Stuttgarter unikurier
Nr. 87 April 2001 |
Erfahrungsaustausch
mit der Polizei:
Warum
werden dunkelhäutige Studenten häufig kontrolliert? |
Es
war nicht die erste Begegnung mit der Stuttgarter Polizei
für die Studierenden aus Ghana, Kamerun und Äthiopien;
aber sie war geplant. Erstmals in dieser Form trafen sich
am 17. November 20 Studierende des Masterstudiengangs
WAREM mit einem Polizeibeamten zum Gespräch im Internationalen
Begegnungszentrum der Uni Stuttgart. Anlaß für dieses
Gespräch bildeten die häufigen Polizeikontrollen in Stuttgart,
vor allem von Studierenden mit dunkler Hautfarbe.
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Ziel
der Begegnung war es, die Studierenden mit der Stellung
und den Aufgaben der Polizei in Deutschland vertraut zu
machen und sie über ihre Rechte und Pflichten zu informieren.
So erfuhren die Studenten, daß sie Kontrollen nicht einfach
nur über sich ergehen lassen müssen, sondern die kontrollierenden
Polizisten durchaus nach dem Grund der Kontrolle, dem
Namen und der Dienststelle fragen können. Initiiert hatte
das Gespräch WAREM-Kursdirektor Dr. Jürgen Braun; für
die Organisation sorgten Helmut Krien, Polizeikommissar
vom Polizeirevier Vaihingen/Möhringen, und Raphaela Diel
vom Büro für Internationale Angelegenheiten.
Fünfmal
am Tag kontrolliert
Den Schwerpunkt der Begegnung legte Helmut Krien auf die
Diskussion. Die Studierenden nutzten dieses Forum, ihre
Erfahrungen einem Ansprechpartner der Polizei mitzuteilen.
Mehrmalige Kontrollen am gleichen Tag, so das Ergebnis,
sind dabei im Innenstadtbereich keine Seltenheit. Ein
Student berichtete, daß er auf der Königsstraße innerhalb
einer halben Stunde fünfmal kontrolliert worden sei. Eine
Kontrolle könne bis zu fünfzehn Minuten dauern, da der
Paß meist ohne Erklärung mit in den Streifenwagen genommen
und dort erst einmal telefoniert werde. Helmut Krien berichtete,
daß in der Stuttgarter Innenstadt wegen des Drogenhandels
verstärkt kontrolliert werde und dies besonders an Orten,
an denen erfahrungsgemäß Straftaten begangen oder verabredet
werden. Nach polizeilichen Erkenntnissen stellen Schwarzafrikaner
einen großen Anteil in der Drogenszene. Aufgrund des Schengener
Abkommens, das die Freizügigkeit von Menschen und Waren
innerhalb der Schengen-Staaten garantiere, könnten die
Grenzen nicht streng kontrolliert werden, daher die intensive
Suche nach Drogendealern in den Städten selbst. Natürlich
hilft diese Erklärung denjenigen, die diesen Kontrollen
ausgesetzt sind, in ihrem Alltag in Stuttgart nicht unbedingt
weiter - diese bleiben weiterhin zeit- und nervenraubend.
Aber immerhin erfuhren die Studierenden den Grund und
eine Erklärung des Ablaufs.
Kontrollen
als beschämend empfunden
Wirklich unangenehm und diskriminierend werden die Kontrollen
erst dann eingeschätzt, wenn die Polizisten in rüdem Ton
auffordern, den Ausweis vorzuzeigen und ihr eigenes Tun
dabei weder erklären noch um Verständnis bitten. Auch
wird eine Kontrolle als besonders beschämend empfunden,
wenn in einer Gruppe von Studierenden mit weißer Hautfarbe
als einziger ein dunkelhäutiger kontrolliert wird. Was
nur sollen die anderen mit weißer Hautfarbe, die meistens
noch nie in ihrem Leben kontrolliert wurden, denken, formulierte
ein Student, in einer solchen Situation entstehende Ängste.
Leider gehören auch Begegnungen dieser Art zum Erfahrungsschatz
der schwarzen Studierenden in Stuttgart. Polizeikommissar
Krien äußerte sein Bedauern über die Unannehmlichkeiten,
die für die Studierenden mit den häufigen Kontrollen verbunden
sind. Kein Verständnis zeigte er für das von Studenten
geschilderte barsche und die Menschenwürde verletzende
Verhalten von Polizeibeamten. Ohne ein solches Verhalten
entschuldigen zu wollen, erklärte er es mit der Problematik
junger Beamter in Stuttgart, die sich zum Teil noch in
der Ausbildung befinden.
Neue
Betreuerin für MSc-Studierende
Das
Betreuerinnenteam der Stabsstelle Internationale
Angelegenheiten hat Verstärkung bekommen, nachdem
dort für die Betreuung der mittlerweile fünf englischsprachigen
Masterstudiengänge eine neue Stelle eingerichtet
worden ist. Seit 1. September 2000 betreut Raphaela
Diel die rund 150 internationalen Teilnehmer/innen
der Master-Programme.
KONTAKT
Internationale Angelegenheiten, Geschwister-Scholl-Str.
24, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-2277, Fax 0711/121-4104,
e-mail: diel@ia.uni-stuttgart.de
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Selbstbewußtes
und freundliches Auftreten empfohlen
Auch wenn er die Situation der schwarzen Studierenden
nicht kurzfristig verändern kann, Unklarheiten beseitigen
und praktische Tips geben wollte Helmut Krien. So erläuterte
er, daß eine beglaubigte Kopie des Reisepasses mit der
Seite des Visums und ein daran angeheftetes, ebenfalls
beglaubigtes Photo in der Regel ausreichen, um sich auszuweisen.
Zudem empfahl er, eine Kopie der Anmeldung beim Einwohnermeldeamt
bei sich zu tragen. Auch zu einem selbstbewußten und offensiven,
wenn auch freundlichen Auftreten gegenüber den Polizisten
rät er den Studierenden. Bei inkorrekter Behandlung durch
die Polizei verwies er auf die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde.
Aufgabe der Polizei ist auch, den Studierenden in kritischen
Situationen zu helfen, betonte er. Wer belästigt oder
bedroht werde, solle Anzeige erstatten. Bei Angriffen
empfahl er, deutlich zu zeigen, daß man in Ruhe gelassen
werden wolle, um so die Unterstützung in der Nähe stehenden
Personen zu gewinnen.
Weitere
Begegnungen geplant
Die äußerst lebendige Beteiligung der WAREM-Studierenden
an der Diskussion und die zahlreichen Fragen zeigten deutlich
den großen Informations- und Diskus-sionsbedarf von studentischer
Seite. Aber auch Polizeikommissar Krien wird die ihm berichteten
Erfahrungen in seinen Kollegenkreis hineintragen, so daß
hoffentlich Berührungsängste beiderseits abgebaut werden
konnten und der erste Schritt hin zu einem Dialog getan
ist. Der Erfolg dieses zunächst als Testlauf gedachten
Treffens bestärkt das Büro für Internationale Angelegenheiten,
ein Forum zu schaffen, das den regelmäßigen Austausch
zwischen Stuttgarter Polizisten und internationalen Studierenden
ermöglicht. Kontaktperson der Polizei für internationale
Studierende ist Bürgerreferent Hermann Karpf, Landespolizeidirektion
Stuttgart II, Hahnemannstr. 1, 70191 Stuttgart, Tel. 0711/8990-2030
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