Das Projekt befaßt sich sowohl mit Fragestellungen aus
dem Bereich der Wahlforschung als auch mit dem Transformationsprozeß
der politischen Orientierungen und Verhaltensweisen in
Ost- und Westdeutschland nach der Wiedervereinigung. Datengrundlage
sind umfangreiche Befragungen, die 1994 und 1998 im Umfeld
der Bundestagswahlen in Ost- und Westdeutschland durchgeführt
wurden. Ein bunt gemischtes Publikum aus Wissenschaftlern,
Studierenden, Pressevertretern und interessierten Stuttgartern
hatte sich eingefunden, um Vorträge zu den folgenden Themen
zu hören: Einstellungen zur Demokratie im vereinigten
Deutschland, DDR-Nostalgie, politische Effektivität, Bewertung
von Politikern durch die Bevölkerung, Gefühl der Vertretenheit
durch Parteien und Verbände, Generationen und demokratisches
Bewußtsein sowie Medienberichterstattung und „innere Einheit“.
Einige Ergebnisse im Überblick: Prof. Gabriel berichtete,
daß ein demokratischer Grundkonsens zwischen Ost- und
Westdeutschland allenfalls in Ansätzen zu erkennen sei.
Ein besonderes Problem sei, daß die Ostdeutschen zwar
demokratische Prinzipien, wie beispielsweise die Meinungsfreiheit,
unterstützten, aber mit der „Realität“ der Demokratie
viel unzufriedener seien als die Westdeutschen. Katja
Neller stellte ein großes Maß an DDR-Nostalgie in Ostdeutschland
fest, gemessen zum Beispiel an der Zustimmung zur Aussage
„Die DDR hatte mehr gute als schlechte Seiten“. Begünstigt
würden solche „ostalgischen“ Einstellungen vor allem durch
Arbeitslosigkeit. Angelika Vetter befaßte sich mit dem
Gefühl der Ost- und Westdeutschen, auf die Politik Einfluß
nehmen zu können bzw. dem Glauben, daß Politiker auf die
Interessen der Bürger Rücksicht nehmen. Ihr Fazit: Hier
unterscheiden sich Ost- und Westdeutsche kaum voneinander.
Wahlen haben grundsätzlich einen stimulierenden Einfluß
auf die Effektivitätsgefühle der Bürger. Einstellungen
zu Politikern waren das Thema von Melanie Walter. Ihr
Hauptergebnis: Hier gibt es kaum Ost-West-Unterschiede
- die Notwendigkeit von Berufspolitikern wird allgemein
akzeptiert, ansonsten werden Politiker aber eher negativ
bewertet. Isabell Thaidigsmann präsentierte ihre Forschungen
zur Vertretung der Bürgerinteressen durch Parteien und
Verbände. Deutlich zeigt sich hier über die Jahre ein
Zuwachs bei der SPD - dies fand seinen Ausdruck im Ausgang
der Bundestagswahl 1998. Ein besonders auffälliger Befund
ist auch, daß mehr und mehr Ostdeutsche das Gefühl haben,
ihre Interessen würden durch die PDS gut vertreten. Mit
Generationen und ihren Einstellungen zur Demokratie beschäftigte
sich Daniel Rölle. Er sagte, daß in Ostdeutschland die
Zufriedenheit mit der Demokratie in einigen Generationen
(unter anderem der „Generation der Einheit“) deutlich
gesunken sei, während sich in Westdeutschland in allen
Generationen kaum etwas verändert habe. Der letzten Vortrag
kam von Dr. Frank Brettschneider. Seine Analyse der Medienberichterstattung
zur „inneren Einheit“ ergab: Der Stand der Einheit ist
den Medien selten eine Story wert. Dazu kommt, daß die
Berichte über den Stand der Einheit seit 1995 negativer
werden und sich vor allem mit wirtschaftlichen Aspekten
befassen. Ist die innere Wiedervereinigung nun gelungen?
Die Vermessung der vielzitierten „Mauer in den Köpfen“
ergab: In vielen Bereichen ist sie - leider - gleich hoch
geblieben oder eher höher geworden.
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Abteilung für Politische Systeme und Politische Soziologie
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