Stuttgarter unikurier
Nr. 84/85 April 2000 |
Informationdienste
für intermodale Verkehrssysteme:
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Sicherheit durch Information |
Die
Verkehrsträger Straße und Schiene haben sich historisch
weitgehend unabhängig voneinander entwickelt. Die eingleisigen
Entwicklungen der einzelnen Verkehrsarten sind zum wesentlichen
Hindernis bei der Entwicklung vernetzter Transport- und
Beförderungsketten geworden. Diese Situation hat sich
seit der Entwicklung von Verkehrstelematiksystemen, insbesondere
im Bereich der Kraftfahrzeugnavigationssysteme und der
rechnergestützten Betriebsleittechnik, im öffentlichen
Verkehr geändert. Erstmals ergibt sich langfristig die
realistische Chance, effektiv verknüpfte oder intermodale
Transport- und Beförderungsketten einzurichten. Voraussetzung
ist ein durchgängiges Informationsmanagement, das von
der zuverlässigen Erfassung von Verkehrsstörungen bis
hin zur rechnergestützten Verkehrslagebeurteilung und
Betriebsleittechnik reicht.
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Erfassung,
Verwaltung und Bereitstellung von Informationen für den
gesamten Transportweg von der Haustür über das Auto, die
Bahn und den Bus bis zum Zielort sind künftig entscheidend
für die Lösung der allgegenwärtigen Verkehrsprobleme.
Dabei sind beim Aufbau intermodaler Beförderungsketten
auch neue Strukturen der Qualitätssicherung im Informationsmanagement
für den Verkehr von entscheidender Bedeutung. Der Informationsbedarf
des einzelnen Verkehrsteilnehmers läßt sich folgendermaßen
zusammenfassen: Was passiert wann und wo auf dem Verkehrsnetz
und wo erhalte ich Zugang zu Dienstleistungen wie Wartung,
Einkauf, Electronic Commerce, Business und Weiteres? Die
Informationskette für die Erfüllung dieses Bedarfs ist
nur durch eine starke Vernetzung von Informationsanbietern,
Informationsdiensten und Systembetreibern realisierbar.
Die Funktionen solcher Anbieter bzw. Dienste sind: Kaufen
und Verkaufen von Informationen, Wertschöpfung durch Aggregation
von Information unterschiedlicher Quellen, Informationspflege
sowie Anbieten von Diagnose, Prognose, Handlungsempfehlung.
In mehreren Projekten an der Uni Stuttgart wird zur Zeit
eine Prozeßanalyse und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
für den Aufbau der Informationskette für ausgewählte Dienste,
beispielsweise Routing-Dienste, erarbeitet. Die entsprechenden
Algorithmen sind grundsätzlich auch für intermodale Verknüpfungen
verfügbar. Die Akzeptanz verkehrsträgerübergreifender
Routing-Empfehlungen wird aber bis heute noch behindert
durch erhebliche Fehleinschätzungen der Reisezeiten jedes
einzelnen Verkehrsmittels einschließlich der ungewissen
Übergangszeiten beim Wechsel der Beförderungsmittel. Solche
Hemmnisse könnten durch systematische Verbesserung der
intermodalen Informationskette und des Informationsmanagements
abgebaut werden. Eine besondere Rolle spielt in diesem
Zusammenhang die Einführung von anwendungspezifischen
Standards für die gesamte Transport- und Informationskette.
Die derzeitigen Standardisierungsaktivitäten beschränken
sich leider immer noch auf getrennte Informationsstrukturen.
Eine Vernetzung Straße-Schiene-Luft kann daher de facto
bislang nicht stattfinden. Probleme bereitet auch die
Zuverlässigkeit und die Verfügbarkeit von Ortungsinformation
für Schienen- und Straßenfahrzeuge, insbesondere in Ballungsräumen.
Es ist vor allem der Faktor Sicherheit im Verkehr, der
beim Einsatz satellitengestützter Ortungssysteme wegen
der physikalischen Systemgrenzen von GPS (Abschattungen
und Reflexionen) langfristig zur Verwendung hybrider Lösungen
mit Map-Matching-Technologien führen wird. Insbesondere
für sicherheitsrelevante Fragestellungen der Leittechnik
im Verkehr ist die Bereitstellung rechtzeitiger und zuverlässiger
Informationen (sichere Informationen) als Herausforderung
für den Geoinformationsmarkt zu sehen. Die eigentliche
Schwierigkeit für Zielführungssysteme ist nicht die Ortung
der Fahrzeuge, sondern die danach aus einer Datenbank
abgeleitete sichere Information beziehungsweise konkrete
Anweisung, wie sich der Fahrer an der nächsten Verzweigung
verhalten soll. Da dieses außerordentlich komplexe Problem
bereits heute zuverlässig von mehr als 30 Systemanbietern
gelöst ist, ist die Nutzung dieser Zielführungstechnologie
auch im Bereich des öffentlichen Verkehrs für rechnergesteuerte
Betriebsleittechniken absehbar. Entsprechende Entwicklungen
der Industrie sind bekannt. Es ist auch hier die Verkehrssicherheit,
die als Triebfeder für öffentlich geförderte Entwicklungen
auf dem Telematiksektor wirkt. Und es besteht in der Tat
ein erhebliches Sicherheitssteigerungspotential für telematikgestützte
Assistenzsysteme im Ballungsraum. Schon die Vorabinformation
des Fahrers über vorhandene Unfallschwerpunkte und über
die aktuelle Verkehrslage läßt einen positiven Einfluß
auf das Unfallgeschehen im urbanen Straßenverkehr erwarten,
wenn statt dessen der Fahrer auf einer „sicheren“ Route
durch die Stadt geführt wird. Die dafür notwendigen Informationen
können in zukünftigen Kreuzungsassistenzsystemen durch
eine intelligente Kopplung von Fahrzeugtechnik und Infrastruktur
erschlossen werden. Marktentscheidend für die Entwicklung
privater Verkehrsinformationsdienstleistungen wird die
Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Informationen für
leittechnisch sichere Systeme sein. Es lohnt sich, diese
schwierige Aufgabe konzentriert anzugehen, da hier ein
erhebliches Verkehrssicherheitspotential erschlossen werden
kann. Der langfristige Ausbau hochleistungsfähiger Datenkommunikationswege
ist zu erwarten.
Wolfgang
Möhlenbrink
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