Eine
Cytokinfunktion mit dem Namen Macrophage migration inhibitory
activity wurde bereits in den Anfängen der Immunforschung
im Jahr 1962 entdeckt. Der entsprechende Eiweißstoff,
der Macrophage migration inhibitory factor oder kurz MIF,
wurde bereits 1966 beschrieben und zählt zusammen mit
den Interferonen zu den zuerst entdeckten Cytokinen überhaupt.
Während die gentechnische Revolution in den folgenden
Jahren und Jahrzehnten zur Entdeckung vieler weiterer
Cytokine führte, gelang die Klonierung des MIF-Proteins
erst dreißig Jahre nach der Entdeckung des Proteins. Einige
der immunologischen Funktionen von MIF konnten im Verlauf
der neunziger Jahre aufgeklärt werden. So weiß man heute,
daß MIF bei der Streß- und Immunantwort auf akute und
chronische Entzündungen/Infektionen zentral beteiligt
ist. Auch die Fehlsteuerung des Immunsystems bei Autoimmunkrankheiten
scheint über MIF-gesteuerte Prozesse zu laufen. Entsprechend
haben vorklinische Studien bei Tieren gezeigt, daß gegen
MIF gerichtete Antikörper therapeutisch zur Behandlung
von septischem Schock, Lungenkrankheiten oder Immunkrankheiten
wie der Rheumatoiden Arthritis eingesetzt werden könnten.
Anfang des vergangenen Jahres gelang der Nachweis, daß
MIF-Antikörper sogar dann vor Bakterieninfektionen schützen
können, wenn sie Stunden nach der Infektion verabreicht
werden. Antikörpertherapien auf der Basis anderer Cytokine
mußten bisher immer vor dem Zeitpunkt der Infektion gegeben
werden. Ein Zusammenhang scheint auch zwischen der MIF-Verteilung
und -Ausschüttung im Körper und der Tumorbildung zu bestehen.
Darüber hinaus zählt MIF zu den wenigen Cytokinen, die
auch eine enzymatische Aktivität besitzen. Eine Blockierung
dieser Enzymaktivität könnte zugleich die entzündungsfördernden
Eigenschaften von MIF bremsen. MIF gilt dazu als das derzeit
einzige bekannte Cytokin, welches von Substanzen wie Cortison
nicht unterdrückt oder gedämpft, sondern sogar aktiviert
wird.
Direkte
Wirkung
Die
meisten Cytokine entfalten ihre Wirkung über einen sogenannten
Rezeptor auf der Zelle. Während für viele Cytokine kurz
nach ihrer Klonierung auch die entsprechenden Rezeptoren
entdeckt wurden, blieb der molekulare Mechanismus der
Wirkung von MIF trotz seiner frühen Entdeckung und trotz
der Klonierung des Eiweißstoffes vor über zehn Jahren
weitgehend unbekannt. Das oben genannte Forscherteam hat
nun zum ersten Mal ein molekulares Ziel für die Wirkung
und Signalübertragung von MIF entdecken können. Überraschenderweise
handelt es sich bei diesem signalvermittelnden Molekül
nicht um einen außen angedockten Rezeptor, sondern um
ein im Zellinneren lokalisiertes Protein mit dem Namen
Jab1. Dieses zählt zu einer Klasse von Eiweißstoffen,
die nach heutigen Erkenntnissen genregulatorische Prozesse
mitsteuern, ohne selbst direkt als Transkriptionsfaktor
mit der Erbinformation wechselwirken zu können. Die Wissenschaftler
konnten zeigen, daß MIF über die Interaktion mit dem Protein
auf steuernde Prozesse in der Zelle wie die Anschaltung
von immunologisch relevanten Genprodukten und den Zellzyklus
Einfluß nehmen kann. Die Arbeiten geben zum ersten Mal
Aufschluß über die molekularen Zielstrukturen der Wirkung
von MIF und haben somit unmittelbar Bedeutung für weitere
biomedizinische Forschungsansätze, die zur Entwicklung
von Therapie- und Diagnosestrategien führen könnten die
auf den beschriebenen Wirkungen des Cytokins aufbauen.
/eng
KONTAKT
Dr. Jürgen Bernhagen, Arbeitsgruppe Biochemie, Institut
für Grenzflächenverfahrenstechnik Tel. 0711 970 4020,
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