Die Freisetzungen von Klimagasen und die möglichen Folgen
für das globale Klima sind nach wie vor eines der wesentlichen
umweltpolitischen Themen in Deutschland und Europa. Dies
gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der jüngsten
Welt-Klimaschutz-Konferenz im Oktober 1999 in Bonn. Zwar
konnten Wissenschaftler in den letzten Jahren beachtliches
Wissen zur Entstehung und möglichen Minderung von Klimagasen
aus fast allen Bereichen der Volkswirtschaft erarbeiten.
Für die Klimagasfreisetzungen aus der landwirtschaftlichen
Pflanzenproduktion und der Tierhaltung ist dies jedoch
nur eingeschränkt der Fall. Die Emissionen von Kohlenstoffdioxid,
Methan und Lachgas resultieren hier aus biologischen Prozessen;
diese sind komplexer als technische Prozesse, durch erhebliche
Schwankungen gekennzeichnet und damit schwerer abschätzbar.
Um davon ausgehend mittelfristig finanzierbare und sozial
verträgliche Minderungsstrategien zu entwickeln, müssen
weltweit und insbesondere auch in Europa erhebliche Forschungsanstrengungen
unternommen werden. Vor diesem Hintergrund gab die Tagung
zunächst einen Überblick über die Entstehung von Klimagasen
aus der Landwirtschaft. Dr. Ute Skiba vom Institute of
Terrestrial Ecology in Edinburgh, Großbritannien, und
Dr. Gert-Jan Monteny vom Instituut voor Milieu en Agritechnik
in Wageningen, Niederlande, betonten, wie vielfältig die
biogeochemischen Prozesse zur Freisetzung von Methan,
Lachgas und von - indirekt klimarelevanten - Monostickstoffoxiden
miteinander verwoben sind; Minderungsmaßnahmen für eines
der Gase können deshalb leicht zu Mehremissionen eines
anderen Gases führen. Doch bevor an eine Minderung und
die Entwicklung kosteneffizienter Minderungsstrategien
gedacht werden kann, muß die Größenordnung der Stofffreisetzungen
bestimmt werden. Dazu leitete Professor Thomas Jungbluth
vom Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim
aus den bisher vorliegenden Messungen typische Emissionsraten
und -faktoren ab; sie dienen zur Erstellung von Inventaren,
durch die die Emissionssituation innerhalb einer bestimmten
Fläche beschrieben werden kann. Unabhängig davon, ob derartige
Inventare mit aufwendigen Modellen und Geoinformationssystemen
(GIS) oder einfacheren pragmatischen Ansätzen berechnet
wurden, liegen die Ergebnisse der dargestellten jüngst
erarbeiteten Inventare überraschenderweise in einer vergleichbaren
Größenordnung. Dr. Steve Frolking vom Complex Systems
Research Center Durham, USA, und Annette Freibauer vom
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung
(IER) der Universität Stuttgart waren sich aber einig,
daß zur Berechnung verläßlicher und belastbarer Freisetzungen
der einzelnen Stoffe bisher kaum vorhandene Informationen
unter anderem über die Viehstallsysteme, die Güllelagerung,
Art und Intensität der landwirtschaftlichen Produktion,
Standort- und Witterungsbedingungen nötig sind.
Kontrolle von Minderungsmaßnahmen
Wie Annette Freibauer errechnete, verursacht beispielsweise
die europäische Landwirtschaft überproportional zu ihrem
Beitrag am Bruttosozialprodukt Treibhausgasemissionen;
sie ist für etwa 40 Prozent der gesamten CH4- und N2O-Emissionen
in Europa verantwortlich. Angesichts dieser Größenordnung
war man sich über die Minderungsnotwendigkeit einig. Verschiedene
Referenten stellten eine ganze Reihe vielversprechender
Treibhausgas-Minderungsmaßnahmen in der Landwirtschaft
vor. Um hierbei wirkungsvoll und gleichzeitig kosteneffizient
zu sein, müssen entsprechende Maßnahmenbündel entweder
das landwirtschaftliche Produktionssystem als Ganzes betreffen
(beispielsweise durch eine Extensivierung, eine höhere
Stickstoffeffizienz und eine weitgehende Schließung des
Stickstoffkreislaufes) oder gezielt an den wichtigsten
Quellen (Rinderhaltung, Stickstoffdüngung, Mist- und Güllelagerung)
ansetzen. Zieht man alle derartigen Möglichkeiten in Betracht,
lassen sich die biogenen Emissionen um ca. 20 bis 30 Prozent
reduzieren. Die Kontrolle derartiger Minderungsmaßnahmen,
die vom Produzenten nicht notwendigerweise begrüßt werden,
könnte dabei nach Ansicht von Dr. Ray Desjardins von Agriculture
and Agri-Food Ottawa, Canada, durch eine Kombination aus
Meßflügen und Atmosphärenmodellen gelingen.
Programme um Klimagasminderung erweitern
Abschließend wurden bei einer Podiumsdiskussion mit internationalen
Vertretern aus Politik, Verwaltung und Forschung Prioritäten
und ein Zeitrahmen für die Emissionsminderung herausgearbeitet.
Mut zum Handeln forderte angesichts der immer noch vergleichsweise
großen Unsicherheiten in den Berechnungen Dr. Rolf Linkohr
(Mitglied des Europäischen Parlaments); der mögliche Erfolg
vieler Minderungsmaßnahmen sei bereits heute nachgewiesen.
Ein Haupthindernis der Umsetzung solcher Maßnahmen in
der Praxis liege jedoch, so mehrere Teilnehmer der Podiumsdiskussion,
im mangelnden politischen Willen und einer ungenügenden
Information über die Möglichkeiten einer Minderung von
biogenen Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft.
Das Podium regte daher an, die Agrar- und Umweltprogramme
möglichst umgehend um den Aspekt der Klimagasminderung
zu erweitern. Das große Interesse an der Tagung und die
vielen Teilnehmer insbesondere auch aus Übersee zeigen,
daß die Problematik der Klimagasfreisetzungen aus der
landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion und der Tierhaltung
weltweit erkannt wurde und intensiv untersucht wird. In
den nächsten Jahren dürften erste politische und administrative
Schritte zur Begrenzung dieser Freisetzungen erwartet
werden. /uk
KONTAKT
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung
(IER), Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt, Dipl.-Geoökol. Annette
Freibauer, Heßbrühlstr. 49a, 70565 Stuttgart, Tel. 0711/780-6116,
-6140; Fax 0711/ 7806177; e-mail: mk@ier.uni-stuttgart.de,
af@ier.uni-stuttgart.de