Eine
Lanze für die Grundlagenforschung, gerade auch in der
Wirtschaft, brach Dr. Johannes Georg Bednorz von der IBM
Research Division des Forschungslaboratoriums Rüschlikon
bei Zürich beim Universitätsabend am 15. November 1999.
Er sprach aus eigener Erfahrung, denn für die Entdeckung
der Supraleitung bei relativ hoher Temperatur in einer
neuen Klasse von keramischen Kupferoxiden war ihm im Jahr
1987 gemeinsam mit seinem Schweizer Kollegen Karl Alex
Müller der Nobelpreis zuerkannt worden. „Strom ohne Widerstand.
Hochtemperatur-Supraleitung - eine Entdeckung und ihre
Folgen“ hatte er seinen Vortrag im Hörsaal 17.01 überschrieben.
„Wir möchten mit Ihnen ins Gespräch kommen“, begrüßte
Uni-Rektor Prof. Günter Pritschow im Hörsaal 17.01 die
in großer Zahl erschienenen Zuhörer. Er nutzte die Gelegenheit,
erneut seine Sorge über die geringen Anfängerzahlen in
den Natur- und Ingenieurwissenschaften zu äußern. „Jeder
ist in seinem Bereich aufgefordert, auf die hervorragenden
Berufschancen aufmerksam zu machen“, betonte er.
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Der
Universitätsabend, diesmal gemeinsam mit IBM veranstaltet,
bildete gleichzeitig den Abschluß einer Firmenpräsentation
an der Uni. Unter dem Motto „Perspektiven“ hatte IBM Studierende
eingeladen, sich über Firmenphilosophie und Berufschancen
zu informieren. Erwin Staudt, Vorsitzender der Geschäftsführung
der IBM Deutschland GmbH, wies auf das rasche Wachstum
der Medien-, Telekommunikations- und Informationsindustrie
hin. IBM pflege weltweit enge Verbindungen mit 120 Universitäten,
40 davon in Europa und acht in Deutschland. „Wir sind
darauf angewiesen, die besten Talente an uns zu ziehen“,
sagte er, und „natürlich stolz darauf, einen Nobelpreisträger
in unseren Reihen zu haben“. Der 1950 in Neuenkirchen
in Nordrhein-Westfalen geborene Bednorz skizzierte zunächst
die Entwicklung im Bereich der Supraleiter. Unter Supraleitung
versteht man die Fähigkeit gewisser Materialien, unterhalb
einer bestimmten Temperatur elektrischen Strom ohne jeglichen
Widerstand zu leiten. Der holländische Wissenschaftler
Heike Kammerlingh-Onnes hatte dieses Phänomen im Jahr
1911 bei Quecksilber entdeckt. Jedoch konnten Anwendungsideen
wie beispielsweise Stromtransport ohne Widerstand, so
Bednorz, über Jahrzehnte hinweg nicht realisiert werden.
Gemeinsam mit seinem späteren Nobelpreiskollegen Karl
Alex Müller untersuchte Bednorz in Rüschlikon seit 1983
intensiv supraleitende Oxide. 1986 entdeckten Bednorz
und Müller in einer bestimmten Klasse von Oxiden (Lanthan-Barium-Kupferoxid),
daß der supraleitende Zustand bis hinauf zu einer Temperatur
von 35 Kelvin anhielt, ein absoluter Rekord.
Die
Entdeckung und Entwicklung der Hochtemperatur-
Supraleitung schilderte Nobelpreisträger Dr.
