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Stuttgarter unikurier Nr. 86 September 2000
Erste Absolventenfeier in der Technischen Biologie:
Wie die Biologie auszog, die chemische Industrie das Fürchten zu lehren
 

Studierende, Ehemalige, Lehrende, Freunde und Förderer des Studiengangs „Technische Biologie“ der Universität Stuttgart trafen sich am 21. Juli erstmals zu einem „Tag der Technischen Biologie“. Und es wird auch nicht der letzte gewesen sein, denn der Dekan der Fakultät Geo- und Biowissenschaften, Prof. Dr. Hans-Dieter Görtz, konnte in seiner Begrüßung mitteilen, daß die Eigenständigkeit und das technische Profil des Stuttgarter Biologie-Studiengangs auch in der Zukunft erhalten bleiben wird. Für ihren besonderen Einsatz im Rahmen der Verhandlungen mit der Hochschulreformkommission, dem Wissenschaftsministerium und der Universität Hohenheim dankte der Dekan dem Rektor, Prof. Günter Pritschow, und dem Kanzler, Joachim Schwarze. Damit sei die fruchtbare Zusammenarbeit der Fakultäten Chemie, Geo- und Biowissenschaften und Verfahrenstechnik und Technische Kybernetik bei diesem Studiengang auch in der Zukunft gesichert.

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Die Gäste waren noch gar nicht richtig in Stimmung, da goß der Vertreter des Wissenschaftsministeriums, Ministerialdirigent Dr. Heribert Knorr, bei seinem Grußwort einen bitteren Wermutstropfen in den süßen Wein der öffentlichen Diplomandenfeier. Nach einigem Lob für die frühe Einführung von Praxissemestern in diesen Studiengang und die vorbildliche Kooperation mit den Ingenieurwissenschaftlern wollte der Leiter der Forschungsabteilung des MWK „die Gelegenheit nutzen, mahnende Worte an die Mitglieder des Lehrkörpers der Universität zu richten“. Angesichts der hohen Investitionen in die Bioverfahrenstechnik an der Universität blieben die Ergebnisse für das Ministerium bisher hinter den hohen Erwartungen, „vor allem im Vergleich zu anderen Ländern“, zurück. Er forderte deshalb eine Überprüfung der Forschungsorganisation, die auch tradierte Strukturen und Institutionen in Frage stellen solle. Die Zusammenarbeit in der Uni, zwischen den Unis und mit der Wirtschaft sei auf den Prüfstand zu stellen. „Eine Zusammenarbeit auf kleinstem gemeinsamen Nenner reicht nicht“, schrieb der Ministeriumsvertreter der Universität ins Zeugnis. Um landesweit eine Verbesserung der Organisationsstrukturen zu erreichen, werde der Forschungsbeirat der Landesregierung die Lebenswissenschaften begutachten.
Die Veranstaltung biete leider nicht die Zeit, um auf Lob und Mahnung hinreichend einzugehen, kommentierte der Dekan „das so erfreulich inhaltsschwere Grußwort“ kurz in seiner Überleitung zum zentralen Festvortrag. Für die Anregungen und Wünsche seien die Biowissenschaften dankbar. Man werde sich weiter den Herausforderungen stellen und sehe auch in der landesweiten Begutachtung der Lebenswissenschaften durch den Landesforschungsbeirat gute Chancen, Strukturen zu optimieren. Der Dekan wünschte sich, daß der Arbeitsaufwand für die Begutachtung nicht zu groß werde und die Hochschullehrer nicht von Lehre und Labor fernhalte.

Replaycing Chemistry by Biology
Unmittelbar in die geforderte wirtschaftliche Praxis führte der Festvortrag von Prof. Dr. Peter Buckel. Der Geschäftsführer der Xantos Biomedicine GmbH und frühere Pharma-Forschungsleiter von Boehringer Mannheim erzählte die Geschichte „Wie die Biologie auszog, die chemische Industrie das Fürchten zu lehren“. Der Chemiker im Apparate-Labor der Pharmaindustrie und der Biologe mit Botanisiertrommel und Käscher in der Fauna seien Bilder aus längst vergangenen Tagen. Der unter dem Slogan „Replaycing Chemistry by Biology“ erfolgte Paradigmenwechsel sei in Wissenschaft und Wirtschaft in vollem Gange. Heute verfügen die Firmen der Biotechnologie-Branche bereits über eine Wirtschaftskraft, daß Übergiffe in die chemische Industrie nicht mehr auszuschließen seien.
Lange Entwicklungszeiten und hohe Kosten seien in der chemischen Industrie die Folgen des Prinzips, daß für neue Substanzen erst nachträglich die geeignete Anwendung gesucht werden müssen. Der biotechnologische Ansatz gehe dagegen vom Problem aus und versuche gezielt, eine ursächliche Lösung zu finden. Dies sei langfristig der erfolgversprechendere Ansatz, prognostizierte Prof. Buckel. Sicheres Indiz für den Mann der Praxis: Chemie und Pharmazie haben diesen Ansatz, etwa in der Kombinatorik, inzwischen aufgegriffen.

Preisverleihung
Nach dem Festvortrag wurden die diesjährigen Diplomanden und Doktoranden verabschiedet und erstmals drei Diplomarbeiten und vier Studienarbeiten mit Preisen ausgezeichnet. Bei den Diplomarbeiten wurden die Beiträge von Marie-Louise Rütz über Kommunikation zwischen tierischen Zellen, von Christoph Dieterich über Untersuchungen zu Infektionen an Zellkulturen, die Versuche mit Tieren überflüssig machen können, und von Holger Fuchs über Untersuchungen am Rattenhirn, mit Bezug zur Parkinson-Erkrankung beim Menschen, prämiert. Bei den Studienarbeiten überzeugten die Beiträge von Matthias Bauer, Martin Bertschinger, Erik Roth und Martin Schwickart die Preisrichter.
Der erste Absolvent des Studiengangs Technische Biologie, Dr. Klaus Kaiser von der Bayer AG, gab den heutigen Studierenden praktische Tips für die Anlage ihres Studiums und auch für erfolgversprechende Bewerbungen. Insbesondere durch ihre Kenntnisse in der Bioverfahrenstechnik hätten technische Biologen hervorragende Berufsaussichten.
Eine begleitende Posterausstellung bot Einblicke in die Lehr- und Forschungsgebiete der Technischen Biologie sowie der hieraus hervorgegangenen Firmen und Kooperationspartner. 
Beim abschließenden geselligen Beisammensein bestand ausgiebig Gelegenheit, das zuvor Gehörte in Einzeldiskussionen zu vertiefen. /eng

KONTAKT 
Prof. Dr. Hans-Dieter Görtz, Dekan Fakultät Geo- und Biowissenschaften, Pfaffenwaldring 57, 70569 Stuttgart
Tel. 0711/685-5080, -5081 
Fax 0711/685-5096

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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