Drei Themenbereiche wurden vertieft behandelt: der Stand
der digitalen Datenerfassung, der Weg zur vollautomatisierten
photogrammetrischen Auswertung sowie die Erzeugung und
Anwendung von 3D-Stadtmodellen.
Zukunft in digitalen Aufnahmesystemen
Die Zukunft der photogrammetrischen Datenerfassung liegt
in digitalen Aufnahmesystemen. Die Bilddaten stehen zur
unmittelbaren Weiterverarbeitung im Rechner zur Verfügung
und müssen nicht wie bisher in einem zeitaufwendigen Scanprozeß
digitalisiert werden: ein wesentlicher Fortschritt in
der photogrammetrischen Auswertepraxis. Weltraumgestützte
digitale Aufnahmesysteme auf Satelliten oder Raumstationen
sind schon seit längerem im Einsatz und verfügen über
ein hohes Leistungspotential. Vor allem die aktuellen
Missionen von hochauflösenden Satelliten mit Bodenpixelauflösungen
bis zu einem Meter werden dieses Leistungsspektrum noch
einmal steigern können. Seit dem Start des ersten Satelliten
dieser Leistungsklasse stehen zum ersten Mal hochaufgelöste
Bilder aus Flughöhen von etwa 500 Kilometern zur Verfügung.
Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt aus dem weltweit ersten
derartigen Bild, aufgenommen mit dem Ikonos Satellit,
und demonstriert die hohe Qualität dieser Weltraumkameras:
Das Bild wurde über Washington/DC aufgenommen, selbst
die Fahrbahnmarkierungen und Autos sind eindeutig zu erkennen.
Neue Generation digitaler Kameras
Auch in der klassischen Luftbildphotogrammetrie befinden
sich digitale Systeme in der Erprobungsphase oder stehen
kurz vor ihrer Einsatzreife. Beim Design von digitalen
Luftbildkameras werden zwei unterschiedliche Konzepte
verfolgt: Flächenhaft erfassende Kameras stehen zeilenhaft
abtastenden Aufnahmesystemen gegenüber. Die Flächenkamera
funktioniert nach dem klassischen Ansatz filmbasierter
Kamerasysteme - lediglich der Informationsträger Film
ist durch ein entsprechendes digitales CCD-Matrixelement
ausgetauscht. Im Gegensatz dazu verwendet eine Zeilenkamera
ein oder mehrere lineare CCD-Zeilenelemente, die quer
zur Flugrichtung eingebaut sind. Erst durch die Flugbewegung
während der Bildaufzeichnung wird die flächenhafte Erfassung
des Geländes realisiert. In Kombination mit integrierten
Navigationssystemen unter Verwendung von GPS und INS können
mit den neuen Kamerasystemen Objektpunkte mit einer Genauigkeit
von weniger als einem Pixel bestimmt werden. Dabei entspricht
ein Bodenpixel in Abhängigkeit von der Flughöhe und der
verwendeten Kamera zum Beispiel einer Fläche von etwa
15x15 Quadratzentimetern (HRSC-Kamera, Flughöhe 3000 Meter
über Grund), womit sehr feine Strukturen auf der Erdoberfläche
erkannt werden können. Kennzeichen einer neuen Generation
von digitalen Kameras ist der stark vergrößerte Dynamikbereich.
So lassen sich auch in Schattenbereichen noch eindeutig
Strukturen erkennen. Mit der unmittelbaren digitalen Erfassung
der Bilder kann der gesamte photogrammetrische Auswerteprozeß
vollständig digital vorgenommen werden. Der bisherige
Stand der automatischen Auswertesoftware und vor allem
deren Akzeptanz und Erfahrungen in der Praxis wurden im
zweiten Themenblock behandelt. Der Schwerpunkt lag hier
vor allem auf der Leistungsfähigkeit der automatischen
Orientierungsbestimmung von Bildverbänden (automatische
Aerotriangulation) und der automatischen Generierung von
3D-Geländemodellen oder allgemeiner Oberflächenmodelle
aus Bild- oder Höhendaten. Stehen derartige Oberflächenmodelle
mit einer sehr hohen geometrischen Auflösung zur Verfügung,
so können sie zur Ableitung von 3D-Stadtmodellen verwendet
werden.
3D-Stadtmodelle - viel nachgefragt
Entsprechend wurde im letzten Schwerpunktthema der Photogrammetrischen
Woche der aktuelle Stand der semi-automatischen bzw. vollautomatischen
3D-Stadtmodellgenerierung beleuchtet. Solche Modelle werden
von verschiedenen Seiten nachgefragt: der Stadtplaner
macht seine neuen Ideen transparent, Mobilfunkunternehmen
können ihre Antennenstandorte exakt planen, Umweltschützer
genauer die Auswirkungen von Schadstoffen analysieren.
Nicht zuletzt können sich Touristen vor ihrer Reise einen
realistischen Eindruck der Situation vor Ort verschaffen
und die Stadt virtuell erkunden. Zur Erzeugung dieser
3D-Stadtmodelle existieren zahlreiche Verfahren, die während
der Veranstaltung auch vorgestellt wurden: sie unterscheiden
sich grundsätzlich darin, aus welchen Datenquellen die
Information abgeleitet wird und im Grad der dazu notwendigen
Interaktion. Dieser reicht von rein manueller Auswertung
bis hin zu vollautomatischen Verfahren. Ein virtueller
Stadtrundflug wurde auch am Institut für Photogrammetrie
generiert und als „Highlight" im einführenden Vortrag
von Prof. Dieter Fritsch präsentiert. Grundlage dieses
Rundflugs sind Laserscannerdaten, die eine 3D-Oberflächendarstellung
erzeugen. Wird diese Repräsentation jetzt mit Grundrißdaten
der digitalen Stadtgrundkarte verschnitten, entstehen
daraus echte 3D-Gebäudemodelle, das heißt Objekte im Rechner,
um die man virtuell herumspazieren kann, in die man sogar
hineingehen kann. Einziger manueller Schritt in dem Gesamtprozeß
ist das Anbringen der Fassade. Der Film, der auch im Internet
abgerufen werden kann (http://www.ifp.uni-stuttgart.de/ifp/gallery/index.html), zeigt eine Annäherung aus dem Weltraum, kreist dann
über Stuttgarts Mitte, nähert sich dem Campus über den
Hauptbahnhof und führt schließlich in den Tiefenhörsaal
des Kollegiengebäudes in der Keplerstraße. Abgerundet
wurde die Veranstaltung durch die Demonstrationen aktueller
Hardware und neuer Auswertesoftware. Das abendliche Beiprogramm
bot den Teilnehmern ausreichend Gelegenheit zum Gespräch
in entspannter Atmosphäre.
Michael Cramer/Monika Sester