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Stuttgarter unikurier Nr. 82/83 September 1999
Jahresfeier der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik:
Die Gründung einer Tradition
 

Die Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik hat für die Verleihung der Diplom- und Doktorurkunden in diesem Jahr zum ersten Mal einen festlichen Rahmen geschaffen. Die Einrichtung der Jahresfeier ging auf den ausdrücklichen Wunsch der Studierenden zurück, und die Resonanz bei allen Beteiligten zeigte, daß es sich hier nicht um ein Minderheitenvotum handelte. Neben Verleihungszeremoniell, Festvortrag und Absolventenrede als tragenden Elementen der Jahresfeier wurde bei der Veranstaltung am 25. Juni auch zum ersten Mal die neugeschaffene Ehrenmedaille der Fakultät verliehen, deren erster Preisträger Prof. Gerhard Wittkämper wurde. Für den musikalischen Rahmen sorgte das Oboenquintett des Akademischen Orchesters der Universität Stuttgart.

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Zunächst überbrachte der Prorektor Lehre, Prof. Dr. Dieter Fritsch, die Glückwünsche der Universitätsleitung und unterstrich bei dieser Gelegenheit die Vorzüge einer breiter angelegten universitären Ausbildung im Gegensatz zu anderen Hochschularten. Die “frischgebackenen Ehemaligen“ forderte er auf, der im Aufbau befindlichen Alumni-Organisation beizutreten, um den Kontakt zur Universität Stuttgart aufrechtzuerhalten. Möglichkeiten zum Beitritt gibt es bei der Exmatrikulation und über die WWW-Seiten der Universität.

Überlast und doch kein NC
Die Höhen und Tiefen eines Fakultätsjahres zeichnete die Dekanin der Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik, Prof. Dr.-Ing. Monika Auweter-Kurtz, in ihrer Ansprache nach. Sie bedauerte in diesem Zusammenhang sehr, daß der Fakultät bislang die Einführung eines Numerus clausus verweigert wurde, obwohl sie den einzigen baden-württembergischen Studiengang in den Ingenieurkernfächern anbietet, der nicht an Unterlast, sondern an Überlast leide. Es mußten 20 Prozent mehr Erstsemester zugelassen werden, als es der Zulassungsquote der Fakultät entspricht. Alle Zahlen berücksichtigend, stellte die Dekanin heraus: “Dies gibt ein Betreuungsverhältnis von 1:19 ­ das ist viel zu hoch!“

Strukturwandel durch Kommerzialisierung
Dr. Hartwig Knitter vom Vorstand der DaimlerChrysler Aerospace AG hielt den Festvortrag, in dem er in klarer Linie den grundlegenden Strukturwandel in der Luft- und Raumfahrt und seine Konsequenzen für das Selbstverständnis der Ingenieure und der Forschung herausschälte: “Vom technischen Produkt zur Lösung eines Kundenproblems“. “Wir stehen heute vor einer einschneidenden Veränderung des Marktes, Ihnen allen unter dem Stichwort Kommerzialisierung bekannt.“ Bisher seien es vor allem öffentliche Gelder gewesen, die Luft- und Raumfahrtforschung vorangebracht hatten. Aber seitdem neue kommerzielle Anwendungen wie Satelliten-Konstellationsprogramme für ein weltumspannendes Nachrichtennetz, Satellitennavigationssysteme, Erdbeobachtungssysteme für Landwirtschaft und Regionalplanung auf den Markt drängen, sei es nicht mehr allein wichtig, technisch auf der Höhe zu sein. “Es reicht nicht aus, Satelliten zu bauen, sondern ein kundenorientiertes Marketingkonzept zu realisieren.“ Und da werden das Kundeninteresse und das Preis-Leistungsverhältnis wichtig. Drastisch formuliert: “Der Telematik-Satellit konkurriert gar nicht mit anderen Telematik-Satelliten, sondern mit dem Staumelder Rudi aus Leonberg, der mit seinem Handy einen Stau auf der A 8 an den SWR meldet.“ Damit relativiere sich auch das alte Zauberwort “System“ der Luft- und Raumfahrtspezialisten, mit dem sie sich von den anderen Ingenieurdisziplinen unterschieden. Die verlängerte Wertschöpfungskette erweitere auch die technischen Produkt-Systeme um den Dienstleistungsaspekt. “Die klassischen Produkte unserer Industrie ... sind nicht mehr die eigentlichen Endprodukte.“ Markterfolg hänge von der Gestaltung der offerierten Dienste, den angebotenen Services, ab.

