„Wie
funktioniert eine Zelle? Welche Prozesse regeln Wachstum,
Differenzierung und Kommunikation von Zellen sowie die
Aufrechterhaltung koordinierter Funktionen von Zellverbänden?
Wie werden Signale von Zellen und Zellverbänden verarbeitet?
Fragen dieser Art bilden den Ausgangspunkt des neuen Sonderforschungsbereichs.
Zwar hat die Forschung in den vergangenen Jahren mit biochemischen
und molekularbiologischen Methoden viele Grundbausteine
und Botenstoffe von Signalnetzwerken entschlüsselt; über
das räumliche und zeitliche Zusammenwirken der molekularen
Bausteine ist jedoch noch wenig bekannt. Da bei prinzipiell
gleicher Ausstattung mit Signalmolekülen Zellen unter
Umständen ganz unterschiedliche Reaktionen zeigen können,
ist eine wesentliche Arbeitshypothese der beteiligten
Wissenschaftler, daß die Raum-Zeit Komponente der Signalprozesse
in besonderer Weise die zelluläre Reaktion bestimmt. Es
wird angenommen, daß dieses Grundprinzip von einfachen,
einzelligen Organismen (Bakterien, Hefen) bis hin zu komplexen
Zellverbänden höherer Zellen gleichermaßen gültig ist.
So hat sich der SFB das Ziel gesetzt, die Raum-Zeit-Struktur
von Signalprozessen von der Ebene der beteiligten Moleküle
bis hin zum Organ zu erfassen und die experimentellen
Ergebnisse durch eine Modellbildung zu unterstützen. Entsprechend
gliedert sich der SFB in vier Projektbereiche, die sich
mit den Signalprozessen auf molekularer, zellulärer und
Organ-Ebene sowie deren mathematischer Modellierung beschäftigen.
Vier
Projektbereiche
Auf molekularer und zellulärer Ebene gehören die räumliche
Organisation und Wechselwirkung von Signalproteinen zu
den Hauptthemen. Dabei werden neben den molekular- und
zellbiologischen Ansätzen auch spezielle biophysikalische
und vor allem mikroskopische Meßverfahren entwickelt und
eingesetzt. Auf Organ-Ebene werden räumliche und zeitliche
Muster bei der Prozessierung von Signalen in sensorischen
Systemen untersucht; dabei geht es vor allem um Aspekte
der Geruchs- und Geschmackswahrnehmung.
Integration
der Systemwissenschaften
Die Vielfalt von Signalprozessen und die enorme Komplexität
der inneren Zellarchitektur machen einen interdisziplinären
Ansatz zur Aufklärung der oben genannten Fragen erforderlich.
Neben der grundlegenden Beteiligung der Biologie, Chemie,
Physiologie und Physik ist die Integration der Systemwissenschaften
eine Besonderheit des Stuttgarter SFBs. So wird im vierten
Projektbereich die in Stuttgart in den ingenieurwissenschaftlichen
Disziplinen vorhandene Kompetenz in der mathematischen
Modellierung und in der Systemtheorie für das Verständnis
von biologischen Signalprozessen herangezogen. Aus der
mathematischen Modellierung ableitbare Vorhersagen sollen
dann in biologischen Experimenten wiederum überprüft werden,
bis über diesen iterativen Prozeß gültige Modelle der
Signalprozesse entstehen.
Gemeinsames
Labor
Für die komplizierten Meßverfahren wird ein gemeinsames
Labor für Hohenheimer und Stuttgarter Projekte im Verfügungsgebäude
auf dem Vaihinger Campus der Universität Stuttgart eingerichtet.
Dies ermöglicht die effiziente Nutzung der aufwendigen
Apparate vor allem im Bereich der Laserscanning-Mikroskopie
und der Videomikroskopie in Verbindung mit neuen bildanalytischen
Verfahren. Von dem Sonderforschungsbereich wird auch der
wissenschaftliche Nachwuchs in besonderer Weise profitieren.
Ein spezielles Seminarprogramm mit internationalen Rednern
wird den SFB begleiten und damit neben der experimentellen
Ausbildung von Diplomanden und Doktoranden in den verschiedenen
Teilprojekten auf einem hochaktuellen Forschungsthema
einen weiteren wichtigen Beitrag zu einer hochwertigen
Ausbildung leisten.
Bezug
zur Medizin
Die Aufklärung der grundlegenden Prozesse der Signalverarbeitung,
deren herausragende Bedeutung für die Grundlagenforschung
unbestritten ist, hat einen direkten Bezug zu vielen medizinischen
Fragestellungen. Da Signalprozesse so entscheidende Vorgänge
wie Wachstum, Differenzierung oder Tod von Zellen, aber
auch von Sinneswahrnehmungen kontrollieren, können Fehlsteuerungen
dieser Prozesse direkt oder indirekt zu schwerwiegenden
Erkrankungen führen. „Die Aufklärung der Signalprozesse,
die den spezifischen zellulären Leistungen zu Grunde liegen,
gilt als eine der zentralen Aufgaben und Hauptherausforderungen
der biowissenschaftlichen Forschung in den nächsten zehn
bis 15 Jahren, urteilt der Sprecher des SFB, Prof. Dr.
Klaus Pfizenmaier. /eng
KONTAKT
Prof. Dr. Klaus Pfizenmaier, Institut für Zellbiologie
und Immunologie, Universität Stuttgart, Allmandring 31,
Tel: 0711/685-6988, Fax: 0711/685-7484, e-mail: klaus.pfizenmaier@po.uni-stuttgart.de