangezogen werden. Für die
Berechnung der Lärmimmissionen sind zusätzliche Faktoren wie der Abstand des
Immissionsortes von der Fahrbahn bzw. vom Schienenweg, die Höhenverhältnisse und die
Geländemorphologie, Hindernisse und meteorologische Einflüsse von Bedeutung.
Lärmbelastungen lassen sich durch Baumaßnahmen wie Lärmschutzwälle und Isolierfenster,
durch technische Verbesserungen der Fahrzeuge und durch die Reduktion des Verkehrs
verringern. Die Wahrnehmung von Lärmveränderungen beginnt allerdings erst ab einer
Größenordnung von zwei bis drei Dezibel; dies würde einer Halbierung der
Verkehrsstärke entsprechen. Mit einer deutlichen Verbesserung der Lärmsituation in den
nächsten Jahren kann darum nicht gerechnet werden. Zudem ist Lärm der einzige
Umweltbereich, in dem die Grenzwerte in den letzten Jahren nicht verschärft, sondern eher
entschärft wurden. Die Vermeidung weiterer Flächenzerschneidung durch den Ausbau des
Verkehrsnetzes erhält dadurch eine besondere Bedeutung für die Erhaltung geringer
belasteter und damit besonders wertvoller Flächen.
Abgase in Atemhöhe
Auch für Luftverunreinigungen ist Verkehr heute eine Hauptquelle. Besonders
problematisch ist, daß die Abgase nicht über hohe Schornsteine, sondern aus den
Auspuffrohren der Kraftfahrzeuge direkt in Atemhöhe in die Umgebungsluft gelangen. Zudem
treten die Abgasemissionen weit verbreitet, also auch direkt in Wohngebieten auf.
Vier Parameter beeinflussen die Luftqualität in der Umgebung von Verkehrsstraßen:
Emissionsquellstärke, Belüftung der Straße, die atmosphärischen
Ausbreitungsbedingungen und chemische Umwandlungen der Abgaskomponenten in der Luft. Die
Emissionsquellstärke hängt vom Emissionsverhalten der Fahrzeuge und der Verkehrsstärke
ab. Während die Abgasemissionen durch technische Maßnahmen an den Fahrzeugen
(Motortechnik und Abgaskatalysator) in den letzten Jahren ständig zurückgingen, stieg
die Verkehrsstärke an, so daß die Emissionsminderung erst langsam wirksam wurde. Neben
der Kraftfahrzeugtechnik beeinflußt auch das Fahrverhalten sehr stark die
Abgasemissionen. Stop- and Go-Verkehr, Kavalierstarts und vor allem Bergauf- und
Bergabfahrten, die durch die topographischen Begebenheiten im Mittleren Neckarraum
besonders häufig vorkommen, erhöhen die Emissionen beträchtlich. Neben den
Stickstoffoxiden, Kohlenmonoxid und geruchsintensiven Kohlenwasserstoffen sind heute
besonders die feinen Partikel, zum Beispiel Ruß aus Dieselfahrzeugen, in der Diskussion.
Die Belüftung der Straße wird von der Dichte der Randbebauung bestimmt. Der Extremfall
ungünstiger Belüftung ist in Straßenschluchten mit geschlossener und hoher Randbebauung
gegeben. Die Belüftung wird aber auch direkt durch die atmosphärischen
Ausbreitungsbedingungen beeinflußt. Stabile Wetterlagen, insbesondere Bodeninversionen,
verhindern die Ausbreitung der Luftverunreinigungen und führen zu erhöhten
Immissionsbelastungen. Austauscharme Wetterbedingungen treten in Baden-Württemberg und
insbesondere im Mittleren Neckarraum wesentlich häufiger auf als zum Beispiel in
Küstenregionen.
Die Luftqualität wird nicht zuletzt durch die chemischen Umwandlungen in der Luft
beeinflußt. Bei hohem Oxidationspotential in der Atmosphäre, wie es bei hohen
Ozonkonzentrationen im Frühjahr und Sommer auftritt, werden die primären
Abgaskomponenten schnell oxidiert. Die Oxidationsprodukte der Kohlenwasserstoffe und
Stickstoffoxide sind im allgemeinen stärkere Reizstoffe für die Atemwege und Augen des
Menschen als die Ausgangsprodukte.
