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Stuttgarter unikurier Nr. 86 September 2000
Bedeutung wächst:
Sardisch zwischen Tradition und Modernität
 

Eine dreisprachige Tagung über die „Sardische Sprache und Literatur zwischen Tradition und Modernität“ veranstaltete das Institut für Literaturwissenschaft (Romanische Literaturen II) in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut Stuttgart und dem sardischen Verein „Su Nuraghe“ am 13. Mai an der Uni Stuttgart.

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Auf der italienischen Insel Sardinien wird bis heute die alte Sprache gepflegt, von der Dante einst behauptete, sie ahme das Latein nach wie der Affe den Menschen. Es gibt moderne Dichter und Gelehrte, Schriftsteller und Sänger, die sich dem kulturellen Erbe verpflichtet fühlen und die in sardischer Sprache schreiben. Der Stellenwert der sardischen Kultur und damit auch der Sprache ist in den vergangenen Jahrzehnten immens gestiegen. Sie unterscheidet sich in Wörtern und Aussprache stark vom Italienischen, der lateinische Ursprung ist hier sehr leicht erkennbar.


Mit Temperament und Gefühl gab die Schauspielerin
und Sängerin Clara Farina einen Eindruck vom
poetischen Klang des Sardischen.

Größere Beachtung des Sardischen
Dank des im Dezember 1999 vom italienischen Parlament zum Schutz der Sprachminderheiten in Italien verabschiedeten Gesetzes wird das Sardische allmählich in den Schulen und im öffentlichen Sprachgebrauch ohne Zweifel größere Beachtung finden. Ziel ist es, innerhalb von wenigen Jahren ein zweisprachiges Schulsystem auf der Insel aufzubauen, damit die Sarden sich ihre eigene Sprache wieder aneignen können.
Der Romanist Max Leopold Wagner widmete sein ganzes Leben der Erforschung des Sardischen. Bis zu seinem Tod hat er mehrere Bücher und Hunderte von Aufsätzen über die sardische Sprachwissenschaft geschrieben. Er hat die Erhebungen für den für die Romanisten bedeutenden „Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz“ (Zofingen 1928-40) in Sardinien durchgeführt. Zwei wertvolle Manuskripte, die Historische Morphologie und die Historische Syntax des Sardischen, liegen noch unveröffentlicht vor. Sein wissenschaftliches Erbe hat Prof. Dr. Heinz-Jürgen Wolf übernommen, Professor für Romanische Sprachwissenschaft am Romanischen Seminar der Universität Bonn, der seit zwanzig Jahren ebenfalls den größten Teil seiner Forschung dem Studium des Sardischen widmet und weltweit als der größte zeitgenössische Sardologe angesehen wird. In seinem Vortrag „Die Romanisierung Sardiniens“ hat er versucht, die Phasen der sprachlichen Romanisierung der Insel, namentlich des Landesinneren (der sogenannten Barbagia), aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Seine bevorstehenden Publikationen sind ein Wörterbuch Sardisch-Italienisch und eine Historische Grammatik des Sardischen.
„Grazia Deledda und die europäische Kultur“ hatte sich Prof. Dr. Nicola Tanda vorgenommen, Professor für Sardische Literatur und Philologie an der Universität Sassari, dessen Vortrag der 1926 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten sardischen Schriftstellerin gewidmet war.

Von der Kunst des Verseschmiedens
Der sardische Dichter und Literaturkritiker Paolo Pillonca berichtete schließlich unter dem Thema „Chent’annos de versos a lughe ’e luna“ über die auf Sardinien heute noch sehr beliebte „oral composition“, die sogenannte Stegreifdichtung, die auf der Insel eine echte Kunst des Verseschmiedens ohnegleichen geworden ist. Es handelt sich um einen Wettstreit, bei dem zwei Dichter stundenlang über zwei antithetische Themen auf einer Bühne Verse schmieden. Das Interessante daran ist, daß die Dichter die Themenstellung erst wenige Sekunden vor Beginn des Wettstreits erfahren.

Den poetischen Klang des Sardischen führte die Schauspielerin Clara Farina am Abend mit Gedichten von modernen sardischen Dichtern vor, musikalisch begleitet von Battista Giordano (Gitarre und Flöte), Tore Mannu (Percussion) und Rinaldo Bagella an der Gitarre. „Sardus Pater”, so der Titel der Rezitation der Sängerin Clara Farina, ist eine Sammlung von Liedern, die von dieser Mittelmeerinsel erzählen und auf die Melodie der ursprünglichen und poetischen sardischen Volksdichtung zurückgreifen. 
Für die wissenschaftliche Koordination der Veranstaltung zeichnete das Lektorat für Sardische Sprache verantwortlich; das seit dem Sommersemester 1999 am Institut für Romanische Literaturen II angesiedelte Lektorat wird von der „Regione Autonoma della Sardegna“ gefördert. 

G. Masala

KONTAKT
Institut für Literaturwissenschaft, Abteilung Romanische Literaturen II, Keplerstr. 17, 70174 Stuttgart, Dr. Hans Grote, Giovanni Masala, M.A., 
Tel. 0711/121-3112, Fax 0711/121-2819, 
e-mail: hans.grote@po.uni-stuttgart.de, giovanni.masala@po.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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