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Stuttgarter unikurier Nr. 86 September 2000
Stuttgarter Architekturschule mitgeprägt:
In memoriam Hans Kammerer
 

Wenige Tage vor seinem 78. Geburtstag, am 16. Februar dieses Jahres, verstarb Professor Hans Kammerer. Er hat über 30 Jahre hinweg Stil, Charakter und Qualität der Stuttgarter Architekturschule wesentlich mitgeprägt. - Nach Abschluß seines Architekturstudiums an der TH Stuttgart 1950 lehrte er 1952 als Gastdozent an der Kingston School of Arts in London. Von dort brachte er die Idee für ein Fach „Einführen in das Entwerfen“ mit, das er als Lehrbeauftragter ab 1953 an der TH Stuttgart vertrat. Er hat es sein ganzes akademisches Leben im Auge behalten, über alle Hürden und Klippen von Studienreformzeiten getragen, es 1973 wieder im ursprünglichen Sinne etabliert und bis zu seiner Emeritierung 1987 selbst gelehrt. Von Stuttgart aus wurde das Fach seit den 50er Jahren an allen deutschen Hochschulen eingeführt.

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Hans Kammerer.
(Foto: Rotraud Harling)

Begonnen hat seine professorale Laufbahn 1965 als Nachfolger von Professor Wilhelm Tiedje auf dem Lehrstuhl für Hochbaukunde in der Abteilung Bauingenieur- und Vermessungswesen der Fakultät Bauwesen, nachmals „Institut für Grundlagen des Entwerfens und Konstruierens“. Das Verständnis zwischen Bauingenieuren und Architekten zu fördern war Hauptanliegen seiner Lehre und vieler Aktivitäten darüber hinaus.
1975 wurde er zum Nachfolger von Professor Rolf Gutbrod berufen und leitete das „Institut für Innenraumgestaltung und Entwerfen“ bis zu seiner Emeritierung 1987. In seine aktive Zeit fallen Gastprofessuren in Berkeley/USA und an der Arizona State University. Mit letzterer besteht seit mehr als 15 Jahren ein lebendiger Studentenaustausch, dessen Programm durch seine Initiative entstanden ist.

Der Schwerpunkt seiner Lehre bei den Architekten - neben dem „Einführen in das Entwerfen“ - war die allgemeine Entwurfslehre. Er beherrschte die Kunst, komplexe, unübersichtliche Sachverhalte zu ordnen und auf den Punkt zu bringen. Dafür stand ihm eine pointierte Sprache zu Gebote, deren Facetten und Bilder seine Argumente nachhaltig in den Köpfen der Studierenden verankerte. Seine einprägsame Rhetorik belegte er überzeugend mit dem umfangreichen praktischen Werk des Büros Kammerer und Belz, Kucher und Partner, das mit vielen Architekturpreisen gewürdigt wurde - gerade auch viele Beispiele in Stuttgart. Er hatte nicht die Absicht, die Studierenden in eine bestimmte Architekturrichtung zu drängen. Vielmehr wollte er sie unterstützen, in ihren Entwürfen eine eigene Einstellung zur Architektur zu entwickeln. Dennoch, seine Argumentation und die Ausstrahlung seiner Persönlichkeit waren so überzeugend, daß viele sich gerne seine Schüler nennen.
Sein Institut betrachtete er nicht nur als effizientes Arbeitsteam, sondern auch als eine Gemeinschaft von Menschen, deren Stärken er zur Wirkung kommen ließ und förderte, deren Schwächen er tolerierend akzeptierte. Er verbreitete meist eine Atmosphäre heiterer Gelassenheit, die zu einem produktiven Klima wesentlich beitrug. Alle, die diese Zeit miterlebt haben, erinnern sich dankbar der prägenden Erfahrungen - durch ihn und mit ihm. Seine Lehrkonzeptionen und -programme waren für seinen Nachfolger, Professor Boris Podrecca, ein sicheres Fundament für die Weiterarbeit.

Aktivitäten im Rahmen der Selbstverwaltung der Fakultät waren für Hans Kammerer kein lästiges Übel, sah er doch insbesondere seine Lehre eingebettet in das Gesamtkonzept „Stuttgarter Schule“, für das er sich verantwortlich fühlte und das nur institutsübergreifend fortentwickelt werden konnte. Er übernahm mehrfach das Amt des Dekans, ließ sich die Selbstergänzung des Lehrkörpers ein wichtiges Anliegen sein, hielt aber auch mit seiner Kritik an den Reformauswüchsen der 70er Jahre nicht zurück. Er verpackte sie zusammenfassend in einer „ziemlich unglaubhaften Geschichte einer Architektenschule“ mit sehr viel Humor, die er 1976 als Broschüre in Umlauf brachte. Dieser Vorgang kennzeichnet eine seiner stärksten Fähigkeiten: Kontroversen mit Witz und gesundem Menschenverstand die Spitzen zu brechen, die Kontrahenten das Gesicht wahren zu lassen und Widersprüchliches in zielführenden Kompromissen zu vereinen.

Auch nach seiner Entpflichtung verbanden Hans Kammerer vielfältigste Aktivitäten mit Fakultät und Universität. Unter anderem blieb er Programmdirektor für das von ihm initiierte Austauschprogramm mit der Arizona-State-University, zeichnete als Architekt für das Internationale Begegnungszentrum unserer Universität in Vaihingen verantwortlich und errichtete die „Hans und Maiti Kammerer Stiftung“, die sich die Förderung von „Wissenschaft und Forschung, Ausbildung, Kunst und Kultur auf dem Gebiet von Architektur und Denkmalpflege mit einem Schwerpunkt im Bereich der Wohnbauarchitektur“ zur Aufgabe gemacht hat.
Die Fakultät und Universität hat in Hans Kammerer eine ihrer prägenden Persönlichkeiten unter den Hochschullehrern verloren - wir gedenken seiner in großer Dankbarkeit.

Ekkehart Bertram

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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