Johannes Bednorz beim Universitätsabend am
15. November. (Foto: Eppler)
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Die
Struktur dieser Oxide mit ihrem dreidimensionalen Netzwerk
ähnelt der Struktur der Perowskite, mit denen sich Bednorz
schon für seine Diplomarbeit befaßt hat. Diese Entdeckung,
für die die beiden Wissenschaftler 1987 mit dem Nobelpreis
ausgezeichnet wurden, entfachte weltweit enorme wissenschaftliche
Aktivität. Neue Verbindungen wurden entdeckt und in der
Anwendung wurden gewaltige Fortschritte erzielt. „Die
Entdeckung der Hochtemperatur-Supraleitung hat befruchtend
auf andere Gebiete der Festkörperphysik gewirkt“, stellte
Bednorz fest. Und die Nobelpreisträger machten ihre Erfahrungen
auch auf anderen Feldern. „Wir waren plötzlich Medienstars,
die wir dies nicht gewöhnt waren“, berichtete er. Man
experimentierte weltweit mit den Parametern Gitterstruktur,
Korngrenzen und kritischer Stromdichte. Und in der ausbrechenden
„Supraleitungseuphorie“ gab es immer wieder „temporäre
Rekordmeldungen über Usos, Unidentified Superconducting
Objects“. Inzwischen steht der Weltrekord für Supraleitung
bei 135 Kelvin. Heute versuchen die Forscher, die kritischen
Ströme durch Texturierung der Materialien in den Griff
zu bekommen. Anwendungen der Hochtemperatursupraleitung
(HTSL) liegen, wie Bednorz berichtete, in der Verkehrs-
und Energietechnik, in der Mikrowellentechnik, Medizintechnik
oder im Bereich Telekommunikation bei der Trennung von
Kanälen für mobile Telefone. HTSL-Kabel können bei der
Energieversorgung von Ballungsgebieten mit den herkömmlichen,
wesentlich größer dimensionierten ölgekühlten Kupferkabeln
bereits annähernd konkurrieren. Supraleitende Transformatoren
sind im Vergleich zu herkömmlichen nicht nur effizienter,
sondern sie können auch kleiner und leichter gebaut werden
und sind umweltfreundlicher. Auch in Elektromotoren lassen
sich die Kupferkabel durch HTSL ersetzen. Intensiv gearbeitet
wird zur Zeit zudem an der Entwicklung von Strombegrenzern
auf HTSL-Basis. Solche Strombegrenzer sind, sagte Bednorz,
bereits im Kraftwerk Löntsch in der Schweiz im Einsatz.
Auch für kontaktlose Untersuchung von Materialproben oder
für die Messung der Magnetfelder als Folge der menschlichen
Hirnströme (SQUIDs) sei diese Technologie geeignet. Die
intensive Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der
Supraleitung habe außerdem zu einer „Wiederauferstehung
der Perowskite“ geführt, sagte Bednorz. Er sei zuversichtlich,
daß in den Perowskiten, die möglicherweise in Verbindung
mit Silizium Furore machen würden, ein „Reservoir für
neue Technologien“ liege. /zi
Zum
Werdegang von Johannes Georg Bednorz
1950
in Neuenkirchen (Nordrhein-Westfalen) geboren, studierte
Johannes G. Bednorz ab 1968 zunächst Chemie, später Kristallographie
an der Universität Münster. Der erste Kontakt zum Züricher
Forschungslaboratorium der IBM im Jahr 1972 im Rahmen
eines dreimonatigen Studienaufenthaltes legte die Grundlage
für seine spätere Entscheidung, in die Schweiz zu wechseln.
Bereits für den experimentellen Teil seiner Diplomarbeit
arbeitete er 1974 wieder ein halbes Jahr in Rüschlikon.
Nach einem weiteren Jahr an der Universität Münster wechselte
er 1977 zur Promotion an die ETH Zürich. Wie schon für
sein Diplom setzte er dort seine Untersuchungen zum Kristallwachstum
sogenannter Perowskiten, ihrer Struktur und ihren dielektrischen
und ferroelektrischen Eigenschaften fort. 1982 trat Bednorz
in das Forschungslaboratorium der IBM in Rüschlikon ein.
Seit 1983 untersuchte er dort mit seinem Nobelpreiskollegen
Karl Alex Müller intensiv hochtemperaturleitende Oxide.
Neben dem Nobelpreis (1987) wurde die wissenschaftliche
Arbeit von Dr. Bednorz mit zahlreichen weiteren Preisen
gewürdigt, darunter der Thirteenth Fritz London Memorial
Award, der Dannie Heinemann Prize, der Robert Wichard
Pohl Prize, der Hewlett Packard Europhysics Prize sowie
der International Prize for Materials Research.
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