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Stuttgarter unikurier Nr. 87 April 2001
Sonntagsmatinee II:
Von Ideen und Luftschiffen
 

„Luftschiffe - Neue Technologie oder Renaissance eines Mythos“ hatte Professor Bernd-Helmut Kröplin vom Institut für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen seinen Vortrag am 3. Dezember im Rahmen der Sonntagsmatinee überschrieben. Vielleicht hätte sein Vortrag ohne den Enthusiasmus der Studierenden unter einem anderen Motto gestanden. Doch diese folgten den Worten Victor Hugos „Nichts ist stärker auf der Welt als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, setzten ihren Traum - ein Luftschiff - in die Tat um, und legten den Grundstein zu einer ganz besonderen Entwicklung.

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Das Reisen mit Luftschiffen, auch Zeppeline genannt, war seinerzeit Luxus pur: Salon, Suppenschüsseln mit Goldrand, selbst die Gepäckanhänger und das Ticket gaben sich edel, wenn mit einer „Zigarre“ der Ozean überquert wurde. Doch wie passen Luftschiffe, die langsam, verwundbar und nicht unbedingt pünktlich sind, in unsere hektische Zeit? Professor Kröplin ist überzeugt: Für Beobachtungsaufgaben und zum Transport großer Lasten, bei denen es nicht um Geschwindigkeit geht, sind sie wie geschaffen. Als an der Uni Stuttgart der Startschuß zum Bau des ersten Luftschiffs fiel, dachte man jedoch zunächst weder an Beobachtungs- noch an Transportaufgaben. Während der internationalen Gartenbauausstellung 1993 sollte es am Himmel über Stuttgart schweben. Nach vierzehn Monaten harter Arbeit in den Werkhallen der Uni war „Lotte“ startbereit, und Bernd-Helmut Kröplin schwärmt: „Wir haben eben tolle Studenten, die nicht nur kurz und schnell studieren, sondern etwas Kreatives machen“. Lotte, das erste Solarluftschiff mit flexiblen Solarzellen, wird heute für Luftschadstoffmessungen ausgestattet und zur Zeppelinforschung eingesetzt.

Ein „Riese“ als Luftschiff
Den Anstoß für ein weiteres Projekt gab die Bitte eines Geschäftsmannes an Prof. Kröplin, sich Gedanken über den Transport großer Turbinen zu machen. Da Europa, der Produktionsort dieser Turbinen, und ihre Einsatzorte in Asien oder Lateinamerika zu weit voneinander entfernt sind, müsse über eine Verlagerung der Produktion nachgedacht werden, wenn nicht rasch eine sinnvolle Transportmöglichkeit gefunden werde. Ideal wäre ein Transport durch die Luft sowie Aufnahme und Absatz der Fracht an allen möglichen Stellen - und wieder hieß die Lösung „Luftschiff“. Die Produktionshalle des sogenannten Cargo-Lifters wurde in der Nähe von Berlin im November 2000 fertiggestellt. Auf stattliche 260 Meter Länge soll es der Riese bringen, auf einen Durchmesser von 65 Meter und auf 550.000 Kubikmeter Inhalt. Mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 120 km pro Stunde wird er voraussichtlich 160 Tonnen über eine Distanz von 10.000 km tragen können. Bereits rund 50.000 Aktionäre unterstützen das Projekt. Für die Landeplätze des Transportluftschiffs bewerben sich weltweit viele Städte, denn hinter der neuen Transportart schlummert ein großes Potential: 200 Schiffe decken lediglich 0,1 Prozent des Marktes ab. Und auch für die weitere Zukunft läßt Bernd-Helmut Kröplin nicht vom immer wieder aktuellen „Mythos Luftschiff“. Eine neu konstruierte Höhenplattform könnte Satelliten, Sendemasten und Erdleitungen der Telekommunikation ablösen. Das Versorgungsnetz würde enger und mehr Gespräche könnten täglich vermittelt werden als derzeit. „Luftschiffe waren immer Vorreiter der Technologie“, hatte der Professor für Statik und Dynamik der Luft- und Raumfahrtkonstruktionen zu Beginn seines Vortrags gesagt und nach einer Stunde wohl auch viele seiner Zuhörer davon überzeugt.

J. Alber

 


last change: 27.04.01 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart

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