Der Verkehr belastet Menschen und Umwelt in vielfätiger Weise. Lärmstreß kann zu
Schlafstörungen und vegetativen Beeinträchtigungen bis hin zu Gesundheitsschäden und
seelischen Belastungen führen. Sehr unterschiedliche Beeinträchtigungen des Menschen
können aus den zahlreichen Komponenten der Luftbelastung resultieren. Insbesondere die
Kombinationswirkung der vielfältigen Schadstoffkomponenten sind längst noch nicht alle
erforscht. Neben Atemwegserkrankungen sind unter anderem die cancerogenen Eigenschaften
vieler Stoffe von Bedeutung. Die Flächenzerschneidung wirkt über Zeitverluste, die
nachhaltigen Veränderungen von räumlich-funktionalen Beziehungen und über die
Zerschneidung soziologischer Einheiten auf den Menschen ein.
Der Ausschnitt zeigt die Schallemissionen im Stadtkreis
Stuttgart. Im Norden sind der Bereich um den Hauptbahnhof, die Heilbronner Straße und die
Bundesstraßen 10 und 27 als Lärmverursacher gut zu erkennen. Im Süden ist das Lärmband
der Autobahn zu sehen. Die Werte zwischen Tag und Nacht unterscheiden sich im Mittel in
der Region Stuttgart um etwa 5 dB(A). Die Daten wurden erhoben im Projekt Wege zu
einer umweltverträglichen Mobilität am Beispiel der Region Stuttgart (WUMS). |
Zerstörung von Lebensräumen
Die ebenfalls aus der Flächenzerschneidung resultierende Verinselung und
Zerschneidung von Biotopen und Biotopvernetzungen zerstört natürliche und urbane
Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten. Neben dem direkten Biotopverlust durch
Versiegelung zählen die Tierverluste durch Unfälle, die Verlärmung, die Störung und
Unterbrechung von Tierwanderwegen, die Immissionslast und die Entstehung von
Mikroklimaschwellen zu den wichtigsten Beeinträchtigungen. Weitere Folgen sind die
Ausbildung von anthropogenen Randzonen, die Trennwirkung auf Tierpopulationen und die
Besiedelung durch biotopfremde Arten. Zudem sind Langzeitfolgen wie das Aussterben
isolierter Populationen, die Dezimierung des Artengleichgewichts und die Änderungen in
der Artenzusammensetzung zugunsten der euryöken, d.h. gegen größere Schwankungen von
Umweltfaktoren unempfindlichen, Arten zu erwarten.
Aus heutiger Perspektive mutet diese Darstellung aus dem Jahr
1905 fast idyllisch an. Aber vermutlich ärgerten sich die Anwohner der Hauptstätter
Straße in Stuttgart schon damals über Verkehrslärm... |
Der Verkehr beansprucht das Schutzgut Boden
einerseits durch die direkte Flächeninanspruchnahme (Versiegelung). Andererseits findet
eine indirekte Flächeninanspruchnahme durch den Schadstoffeintrag auf die an die
Verkehrswege angrenzenden Flächen statt. Neben den Abgasen aus der Verbrennung des
Kraftstoffes ist zusätzlich der Fahrbahn-, Bremsbelag- und die Reifenabriebe sowie die
Tropfverluste von Kraftstoffen und Öl, im Winter zusätzlich die Belastungen durch
Streusalze zu nennen. Diese Belastungen sind in starkem Maße verkehrsmengenabhängig.
Die Beeinträchtigungen der Oberflächengewässer und des Grundwassers
stehen in engem Zusammenhang miteinander sowie zum Schadstoffgehalt im Boden und zu dessen
Fähigkeit, die Schadstoffe zu binden und die Belastungen damit abzupuffern. Insbesondere
bei Unfällen ist die Grundwassergefährdung sehr hoch. Oberflächengewässer werden zudem
durch Baumaßnahmen und Abwässer stark belastet.
Zwischen den einzelnen Elementen des Gesamtökosystems bestehen enge Wechselbeziehungen.
Diese sind zwar prinzipiell bekannt und auch qualitativ beschreibbar, jedoch sehr
schwierig zu quantifizieren. Bei der Bewertung verkehrsbedingter Belastungen für Mensch
und Umwelt sind zudem die im Gesamtrahmen einer Ökobilanz, in der alle Prozesse von der
Produktion der Fahrzeuge und der Infrastruktur über den Betrieb und die Entsorgung oder
Wiederaufbereitung der Fahrzeuge betrachtet werden, anfallenden Faktoren zu
berücksichtigen.
Giselher Kaule, Günter Baumbach
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