Ein Blick in das Sterninnere
Die an der 4 Millionen Volt DYNAMITRON-Teilchenbeschleunigeranlage des Stuttgarter Instituts für Strahlenphysik vorhandenen experimentellen Einrichtungen, wie hochintensive Elektronen- und Ionenstrahlen (Strahlleistungen bis zu 16 kW), fensterloses Gastarget, hochempfindliche Photonen- und Neutronen-Detektoren, ermöglichen Untersuchungen astrophysikalisch relevanter Kernreaktionen, wie sie sich im Sterninnern abspielen, mit einer bisher weltweit nicht erreichten Empfindlichkeit. Daher ist das Stuttgarter Labor zu einem wahren „Mekka“ für Nuklear-Astrophysiker des In- und Auslands geworden. Exemplarisch werden zwei herausragende Experimente der letzten Zeit kurz beschrieben.
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Raritäten im Labor
Ein Höhepunkt der laufenden Forschungsarbeiten war die Untersuchung der bisher rätselhaften Entstehung des seltensten Isotops des Sonnensystems, Tantal-180. Dieses Isotop kommt nur zu 0,012 Prozent im natürlichen Tantal vor, das praktisch ausschließlich aus Tantal-181 besteht, welches seinerseits bereits das seltenste chemische Element ist. Für die Experimente am DYNAMITRON stand einer internationalen Kollaboration aus fünf Instituten der gesamte Weltvorrat an Tantal-180 (insgesamt die winzige Menge von etwa 7 Milligramm - allerdings im Wert von 2,3 Millionen Dollar) zur Verfügung. Das Experiment fand ein weltweites Echo sowohl in Fachkreisen als auch in wissenschaftlichen Zeitschriften. Die Ergebnisse erfordern realistischere Sternmodelle, in denen die zeitliche Dynamik im Heliumbrennen der Sterne berücksichtigt wird.
Evolution der Sterne
Ein weiterer Schwerpunkt der Experimente des letzten Jahres war die Untersuchung einer der wichtigsten Schlüsselreaktionen der Nuklearen Astrophysik, des Verschmelzens von Kohlenstoff-12 Kernen mit Helium-4 Kernen zu Sauerstoff-16. Diese Reaktion bestimmt das Kohlenstoff- zu Sauerstoff-Verhältnis nach dem Heliumbrennen der Sterne und damit die weitere Evolution massiver Sterne. Die Reaktion wurde am DYNAMITRON bei einer internationalen Zusammenarbeit von insgesamt 20 ausländischen Wissenschaftlern mit Hilfe eines „Detektorballes“ aus hochempfindlichen Germanium-Photonenspektrometern aus dem europäischen EUROGAM-Pool (sog. 4-Anordnung, siehe Abbildung) erfolgreich untersucht.
Diese Experimente, die wegen der immensen Kosten der benötigten Geräte und Proben nur im Rahmen internationaler Kollaborationen durchgeführt werden können, dokumentieren die Attraktivität, aber auch die Leistungsfähigkeit der Stuttgarter Physik.
U. Kneißl
KONTAKT
Prof. Dr. Ulrich Kneißl,
Tel. 07 11 / 685-3872
e-mail: Kneissl@ifs.physik.uni-stuttgart.de