Bis zur Mitte der achtziger Jahre hatte sich bei den meisten Teilnehmern der sogenannten Unregierbarkeitsdebatte die Überzeugung verfestigt, daß Unregierbarkeit das unentrinnbare Schicksal moderner Industriegesellschaften sei. Als Gründe wurden vor allem die wachsende Ohnmacht der Politik gegenüber privatkapitalistisch organisierten Ökonomien oder pluralistisch organisierten Interessenkartellen genannt, so daß am Ende der Staat als Wohlfahrtsstaat nicht mehr finanzierbar, als Interventionsstaat nicht mehr handlungsfähig oder als Verbändestaat nicht mehr koordinierbar sei. Da die westlichen Industriegesellschaften seitdem weder in öffentlicher Armut noch in politischer Lähmung und auch nicht in gesellschaftlicher Anarchie versunken sind, lebte die Debatte - nunmehr allerdings zur Suche nach wissenschaftlich abgesicherten Lösungsmöglichkeiten für Finanzierungs-, Regulierungs- oder Koordinierungsprobleme - als sogenannte Steuerungsdebatte wieder auf. Dabei umschreibt der Steuerungsbegriff die fachsprachliche Präzisierung staatlicher Interventionen in die Gesellschaft.
Um die Frage nach den Einfluß-chancen und Gestaltungsmöglichkeiten von Politik ging es bei der von der Thyssen-Stiftung und der Landesbank Baden-Württemberg geförderten „Theorie politischer Steuerung - Im Spannungsfeld zwischen problembezogener Spezialisierung und theoretischer Integration“. Politikwissenschaftler, Soziologen, Planungsforscher, Verwaltungswissenschaftler und Wirtschaftswissenschaftler referierten und diskutierten zum einen über die Integrierbarkeit steuerungstheoretischer Teilkonzepte, etwa von Staats- oder Verwaltungskonzepten, in eine allgemeine Steuerungstheorie, und zum anderen über die Reichweite steuerungsempirischer Forschungsergebnisse, so der Stadtentwicklungs- oder der Planungsforschung. Den Diskussionsstand wird ein Tagungsband dokumentieren, der den Erklärungsgehalt steuerungstheoretischer Modellierung und die Praxisrelevanz steuerungsempirischer Forschung demonstriert.
Der Stuttgarter Diskurs war somit kein Glasperlenspiel im Elfenbeinturm, sondern eine lebens-praktische Ratsuche für die Politikberatung. Politik, die soziale
Entwicklungen von A wie Arbeits-markt bis Z wie Zivilgesellschaft einleiten oder umlenken, also
steuern will, ist zwangsläufig auf wissenschaftliche Beratung angewiesen. Solche Beratung gründet sich auf einen Wissenstand, der kontinuierlich fortgeschrieben bzw. revidiert werden muß. Da Fortschreibung bzw. Revision wissenschaftlichen Wissens heutzutage nicht aus Einzelkampf, sondern aus Teamwork erwächst, ging es darum, ein interdisziplinäres Team zur Suche nach Lösungen für die Steuerungsproblematik zusammenzuführen. Nicht zuletzt die Schlußdiskussion hat verdeutlicht, wie bewährtes Lösungswissen fruchtbar gemacht und wie innovatives Steuerungswissen integriert werden kann.
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Prof. Dr. Axel Görlitz, Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung für Politische Theorie und Politikfeldanalyse, Keplerstr. 17, 70174 Stuttgart,
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