Die
Kosten-Nutzen-Analyse, die in der Bundesrepublik Deutschland
vor allem als volkswirtschaftliches Bewertungsverfahren
bei Verkehrsprojekten verwendet wird, geht von einer individualistischen
Sichtweise aus. Entscheidend für die volkswirtschaftliche
Wohlfahrtsänderung ist, welche Nutzenänderung ein Projekt
bei Individuen hervorruft. Die volkswirtschaftliche Wohlfahrtsänderung
ergibt sich als Summe der individuellen Nutzenänderungen.
Zusätzliche Nutzen bzw. Kosten lassen sich teilweise direkt
über Marktpreise messen, wie bei eingesparten oder zusätzlichen
Betriebskosten. Zum Teil müssen Marktpreise korrigiert
werden, wie bei Treibstoffkosten, bei denen die Mineralölsteuer
nicht als Ressourcenverzehr gezählt werden darf, da sie
volkswirtschaftlich einen Transfer an den Staat darstellt.
Für bestimmte Auswirkungen des Verkehrs wie für Schadstoff-
oder Lärmemmissionen oder für Zeitersparnisse gibt es
keine Marktpreise. Sofern also für Auswirkungen des Verkehrs
keine Marktpreise vorliegen oder diese die externen Kosten
nicht enthalten, sind bei der Bewertung Schattenpreise
zu verwenden. Schattenpreise sind künstliche Preise, welche
die volkswirtschaftlichen Kosten von Gütern ausdrücken
sollen. Zur pragmatischen Ermittlung von Schattenpreisen
gibt es mehrere Verfahren. Diese sollen am Beispiel Verkehrslärm
erläutert werden. Als wichtigste Verfahren, die auch bei
den verbreiteten Bewertungsverfahren im Verkehrsbereich
Verwendung finden, sind zu nennen:
- Schadenskostenansatz,
- Vermeidungskostenansatz,
- Zahlungsbereitschaftsansatz,
- Hedonischer
Preisansatz.
Beim
Schadenskostenansatz wird versucht, möglichst vollständig
die zurechenbaren Folgen des Verkehrslärms zu erfassen
- wobei sowohl Vollständigkeit als auch Zurechenbarkeit
immer ein Problem darstellen - und diese Folgen mit Preisen
zu bewerten. Beim Lärm könnten dies Behandlungskosten
infolge lärmbedingter Erkrankungen und eine verminderte
Arbeitsproduktivität sein. Beim Vermeidungskostenansatz
läßt sich eine Untergrenze für die Kosten negativer Auswirkungen
durch die Ausgaben abschätzen, die zur Vermeidung dieser
Auswirkungen getätigt werden müssen. Im Falle von Verkehrslärm
erfolgt die Abschätzung etwa durch die Kosten des Einbaus
von Lärmschutzfenstern zur Erreichung eines als zumutbar
angesehenen Lärmpegels. Bei diesem Ansatz liegt das Problem
zum einen darin, daß Störungen, gegen die keine Maßnahmen
ergriffen werden, nicht als Kosten erfaßt werden, so die
eingeschränkte Nutzbarkeit von Balkonen oder Einschränkungen
bei der Lüftung trotz Schallschutzfenstern. Zum anderen
ist unklar, welche Vermeidungsaktivitäten als angemessen
anzusehen sind. Ineffiziente Vermeidungsaktivitäten führen
zu einer Überzeichnung der Kosten. Beim Zahlungsbereitschaftsansatz
werden Betroffene etwa nach ihrer Zahlungsbereitschaft
für die Verminderung der Lärmbelastung oder nach ihrer
Ausgleichsforderung für eine Erhöhung der Lärmbelastung
gefragt oder nach der Miete, die sie bei unterschiedlicher
Lärmbelastung zu zahlen bereit sind. Probleme bei diesem
Ansatz stellen zum einen die hypothetische Situation dar,
die nur eingeschränkt Schlüsse auf das Verhalten in einer
realen Situation zuläßt, und zum zweiten die Gefahr eines
strategischen Verhaltens. Ein weiteres Problem ist die
große Diskrepanz zwischen Zahlungsbereitschaft und Ausgleichsforderung
bei gleicher Lärmänderung. Die Ausgleichsforderung für
eine Erhöhung der Lärmbelastung liegt im allgemeinen bei
einem Mehrfachen der Zahlungsbereitschaft für die entsprechende
Reduktion der Lärmbelastung. Der Wertansatz für eine Lärmänderung
hängt damit in starkem Maße von der Ausgangslage bzw.
von der Verteilung der Eigentumsrechte für das Gut Ruhe
ab. Beim hedonischen Preisansatz wird versucht, aus Preisunterschieden
von ansonsten gleichen Gütern auf den Wert einzelner Charakteristika
zu schließen, beispielsweise von Immobilienpreisen auf
die Kosten der Lärm- und Schadstoffbelastung. Hier ist
die Zuordnung von einzelnen Charakteristika zu Preisunterschieden
oft schwierig oder nicht möglich, wenn Merkmale nur als
Bündel auftreten, beispielsweise Lärmbelastung und zentrale/verkehrsgünstige
Lage. Es gibt jedoch auch Größen, für deren Monetarisierbarkeit
keine hinreichende wissenschaftliche Basis vorhanden ist
und/oder für die kein (auch politischer) Konsens besteht.
