Zunächst überbrachte der Prorektor Lehre, Prof. Dr. Dieter Fritsch, die
Glückwünsche der Universitätsleitung und unterstrich bei dieser Gelegenheit die
Vorzüge einer breiter angelegten universitären Ausbildung im Gegensatz zu anderen
Hochschularten. Die frischgebackenen Ehemaligen forderte er auf, der im Aufbau
befindlichen Alumni-Organisation beizutreten, um den Kontakt zur Universität Stuttgart
aufrechtzuerhalten. Möglichkeiten zum Beitritt gibt es bei der Exmatrikulation und über
die WWW-Seiten der Universität.
Überlast und doch kein NC
Die Höhen und Tiefen eines Fakultätsjahres zeichnete die Dekanin der Fakultät
Luft- und Raumfahrttechnik, Prof. Dr.-Ing. Monika Auweter-Kurtz, in ihrer Ansprache nach.
Sie bedauerte in diesem Zusammenhang sehr, daß der Fakultät bislang die Einführung
eines Numerus clausus verweigert wurde, obwohl sie den einzigen baden-württembergischen
Studiengang in den Ingenieurkernfächern anbietet, der nicht an Unterlast, sondern an
Überlast leide. Es mußten 20 Prozent mehr Erstsemester zugelassen werden, als es der
Zulassungsquote der Fakultät entspricht. Alle Zahlen berücksichtigend, stellte die
Dekanin heraus: Dies gibt ein Betreuungsverhältnis von 1:19 das ist viel zu
hoch!
Strukturwandel durch Kommerzialisierung
Dr. Hartwig Knitter vom Vorstand der DaimlerChrysler Aerospace AG hielt den
Festvortrag, in dem er in klarer Linie den grundlegenden Strukturwandel in der Luft- und
Raumfahrt und seine Konsequenzen für das Selbstverständnis der Ingenieure und der
Forschung herausschälte: Vom technischen Produkt zur Lösung eines
Kundenproblems. Wir stehen heute vor einer einschneidenden Veränderung des
Marktes, Ihnen allen unter dem Stichwort Kommerzialisierung bekannt. Bisher seien es
vor allem öffentliche Gelder gewesen, die Luft- und Raumfahrtforschung vorangebracht
hatten. Aber seitdem neue kommerzielle Anwendungen wie Satelliten-Konstellationsprogramme
für ein weltumspannendes Nachrichtennetz, Satellitennavigationssysteme,
Erdbeobachtungssysteme für Landwirtschaft und Regionalplanung auf den Markt drängen, sei
es nicht mehr allein wichtig, technisch auf der Höhe zu sein. Es reicht nicht aus,
Satelliten zu bauen, sondern ein kundenorientiertes Marketingkonzept zu realisieren.
Und da werden das Kundeninteresse und das Preis-Leistungsverhältnis wichtig. Drastisch
formuliert: Der Telematik-Satellit konkurriert gar nicht mit anderen
Telematik-Satelliten, sondern mit dem Staumelder Rudi aus Leonberg, der mit seinem Handy
einen Stau auf der A 8 an den SWR meldet. Damit relativiere sich auch das alte
Zauberwort System der Luft- und Raumfahrtspezialisten, mit dem sie sich von
den anderen Ingenieurdisziplinen unterschieden. Die verlängerte Wertschöpfungskette
erweitere auch die technischen Produkt-Systeme um den Dienstleistungsaspekt. Die
klassischen Produkte unserer Industrie ... sind nicht mehr die eigentlichen
Endprodukte. Markterfolg hänge von der Gestaltung der offerierten Dienste, den
angebotenen Services, ab.
Umdenken nötig
Dieses Umdenken muß auch im Kopf des Ingenieurs stattfinden. Es ist ein
Unterschied, ob ich pro Jahr einen einzigen Satelliten im Wert von Milliarden entwickle
und als guter und gewissenhafter deutscher Ingenieur stolz bin, daß dieser doppelt
solange hält, als der Kunde es verlangt und bezahlt hat. Oder ob ich nach strengsten
Kostengesichtspunkten eine Serie von Satelliten vorbereiten muß und in Erwägung ziehe,
bei der Stromversorgung statt auf Solarenergie auf umgerüstete handelsübliche Batterien
zurückzugreifen.
Für die anwesenden Absolventen und die der Zukunft gab er aber auch Entwarnung. Wer für
diesen Markt gerüstet sein will, muß kein technisch-betriebswirtschaftliches
Universalgenie sein, aber wir suchen den Ingenieur, der offen ist für
Fragestellungen aus anderen Fachgebieten und der fähig ist, sein Wissen Kunden oder
Kollegen zu erklären, die nicht wie er Experte sind.