Umdenken nötig
Dieses Umdenken muß auch im Kopf des Ingenieurs stattfinden. “Es ist ein Unterschied, ob ich pro Jahr einen einzigen Satelliten im Wert von Milliarden entwickle und als guter und gewissenhafter deutscher Ingenieur stolz bin, daß dieser doppelt solange hält, als der Kunde es verlangt und bezahlt hat. Oder ob ich nach strengsten Kostengesichtspunkten eine Serie von Satelliten vorbereiten muß und in Erwägung ziehe, bei der Stromversorgung statt auf Solarenergie auf umgerüstete handelsübliche Batterien zurückzugreifen.“
Für die anwesenden Absolventen und die der Zukunft gab er aber auch Entwarnung. Wer für diesen Markt gerüstet sein will, muß kein “technisch-betriebswirtschaftliches Universalgenie“ sein, “aber wir suchen den Ingenieur, der offen ist für Fragestellungen aus anderen Fachgebieten und der fähig ist, sein Wissen Kunden oder Kollegen zu erklären, die nicht wie er Experte sind.“

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Die Ehrenmedaille der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik erhielt Prof. Dr. Gerhard Wittkämper von der Universität Münster von der Dekanin, Prof. Dr. Monika Auweter-Kurtz, überreicht. Sein Einsatz um die Hermann-Reissner-Stiftung, die sich die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt zum Ziel gesetzt hat, wurde damit geehrt. Aus dieser Stiftung wurden seit 1986 insgesamt sieben Preise für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrttechnik an hochbegabte Nachwuchswissenschaftler verliehen. Außerdem sind über 60 Forschungshilfen für Studierende und Nachwuchswissenschaftler vergeben worden, die es in erster Linie ermöglichen sollten, an ausländischen Partneruniversitäten im Rahmen eines integrierten Studiums zu studieren.     (Foto: Eppler)

Stuttgarter Diplom hilft
Daß man mit einem Diplom der Stuttgarter Luft- und Raumfahrttechnik auf dem Arbeitsmarkt schon heute eine gute Position besitzt, belegte die Absolventenrede von Frank Schindler, der bereits aus seinen ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt berichten konnte. Die gute Reputation der Fakultät in der Industrie mache das Bewerben etwas einfacher, sagte er. Aber da Gutes bekanntlich nur verbessert werden kann, regte er an, das Präsentieren von Arbeitsergebnissen bereits im Studium noch stärker einzuüben. Das unbürokratische Klima in der Fakultät sowie die kooperative Zusammenarbeit von Professoren und Studierenden strich Schindler zum Abschluß noch besonders heraus. Auch als ehemaliges Mitglied der Fachschaft, deren hilfreiche Skripte und Prüfungssammlungen besondere Erwähnung fanden, freute er sich darüber, “daß die Überreichung der Urkunde vom unpersönlichen Briefkasten in diesen feierlichen Rahmen verlegt wurde.“

Auslandserfahrung durch Stipendium
Der ehemalige Hermann-Reissner Stipendiat Peter Gath legte in seinem Beitrag besonderes Gewicht auf eine intensive Auslandserfahrung. Schon heute, so hatte die Dekanin vorher bereits festgestellt, verbringt fast ein Drittel eines Studienjahrgangs der Luft- und Raumfahrttechnik mindestens ein Semester im Ausland. Mit Hilfe des Hermann-Reissner Stipendiums konnte Peter Gath, der heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFR (Institut für Flugmechanik und Flugregelung) arbeitet, seine Diplomarbeit am Georgia Institute of Technology, Atlanta, anfertigen. “Ich fange erst jetzt langsam an zu begreifen, wie wertvoll die vielen großen und kleinen Erfahrungen sind, die ich dort gemacht habe“, sagte er. Mit zahlreichen Dias und Folien vermittelte er ein lebendiges Bild vom Campusleben und Forschen am Georgia Tech. Da es im Siegel der Hochschule steht, sei ihm schon in der ersten Woche klar geworden, daß das “traditionsbewußte Georgia Tech“ 1885 gegründet wurde. “Bei der Uni Stuttgart habe ich das Gründungsdatum erst kürzlich eher zufällig auf einem der neuen Uni-T-Shirts gesehen: 1829.“ Auch Gath unterstrich die Bedeutung der Präsentation von Arbeitsergebnissen, worauf in den USA viel mehr Wert gelegt werde. Aber: Bildung, die über das Niveau einer Highschool hinausgehe, sei in den USA teuer. Wer keine Mittel besitzt oder nicht durch sportliche Leistungen auffällt, braucht ein Stipendium, zumal auch das Leben auf einem amerikanischen Campus teuer sei. Um so wertvoller seien deshalb Einrichtungen wie die Hermann-Reissner-Stiftung.
Für seine Verdienste um die Stiftung wurde bei der Jahresfeier Prof. Dr. Gerhard Wittkämper mit der neugeschaffenen Ehrenmedaille der Fakultät ausgezeichnet (siehe Foto und Bildunterschrift).
Die erste Jahresfeier wurde von allen Beteiligten als ein großer Erfolg bezeichnet (großes Lob ging von der Dekanin an das Engagement der Studierenden), die Fortführung sei selbstverständlich, jedoch wird man beim nächsten Mal einen größeren Hörsaal nehmen müssen.    eng

KONTAKT
Dekanat Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik, Pfaffenwaldring 27, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-2400, Fax: -3617;
e-mail: dekanat@fak9.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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