Im
Sommer 1999 konnten Wissenschaftler vom Institut für Geographie
der Universität Stuttgart Hölzer von ca. 50 historischen
Tempeln, Klöstern und Adelshäusern in Lhasa, der Hauptstadt
Tibets, sammeln. Die Gebäude stammen aus verschiedenen
Bauperioden vom 7. bis zum 20. Jahrhundert. Mit Hilfe
von 1000 Jahre alten lebenden Wacholdern aus der Umgebung
von Lhasa und der Einbeziehung der historischen Hölzer
hoffen die Forscher, eine 2000-jährige Wacholderchronologie
für das südliche Tibet zu erstellen, die Auskunft über
die Variabilität des Sommermonsuns während verschiedener
Klimaphasen, etwa während des sogenannten „mittelalterlichen
Klimaoptimums“ (10. bis 12. Jahrhundert) oder der „Kleinen
Eiszeit“ (15. bis 19. Jahrhundert), geben soll. Diese
Erkenntnisse sollen dann in Klimamodelle eingehen, die
versuchen, die Reaktion des Monsunsystems auf anthropogene
Klimaveränderungen in der Zukunft zu prognostizieren.
Das Hochland von Tibet spielt aufgrund seiner Lage in
subtropischen Breiten eine zentrale Rolle für die Entstehung
und Dynamik des südasiatischen Monsunsystems, in dessen
Wirkungsbereich mehr als eine Milliarde Menschen leben:
Die enorme sommerliche Einstrahlung führt zur Entstehung
eines Hitzetiefs über dem tibetischen Hochland, das subtropische,
feuchte Luftmassen über dem indischen Ozean „ansaugt“.
Das Aufsteigen dieser Luftmassen über Land führt zum Indischen
Sommermonsun, der selbst in Tibet noch 70 bis 80 Prozent
der jährlichen Niederschläge in den Monaten Juli bis September
liefert. Die alpine Waldgrenze verläuft in Tibet in über
4600 Meter Meereshöhe - die höchste Lage einer geschlossenen
Waldgrenze der Erde. Fichten (Picea balfouriana) aus diesen
Höhenlagen reagieren sehr sensitiv auf die Temperaturverhältnisse
während der Sommermonate, so daß die Holzdichte dieser
Bäume zur Rekonstruktion der Sommertemperaturen herangezogen
werden kann. Die Grafik zeigt die Kalibration der Holzdichte
bei den Hochlagenfichten mit rezenten Klimadaten und die
Rekonstruktion der Sommertemperaturen (August-September)
für die letzten 400 Jahre. Es werden mehrere Phasen unterdurchschnittlicher
Temperaturen in den Jahrhunderten deutlich (1640 -1650,
um 1700, 1810 -1820, um 1840, um 1860 und zu Beginn des
20. Jahrhunderts), die mit Phasen unterduchschnittlicher
Temperaturen in anderen Regionen der Nordhemisphäre korrespondieren.
Charakteristisch für bewaldete Südlagen in Tibet ist das
Vorkommen baumförmiger Wacholderarten, die über 1300 Jahre
alt werden können. Sie kommen nicht nur in alpinen Waldgrenzlagen
vor, sondern auch im Übergangsbereich zwischen dem Waldland
und den tibetischen Hochlandsteppen, die für das Waldwachstum
zu trocken sind. Das Wachstum dieser Bäume reagiert empfindlich
auf Trockenstreß, so daß sich diese Baumgrenzstandorte
zur Rekonstruktion der Feuchtigkeitsverhältnisse während
der Wuchsperiode eignen und damit Aussagen über die Aktivität
des Sommermonsuns in der Vergangenheit liefern.
KONTAKT
Dr. Achim Bräuning, Institut für Geographie, Azenbergstr.
12 Tel. 0711/1211406, Fax 0711/1211472 e-mail:achim.braeuning@geographie.uni-stuttgart.de