Michel
Foucault.
(Bild: Institut) |
Gerhart Schröder stellte in den Mittelpunkt seiner einführenden Überlegungen Michel Foucaults berühmte Deutung des Gemäldes Las Meniñas von Velázquez, der dieses als Darstellung der Repräsentationsästhetik und insofern als epistemologisches Bild des âge classique versteht. Schröder hielt dem entgegen, daß man das Bild von Velázquez auch als eine Reflexion der Verfahren zur Darstellung von Geschichte und Wissen deuten könne. Dieser Frage nach der Spannung zwischen Inhalt und Verfahren der episteme ging das Kolloquium nach. Die Aktualität Foucaults zeigte sich in der unverändert relevanten Aufforderung, bei der Geschichtsschreibung, und insbesondere bei der Geschichtsschreibung des Wissens, nicht nur die Inhalte und Kategorien zu explizieren, sondern auch und in erster Linie die Verfahren und die Prozesse des Schreibens, der Beschleunigung und der Verräumlichung der Information zu reflektieren.
Den Eröffnungsvortrag hielt Enno Rudolph (Heidelberg) zum Thema „Cassirer und Foucault“. Ausgehend vom Befund, daß beide Philosophen symbolische Gestalten längerer Dauer in der Geschichte erkennen, versuchte Rudolph, die Position Foucaults aus der Perspektive Cassirers zu beleuchten und zu befragen. Cassirers Begriff der symbolischen Form zeigte dabei eine überraschende Nähe zu Foucaults Entwurf der
episteme.
Christoph Hubig (Stuttgart) sprach über Foucaults Konzeption des Dispositivs und dessen kategorialen Status. Er benannte die Differenzen zum Kategorienbegriff im klassischen Sinne und grenzte die Foucaultsche Konzeption gegen die realhistorischen Kategorien von Marx und Dilthey ab. Das Dispositiv sei eine heterogene, transitorische Struktur mit strategischer Funktion. Das Konzept der Endlichkeit sei geeignet, die Moderne von der Klassik abzugrenzen. Endlichkeit resultiere aus dem Versuch, das endliche Alphabet der Welt zu bestimmen, während das Prozessuale, der Mensch in actu, sich einer endlichen Bestimmung entziehe. Auch in Petra Gehrings (Hagen) Vortrag ging es um die Kategorie des Dispositivs und die Frage, inwiefern das Recht, obwohl es bei Foucault absent ist, dennoch als Dispositiv begriffen werden kann.
In mehreren Vorträgen und unter verschiedenen Perspektiven wurden die Konzeption von Erfahrung und Augenblick, das Verhältnis der Wissenschaft zwischen Archäologie und Literatur, die Konstitution der episteme und der experimentelle Gestus in der Ontologie der Gegenwart von Foucault vorgestellt und diskutiert.
Die Reihe der Kolloquien zum Thema „Modelle der Geschichtsschreibung“ wird im Februar 2001 mit den französischen Kooperationspartnern des Zentrums für Kulturwissenschaften und Kulturtheorie der Universität Stuttgart fortgesetzt. Die Vorträge des Kolloquiums zur Aktualität von Michel Foucault sind in Kürze in einem Themenheft der Internationalen Zeitschrift für Philosophie nachzulesen.
A. Kernwein
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Zentrum für Kulturwissenschaften und Kulturtheorie, Prof. Dr. Gerhart Schröder, Prof. Dr. Gisela Febel, Keplerstr. 11, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-2589, Fax 0711/121-2813,
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