Das
Reisen mit Luftschiffen, auch Zeppeline genannt, war seinerzeit
Luxus pur: Salon, Suppenschüsseln mit Goldrand, selbst
die Gepäckanhänger und das Ticket gaben sich edel, wenn
mit einer „Zigarre“ der Ozean überquert wurde. Doch wie
passen Luftschiffe, die langsam, verwundbar und nicht
unbedingt pünktlich sind, in unsere hektische Zeit? Professor
Kröplin ist überzeugt: Für Beobachtungsaufgaben und zum
Transport großer Lasten, bei denen es nicht um Geschwindigkeit
geht, sind sie wie geschaffen. Als an der Uni Stuttgart
der Startschuß zum Bau des ersten Luftschiffs fiel, dachte
man jedoch zunächst weder an Beobachtungs- noch an Transportaufgaben.
Während der internationalen Gartenbauausstellung 1993
sollte es am Himmel über Stuttgart schweben. Nach vierzehn
Monaten harter Arbeit in den Werkhallen der Uni war „Lotte“
startbereit, und Bernd-Helmut Kröplin schwärmt: „Wir haben
eben tolle Studenten, die nicht nur kurz und schnell studieren,
sondern etwas Kreatives machen“. Lotte, das erste Solarluftschiff
mit flexiblen Solarzellen, wird heute für Luftschadstoffmessungen
ausgestattet und zur Zeppelinforschung eingesetzt.
Ein
„Riese“ als Luftschiff
Den
Anstoß für ein weiteres Projekt gab die Bitte eines Geschäftsmannes
an Prof. Kröplin, sich Gedanken über den Transport großer
Turbinen zu machen. Da Europa, der Produktionsort dieser
Turbinen, und ihre Einsatzorte in Asien oder Lateinamerika
zu weit voneinander entfernt sind, müsse über eine Verlagerung
der Produktion nachgedacht werden, wenn nicht rasch eine
sinnvolle Transportmöglichkeit gefunden werde. Ideal wäre
ein Transport durch die Luft sowie Aufnahme und Absatz
der Fracht an allen möglichen Stellen - und wieder hieß
die Lösung „Luftschiff“. Die Produktionshalle des sogenannten
Cargo-Lifters wurde in der Nähe von Berlin im November
2000 fertiggestellt. Auf stattliche 260 Meter Länge soll
es der Riese bringen, auf einen Durchmesser von 65 Meter
und auf 550.000 Kubikmeter Inhalt. Mit einer Geschwindigkeit
von 80 bis 120 km pro Stunde wird er voraussichtlich 160
Tonnen über eine Distanz von 10.000 km tragen können.
Bereits rund 50.000 Aktionäre unterstützen das Projekt.
Für die Landeplätze des Transportluftschiffs bewerben
sich weltweit viele Städte, denn hinter der neuen Transportart
schlummert ein großes Potential: 200 Schiffe decken lediglich
0,1 Prozent des Marktes ab. Und auch für die weitere Zukunft
läßt Bernd-Helmut Kröplin nicht vom immer wieder aktuellen
„Mythos Luftschiff“. Eine neu konstruierte Höhenplattform
könnte Satelliten, Sendemasten und Erdleitungen der Telekommunikation
ablösen. Das Versorgungsnetz würde enger und mehr Gespräche
könnten täglich vermittelt werden als derzeit. „Luftschiffe
waren immer Vorreiter der Technologie“, hatte der Professor
für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen
zu Beginn seines Vortrags gesagt und nach einer Stunde
wohl auch viele seiner Zuhörer davon überzeugt.
J.
Alber