Bei
Polylactid (PLA) handelt es sich, chemisch betrachtet,
um einen hydrolytisch spaltbaren Polyester, der schon
seit einiger Zeit in der Medizintechnik eingesetzt wird,
zum Beispiel als chirurgische Nähfäden oder Knochenschrauben
usw. PLA gehört aber auch zu den abbaubaren Polymeren,
die in Zukunft im müllintensiven Verpackungsbereich Verwendung
finden könnten. Es sind vor allem seine guten mechanischen
Eigenschaften, die PLA zum Konkurrenten für die heutigen
Verpackungsmaterialien werden läßt. PLA wird letztendlich
aus Milchsäure hergestellt und dieser Rohstoff kann durch
bakterielle Fermentation aus nahezu jeder nachwachsenden
Ressource wie Stärke, Zucker oder pflanzlichen Roh- und
Abfallstoffen gewonnen werden. Verpackungen aus PLA können
selbstverständlich, wie andere Polymere auch, recycelt
oder verbrannt werden. Interessant wird PLA aber vor allem
durch seine Kompostierbarkeit, die es in dem natürlichen
Kreislauf wieder zuführt.
Die
Ringöffnungspolymerisation
Polylactid kann über zwei unterschiedliche Synthesewege
hergestellt werden: Entweder über eine schrittweise Polykondensation
aus Milchsäure oder über die Ringöffnungspolymerisation
aus dem zyklischen Diester Lactid, der aus der Kopplung
zweier Milchsäuremoleküle entsteht. Die eher traditionelle
Polykondensation verlangt hohe Temperaturen, hat eine
lange Reaktionszeit und benötigt eine kontinuierliche
Abfuhr von Wasser. Und das Ergebnis ist eher bescheiden:
eine vergleichsweise niedrige Molmasse und unbefriedigende
mechanische Eigenschaften des Polymers. Dagegen bietet
die Ringöffnungspolymerisation einen direkten und einfachen
Zugang zu hochmolekularen Polymeren. Es ist bekannt, daß
die Ringöffnungspolymerisation von Lewis-Säuren und dabei
insbesondere von Zinn(II)-Oktanoat katalysiert wird.
Herstellungskosten
senken Erst wenn die Produktion großer Mengen Polylactide
wirtschaftlich gestaltet werden kann, kommt dieses Polymer
auch für ni.htmledizinische Anwendungen in Betracht. Deshalb
wurde am Institut für Kunststofftechnologie (IKT) der
Universität Stuttgart in Zusammenarbeit mit Kollegen des
Center for Education and Research on Macromolecules der
Universität Lüttich ein kontinuierlicher Produktionsprozeß
entwickelt, der auf der Technologie der reaktiven Extrusion
in Zweiwellenextrudern aufbaut. Diese Technologie erfordert
jedoch, daß die Polymerisationsreaktion in einem vergleichsweise
kurzen Zeitintervall abgeschlossen wird (5-7 Minuten).
Weiterhin sollte das Polymer bei der Reaktionstemperatur
stabil gegen Molmassereduktion sein. Es ist bekannt, daß
Zinn(II)-Oktanoat eine relative schnelle Polymerisationsreaktion
ermöglicht (ca. 60 min. im Reagenzglas), gleichzeitig
aber negative Einflüsse auf die Molmasse und die mechanischen
Eigenschaften des Polylactids auftreten. Aus diesem Grund
wurde ein Katalysatorsystem aus der Lewis Säure Zinn(II)-Oktanoat
und einer Lewis-Base (Triphenylphosphin) entwickelt, das
nicht nur die Polymerisationsgeschwindigkeit erhöht (ca.
45 min. im Reagenzglas), sondern gleichzeitig auftretende
Abbaureaktionen unterdrückt. Ein äquimolearer Säure-Base-Komplex
erzielt schließlich ein Gleichgewicht zwischen Polymerisationsgeschwindigkeit
und Abbaureaktionen, welches erlaubt, die Ringöffnungspolymerisation
in einem Einstufenprozeß auf einen Zweiwellenextruder
zu übertragen. Es wurden herausragende Ergebnisse unter
Verwendung eines dichtkämmenden gleichsinnig drehenden
Laborextruders erzielt. Dabei wurde der Einfluß unterschiedlicher
Prozeßparameter auf die Eigenschaften der resultierenden
Polymere analysiert. Obwohl diese Technologie zunächst
für die Polylactid-Homopolymerisation entwickelt wurde,
kann sie auch für die Generierung Lactid-basierter Blockcopolymere
eingesetzt werden, die ein breites Feld interessanter
Werkstoffeigenschaften für unterschiedlichste Anwendungsfälle
abzudecken ermöglichen.