Soweit sie kardinal in originären Meßgrößen quantifizierbar
sind, werden sie dann üblicherweise in Nutzwerten dargestellt.
Dabei tritt generell - wie auch bereits bei der Monetarisierung
über Schattenpreise - bei allen nicht originär in Geldwerten
meßbaren Wirkungsbeiträgen die Notwendigkeit auf, die
in unterschiedlichen Dimensionen gemessenen Wirkungen
in eine einheitliche Meßskala umzusetzen. Für diejenigen,
für deren Umrechnung in Geldgrößen kein wissenschaftliches/politisches
Einvernehmen besteht, werden die Nutzwertbeiträge besser
in eine Punkteskala überführt, weil damit nach Meinung
der Verfasser auch deutlicher als bei Geldwerten zum Ausdruck
kommt, daß diese Komponenten in höherem Maße subjektiven
Wertvorstellungen unterliegen. Bei nur ordinal bewertbaren
oder gar nur verbal beschreibbaren Wirkungen ist die Einbeziehung
in eine Skalentransformation grundsätzlich problematisch.
Ihre Integration in eine quantitative Bewertung ist daher
nicht lösbar; sie können nur ergänzend in den Bewertungsprozeß
einbezogen werden. Bei den üblichen Bewertungsverfahren
werden mit unterschiedlichen Ansätzen ermittelte monetäre
Wertansätze verwendet. Dies ist im Hinblick auf die Konsistenz
kritisierbar, liegt aber darin begründet, daß nicht jeder
Ansatz zur Bestimmung von Schattenpreisen für jeden Bewertungsgegenstand
geeignet ist. Im Bereich des Verkehrswesens existieren
verschiedene Verfahren zur Bewertung von Infrastrukturprojekten,
die auf dem Prinzip multikriterieller Nutzen-Kosten-Untersuchungen
aufbauen. Diese Verfahren konnten (neben ihrer Hauptaufgabe,
Entscheidungshilfen für Investitionsentscheidungen zu
bieten) auch im Rahmen von Umwelt- und Telematikprojekten
erfolgreich für die Bewertung anderer Maßnahmenarten,
wie etwa der Ordnungspolitik oder der Verkehrsleittechnik,
angewendet werden. Im Rahmen des an der Universität Stuttgart
durchgeführten Projekts Wege zu einer umweltverträglichen
Mobilität am Beispiel der Region Stuttgart (WUMS) wurden
diese Verfahren zur Bewertung raumstruktureller Maßnahmen
eingesetzt. Bei den hier relevanten Verfahren handelt
es sich für die gesamtwirtschaftliche Bewertung um
- das
Bewertungsverfahren für den Bundesverkehrswegeplan (BVWP)
1992 (Bundesminister für Verkehr (Hrsg.): Gesamtwirtschaftliche
Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen. Bewertungsverfahren
für den Bundesverkehrswegeplan 1992, Schriftenreihe
BMV Heft 72, Bonn 1993),
- die
„Empfehlungen für die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
an Straßen" (EWS) (Forschungsgesellschaft für Straßen-
und Verkehrswesen: Empfehlungen für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen
an Straßen, Entwurf, Ausgabe 1997)
- die
„Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen
des öffentlichen Personennahverkehrs" (Bundesminister
für Verkehr (Hrsg.): Anleitung für die Standardisierte
Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen des öffentlichen
Personennahverkehrs, 1976,1981, 1988, letzte Fortschreibung
1993 (Fortschreibung für 2000 in Bearbeitung)).
Diese
Verfahren sind methodisch weitgehend kompatibel, beruhen
aber entsprechend ihrer unterschiedlichen Einsatzbereiche
teilweise auf anderen Grundlagen und weisen unterschiedliche
Detaillierungsgrade auf. Das Bewertungsverfahren zum BVWP
stellt ein im Grundsatz verkehrszweigübergreifendes Verfahren
für den Fernverkehr dar, bei dem allerdings die Wirkungsrechnungen
für die einzelnen Verkehrszweige bisher weitgehend unabhängig
voneinander erfolgen. (Zum Beispiel fehlte bis zur letzten
BVWP ein verkehrszweigübergreifendes Nachfragemodell).
Die beiden anderen Verfahren konzentrieren sich auf ihre
jeweilige verkehrszweigspezifische Aufgabenstellung. Beim
Projekt WUMS wurde aufbauend auf den bestehenden Verfahren
ein Ansatz für eine verkehrszweigübergreifende volkswirtschaftliche
Bewertung von MIV (Motorisierter Individualverkehr) und
ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) für die verschiedenen
Maßnahmeszenarien im Nahverkehr entwickelt.
Frank
C. Englmann/ Gerhard Heimerl
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