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Stuttgarter unikurier Nr. 82/83 September 1999
Nobelpreisträger Horst Störmer beim Tag der Physik:
Physik an der Grenze
 

Was ursprünglich als festlicher Rahmen für die Verleihung von Diplomurkunden geplant war, hat sich inzwischen zu einer Manifestation der Corporate Identity der Stuttgarter Physik entwickelt ­ der Tag der Physik. In einer Zeit des wirtschaftlichen Wandels und des Umbruchs der akademischen Rahmenbedingungen sind die Fakultäten und Fächer bestrebt, durch Bündelung der Kräfte ihr Profil zu schärfen und bei den aktuellen und ehemaligen Mitgliedern sowie den Freunden der Stuttgarter Physik ein Gefühl der Gemeinsamkeit zu erzeugen. Zusammen mit den Stuttgarter Max-Planck-Instituten war es der Fakultät gelungen, in diesem Jahr mit einem besonderen Highlight aufzuwarten. Ein prominenter Stuttgarter Doktorabsolvent, der Physik-Nobelpreisträger von 1998, Prof. Dr. Horst Störmer, konnte für den Festvortrag gewonnen werden.

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Dem Nachwuchs im Fach Physik war die Veranstaltung gewidmet. Diplomanden und Ehemalige lauschten gespannt, als der Schöpfer des Artur-Fischer-Preises selber, Prof. Dr. Artur Fischer, die Laudatio für die beiden diesjährigen Preisträger, Jörg Rollbühler und Stefan Rupp, hielt. “Wissen ist unser größter Wirtschaftsmotor. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sollte deshalb höchste Priorität haben“, hob der Ehrensenator und Ehrendoktor der Universität Stuttgart hervor, der sich selber wie kein zweiter um den wissenschaftlichen Nachwuchs verdient gemacht hat.

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Auch Elektronen ruhen nicht: der Nobelpreisträger von 1998, Prof. Dr. Horst Störmer, war während seines Vortrages beim Stuttgarter Tag der Physik ständig in Bewegung und zeigte, wo in der Physik die Grenzen heute am weitesten vorne sind.    (Foto: Eppler)

Den traditionellen Fachvortrag der Preisträger hielt Stefan Rupp, der als erster das Thema der Grenze in der Physik thematisierte. Er nutzte die Gelegenheit, um für das seit 1990 bestehende, ländergrenzenüberschreitende Austauschprogramm mit der Ecole Centrale in Frankreich zu werben. “Anstrengend, aber lohnend“, bezeichnete er seine zwei Jahre in Paris. Sein Vortrag behandelte die “Mathematische Analyse eines kollektiven Meinungsbildungsmodells“, ein fachgrenzenüberschreitendes Problem, das aus der Synergetik kommend auf die Soziodynamik angewandt wurde und auch für die Biologie einsetzbar sei.
Psychoakustische Experimente ließ Prof. Dr. Hans-Jörg Bauer folgen, der ein ums andere Mal zeigen konnte, wie die Grenzen des noch differenziert Wahrnehmbaren von unserem Gehör auf verblüffende Weise immer wieder überschritten werden. Daß unser Gehör eigentlich ein logarithmischer Spektralanalysator ist, verdeutlichte er an zahlreichen Tonbeispielen.
Die Spektralanalysatoren der Zuhörer zum swingen brachte dann eine richtige Jazzband, die von Prof. Rolf Martin, Physiker und Bassist, geleitet wurde. Rolf Martin forschte in den achtziger Jahren zusammen mit dem späteren Nobelpreisträger Horst Störmer in Grenoble, und beide sind bis heute befreundet.
Inzwischen hatte sich der Hörsaal bis auf den letzten Platz gefüllt, und während des Festvortrags verließ keiner den Raum: der Physik-Nobelpreisträger weiß, wie auch ein großes Publikum zu fesseln ist. “Physik an der Grenze“ lautete der Titel seines Vortrages, der auch über der gesamten Veranstaltung hätte stehen können. Ständig überschritt er die Grenze zwischen biografischer und wissenschaftlicher Darstellung der Forschungen, die schließlich zum Physik-Nobelpreis geführt hatten. Ständig wechselte er dabei zwischen den Sprachen, suchte mehrfach nach dem korrekten deutschen Ausdruck und erläuterte, warum es für einen Wissenschaftler in der englisch orientierten scientific community Probleme mit dem Umlaut in seinem Namen geben kann.
Der heute an der Columbia University in New York lehrende Störmer hat seine Erfahrungen sowohl in der Industrie wie in der Wissenschaft gemacht und die Forschung überschreite diese Grenze beständig von beiden Seiten. Die “Materialleute“ seien heute die wichtigsten in der Physik, ohne sie sei der Fortschritt in Wissenschaft und Wirtschaft nicht vorzustellen. Besonders in der Analyse der Elektronenkorrelationen kämen sich Grundlagenforschung und Anwendungsorientierung besonders nahe. Als Beispiel nannte er die in den Bell Laboratories entwickelten “Feldeffekttransistoren“, ohne die weder moderne Radioteleskope noch Handys denkbar seien.
Mit viel Witz und Selbstironie würzte der Nobelpreisträger seinen Vortrag, und er bekannte zum Schluß, daß letztlich die Vielteilchenphysik mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden sei, zu der viele Leute, die auch im Stuttgarter Auditorium sitzen, beigetragen hätten. Ein Gruß an den Genius loci, sicherlich, aber auch ein Hinweis darauf, daß die Grenzen in der Wissenschaft nur gemeinsam verschoben werden können. Eine Makro-Variante der Vielteilchenphysik war bis weit in die Nacht hinein anschließend im Umtrieb des gut besuchten Physiker-Sommerfestes zu studieren.     eng

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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