Größere Beachtung des Sardischen
Dank des im Dezember 1999 vom italienischen Parlament zum Schutz der Sprachminderheiten in Italien verabschiedeten Gesetzes wird das Sardische allmählich in den Schulen und im öffentlichen Sprachgebrauch ohne Zweifel größere Beachtung finden. Ziel ist es, innerhalb von wenigen Jahren ein zweisprachiges Schulsystem auf der Insel aufzubauen, damit die Sarden sich ihre eigene Sprache wieder aneignen können.
Der Romanist Max Leopold Wagner widmete sein ganzes Leben der Erforschung des Sardischen. Bis zu seinem Tod hat er mehrere Bücher und Hunderte von Aufsätzen über die sardische Sprachwissenschaft geschrieben. Er hat die Erhebungen für den für die Romanisten bedeutenden „Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz“ (Zofingen 1928-40) in Sardinien durchgeführt. Zwei wertvolle Manuskripte, die Historische Morphologie und die Historische Syntax des Sardischen, liegen noch unveröffentlicht vor. Sein wissenschaftliches Erbe hat Prof. Dr. Heinz-Jürgen Wolf übernommen, Professor für Romanische Sprachwissenschaft am Romanischen Seminar der Universität Bonn, der seit zwanzig Jahren ebenfalls den größten Teil seiner Forschung dem Studium des Sardischen widmet und weltweit als der größte zeitgenössische Sardologe angesehen wird. In seinem Vortrag „Die Romanisierung Sardiniens“ hat er versucht, die Phasen der sprachlichen Romanisierung der Insel, namentlich des Landesinneren (der sogenannten Barbagia), aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Seine bevorstehenden Publikationen sind ein Wörterbuch Sardisch-Italienisch und eine Historische Grammatik des Sardischen.
„Grazia Deledda und die europäische Kultur“ hatte sich Prof. Dr. Nicola Tanda vorgenommen, Professor für Sardische Literatur und Philologie an der Universität Sassari, dessen Vortrag der 1926 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten sardischen Schriftstellerin gewidmet war.
Von der Kunst des Verseschmiedens
Der sardische Dichter und Literaturkritiker Paolo Pillonca berichtete schließlich unter dem Thema „Chentannos de versos a lughe e luna“ über die auf Sardinien heute noch sehr beliebte „oral composition“, die sogenannte Stegreifdichtung, die auf der Insel eine echte Kunst des Verseschmiedens ohnegleichen geworden ist. Es handelt sich um einen Wettstreit, bei dem zwei Dichter stundenlang über zwei antithetische Themen auf einer Bühne Verse schmieden. Das Interessante daran ist, daß die Dichter die Themenstellung erst wenige Sekunden vor Beginn des Wettstreits erfahren.
Den poetischen Klang des Sardischen führte die Schauspielerin Clara Farina am Abend mit Gedichten von modernen sardischen Dichtern vor, musikalisch begleitet von Battista Giordano (Gitarre und Flöte), Tore Mannu (Percussion) und Rinaldo Bagella an der Gitarre. „Sardus Pater, so der Titel der Rezitation der Sängerin Clara Farina, ist eine Sammlung von Liedern, die von dieser Mittelmeerinsel erzählen und auf die Melodie der ursprünglichen und poetischen sardischen Volksdichtung zurückgreifen.
Für die wissenschaftliche Koordination der Veranstaltung zeichnete das Lektorat für Sardische Sprache verantwortlich; das seit dem Sommersemester 1999 am Institut für Romanische Literaturen II angesiedelte Lektorat wird von der „Regione Autonoma della Sardegna“ gefördert.
G. Masala
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