Mit
bisherigen Rechnerleistungen konnten Proben aus 1000 bis
1 Million Teilchen betrachtet werden, die in Würfel mit
Kantenlängen von 10 bis 100 Teilchen oder ca. 3 bis 30
Nanometern passen. Dies ist eine für viele physikalische
Probleme unzulässige Einschränkung. So können zum Beispiel
bei Verformungen Kraftfelder auftreten, deren Reichweite
größer als die Probe ist. Oder es entstehen bei Rißausbreitungen
Schallwellen, die am Rand reflektiert werden und das Verhalten
des Risses ändern.
Molekulardynamik-Programm
IMD
Am Institut für Theoretische und Angewandte Physik der
Universität Stuttgart (ITAP) wurde zur Simulation größerer
Proben das Molekulardynamik-Programm IMD („ITAP-Molekulardynamik“)
entwickelt. Ursprünglich von Dr. Jörg Stadler (jetzt Debis)
begonnen, wird das Programm von einer Gruppe von Mitarbeitern
des Instituts erweitert, überarbeitet und soll auch für
neue Parallelrechner-Architekturen angepaßt werden. Dr.
Stadler hatte mit diesem Programm schon einmal einen Weltrekord
aufgestellt (März 1997: 1.213.857.792 Teilchen). Dieser
wurde im November 1997 von Dipl.-Phys. Matthias Müller
vom Institut für Computeranwendungen der Universität Stuttgart
mit 1.399.440.000 Teilchen übertroffen. Am 28. Oktober
1999 war Dr. Johannes Roth vom ITAP nun in der Lage, in
einem Demonstrationslauf 5.180.116.000 Teilchen zu rechnen.
Die Atome formen einen Würfel mit einer Kantenlänge von
etwa 1540 Atomabständen. Das entspricht einem Kristall
mit 0.42 Mikrometer oder 0.00042 Millimeter Kantenlänge.
Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist etwa 100 mal
so dick. Die Leiterbahnen der Computerchips, auf dem die
Simulation lief, sind etwa so breit wie der simulierte
Kristall. Der neue Weltrekord wurde durch die Aufrüstung
einer Cray T3E-1200 am Forschungszentrum Jülich ermöglicht.
In dem Rechner arbeiten 512 Prozessoren. Mit 262 GB besitzt
er gegenwärtig den weltweit größten für zivile Nutzung
verfügbaren Rechner-Hauptspeicher. Zum Vergleich: 262
GB entsprechen dem Inhalt von 400 mal der Encyclopaedia
Britannica oder dem Speicher von 4000 PCs.
Auswertung
über Visualisierung
Die Menge der anfallenden Daten, insbesondere der Koordinaten
der Atome in regelmäßigen Zeitabständen, ist so groß,
daß man sie nicht mehr speichern, geschweige denn ausdrucken
kann. Deshalb wird es immer wichtiger, neue Auswertungsmethoden
zu entwickeln. Während der Simulation werden Bilder erzeugt,
die als Videosequenz abgespeichert und ausgewertet werden
können. Auf den Video-Clips werden dann die Ergebnisse,
die der Rechner in stunden- oder tagelangen Läufen berechnet
hat, lebendig. Der Betrachter kann sowohl die Bewegung
der einzelnen Atome beobachten als auch die koordinierte
Ausbreitung von Schallwellen oder das Wandern von Defekten.
KONTAKT
Institut für Theoretische und Angewandte Physik der Universität
Stuttgart, Prof. Dr. Hans-Rainer Trebin, Pfaffenwaldring
57, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-52 55, Fax: 0711/685-52
71, e-mail: trebin@itap.
physik.uni-stuttgart.de, http://www.itap.physik.uni-stuttgart.de/~imd