Die Ehrenmedaille der Fakultät für Luft- und
Raumfahrttechnik erhielt Prof. Dr. Gerhard Wittkämper von der Universität Münster von
der Dekanin, Prof. Dr. Monika Auweter-Kurtz, überreicht. Sein Einsatz um die
Hermann-Reissner-Stiftung, die sich die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der
Luft- und Raumfahrt zum Ziel gesetzt hat, wurde damit geehrt. Aus dieser Stiftung wurden
seit 1986 insgesamt sieben Preise für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Luft-
und Raumfahrttechnik an hochbegabte Nachwuchswissenschaftler verliehen. Außerdem sind
über 60 Forschungshilfen für Studierende und Nachwuchswissenschaftler vergeben worden,
die es in erster Linie ermöglichen sollten, an ausländischen Partneruniversitäten im
Rahmen eines integrierten Studiums zu studieren. (Foto: Eppler) |
Stuttgarter Diplom hilft
Daß man mit einem Diplom der Stuttgarter Luft- und Raumfahrttechnik auf dem
Arbeitsmarkt schon heute eine gute Position besitzt, belegte die Absolventenrede von Frank
Schindler, der bereits aus seinen ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt berichten konnte.
Die gute Reputation der Fakultät in der Industrie mache das Bewerben etwas einfacher,
sagte er. Aber da Gutes bekanntlich nur verbessert werden kann, regte er an, das
Präsentieren von Arbeitsergebnissen bereits im Studium noch stärker einzuüben. Das
unbürokratische Klima in der Fakultät sowie die kooperative Zusammenarbeit von
Professoren und Studierenden strich Schindler zum Abschluß noch besonders heraus. Auch
als ehemaliges Mitglied der Fachschaft, deren hilfreiche Skripte und Prüfungssammlungen
besondere Erwähnung fanden, freute er sich darüber, daß die Überreichung der
Urkunde vom unpersönlichen Briefkasten in diesen feierlichen Rahmen verlegt wurde.
Auslandserfahrung durch Stipendium
Der ehemalige Hermann-Reissner Stipendiat Peter Gath legte in seinem Beitrag
besonderes Gewicht auf eine intensive Auslandserfahrung. Schon heute, so hatte die Dekanin
vorher bereits festgestellt, verbringt fast ein Drittel eines Studienjahrgangs der Luft-
und Raumfahrttechnik mindestens ein Semester im Ausland. Mit Hilfe des Hermann-Reissner
Stipendiums konnte Peter Gath, der heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFR (Institut für Flugmechanik und Flugregelung)
arbeitet, seine Diplomarbeit am Georgia Institute of Technology, Atlanta, anfertigen.
Ich fange erst jetzt langsam an zu begreifen, wie wertvoll die vielen großen und
kleinen Erfahrungen sind, die ich dort gemacht habe, sagte er. Mit zahlreichen Dias
und Folien vermittelte er ein lebendiges Bild vom Campusleben und Forschen am Georgia
Tech. Da es im Siegel der Hochschule steht, sei ihm schon in der ersten Woche klar
geworden, daß das traditionsbewußte Georgia Tech 1885 gegründet wurde.
Bei der Uni Stuttgart habe ich das Gründungsdatum erst kürzlich eher zufällig auf
einem der neuen Uni-T-Shirts gesehen: 1829. Auch Gath unterstrich die Bedeutung der
Präsentation von Arbeitsergebnissen, worauf in den USA viel mehr Wert gelegt werde. Aber:
Bildung, die über das Niveau einer Highschool hinausgehe, sei in den USA teuer. Wer keine
Mittel besitzt oder nicht durch sportliche Leistungen auffällt, braucht ein Stipendium,
zumal auch das Leben auf einem amerikanischen Campus teuer sei. Um so wertvoller seien
deshalb Einrichtungen wie die Hermann-Reissner-Stiftung.
Für seine Verdienste um die Stiftung wurde bei der Jahresfeier Prof. Dr. Gerhard
Wittkämper mit der neugeschaffenen Ehrenmedaille der Fakultät ausgezeichnet (siehe Foto
und Bildunterschrift).
Die erste Jahresfeier wurde von allen Beteiligten als ein großer Erfolg bezeichnet
(großes Lob ging von der Dekanin an das Engagement der Studierenden), die Fortführung
sei selbstverständlich, jedoch wird man beim nächsten Mal einen größeren Hörsaal
nehmen müssen. eng
KONTAKT
Dekanat Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik, Pfaffenwaldring 27, 70569 Stuttgart, Tel.
0711/685-2400, Fax: -3617;
e-mail: dekanat@fak9.uni-stuttgart.de
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