Reaktive
Extrusion
Die Technologie der Polymerisation mittels reaktiver Extrusion
wurde schon früher für die Herstellung schnell reagierender
Polymere (z.B. Polyurethane) eingesetzt. Neu hingegen
ist, diese auch für vergleichsweise langsame Aufbaureaktionen
wie die vorliegende Polylactid-Ringöffnungspolymerisation
zu verwenden. Dabei wird die Reaktion durch den gezielten
Einsatz von Scher- und Mischelementen nochmals beschleunigt.
Durch extrusionstechnische Beschleunigungsverfahren ist
es jedoch gelungen, die Ringöffnungspolymerisation statt
nach 45 Minuten Reaktionszeit im Reagenzglas schon nach
5 bis 7 Minuten im Extruder abzuschließen. Nach einer
letzten Druckreduktion, bei der noch nicht reagierte Bestandteile
durch Entgasen entfernt werden, wird das Polymer unter
Druckaufbau in einem Düsenelement zu Strängen geformt,
die, abgekühlt und granuliert, für jeden beliebigen Polymerverarbeitungsprozeß
herangezogen werden können. Aus dem so hergestellten Polylactidgranulat
lassen sich extrudierte Folien, Fäden, Gewebe, Spritzgießteile,
tiefgezogene Becher, streckgeblasene Flaschen und viele
andere Kunststoffteile erzeugen. Durch Modifikation dieser
Polymere mittels Weichmachern, Zugabe von Füllstoffen
oder Copolymerisation erzielt man ein breites Eigenschaftsspektrum,
das nahezu beliebige Anforderungen erfüllen kann. Einziger
Wermutstropfen bei diesem Verfahren ist bislang eine chemische
Instabilität, die zwar den biologischen Abbau von PLA
ermöglicht, aber auch Abbaureaktionen während der Verarbeitung
und während des Gebrauchs verursachen kann.
Ausblick
Biologisch abbaubare Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen
wie Polylactid werden in den nächsten Jahren sicher weitere
Anwendungsfelder erobern. Um allerdings dauerhaft erfolgreich
zu sein, sind mehrere solcher Biopolymertypen erforderlich,
die gemeinsam das gesamte Feld potentieller Anforderungen
abdecken können. Daher läuft am Institut für Kunststofftechnologie
der Universität Stuttgart neben der Entwicklung von Polylactiden
und deren Copolymeren auch die Materialentwicklung anderer
bioabbaubarer Kunststoffe wie Poly-e-caprolacton, thermoplastische
Stärke, Polyurethane, teilaromatische Polyester sowie
von Materialverbindungen aus diesen Kunststoffen. Verbesserte
Eigenschaften Vor allem der zu hohe Preis verhinderte
bislang die Markteroberung durch die neuen Materialien.
Durch neue Produktionsverfahren, wie dem an der Universität
Stuttgart entwickelten, sowie durch Massenproduktion könnten
die Herstellungskosten jedoch an den Preis petrochemischer
Polymere angepaßt werden. Und: die neuen Stoffe haben
gegenüber traditionellen Kunststoffen erweiterte Eigenschaften,
wie bessere Wasserdampf- und Gasdurchlässigkeit (wichtig
für Gemüse- und Obstverpackungen), bessere Oberflächeneigenschaften
(wichtig für Bedruckbarkeit, Rauhigkeit, Gleitfähigkeit).
Damit könnten auch neue Anwendungsgebiete geschaffen werden,
in denen Kunststoffe bisher nicht oder nur unter ungünstigen
preislichen Bedingungen zum Zuge kamen.
KONTAKT
Dipl.-Ing. Sven Jacobsen, Dipl.-Chem. Sandra Keinath,
Institut für Kunststofftechnologie, Universität Stuttgart,
Böblinger Str. 70, 70199 Stuttgart, Tel.: 0711/641-2331,
-2317, e-mail. Jacobsen@ikt.uni-stuttgart.de,
keinath@ikt.uni-stuttgart.de