Derzeit
ist sie noch Vision, doch „die virtuelle Stadt wird sicherlich
realisiert“, ist Dieter Fritsch überzeugt, denn „sie ist
nicht aufzuhalten“. Ständig nehme die Nachfrage nach geographischen
Darstellungen von Städten und Gemeinden zu, da heutzutage
alles im Internet abrufbar sein muß. Zunehmend gelte auch,
daß die Präsentation aller Produkte im Internet in einem
multimedialen Umfeld erfolgen und einem gewissen „Spaßfaktor“
Rechnung tragen sollte. Immer mehr Abwechslung und Vergnügen
ist im Internet-Zeitalter gefordert und, so Prof. Fritsch,
„auch die Geodäten müssen auf diesen Zug aufspringen“.
Ihre Daten werden für Tourismusinformationssysteme nachgefragt,
bilden die Grundlage für 3D-Darstellungen von Städten,
werden bei der Navigation von Kraftfahrzeugen benötigt
und können bei Bauprojekten oder beim Denkmalschutz ebenso
hilfreich sein wie bei der Prognose des Stadtklimas. Besonders
wichtig sind die Daten für den Einsatz von Rettungsdiensten.
Doch bis ein virtuelles Stadtbild den realen Vorgaben
möglichst genau entspricht, ist viel Arbeit angesagt.
Am Anfang steht ein Flug über das zu erfassende Gebiet
und dessen Laserscannung. Die so gewonnen 3D-Daten werden
mit den Daten konventioneller Luftbilder überlagert, und
dann sieht das Bild zunächst so aus, als wäre der Verpackungskünstler
Christo am Werk gewesen - schön, aber nicht realistisch.
Weitere Schritte führen zur Rekonstruktion der Dachneigungen.
Die Textur von Dächern, Bäumen, Straßen wird aus den Luftbildern
übernommen, und - um das Bild zu perfektionieren - dann
bedarf es „nur noch“ der Fassaden. Viele „gehfreudige“
Studierende sind für diese Arbeit in den Städten unterwegs
und erfassen mit einer Digitalkamera Fassade um Fassade,
die dann ins Bild eingepaßt werden. Ein Prozeß, der an
rechenstarken PC`s des Instituts noch jede Menge Detailarbeit
erfordert. Anschließend kann es bei den realistischen
Flügen über Stuttgart oder Heidelberg heißen: „Fasten
your seatbelt please“.
Realistische
Virtualität
Doch nicht nur virtuelle Überflieger können Realität erleben,
auch Einblicke und Durchgänge in Gebäude sind machbar,
wie ein Video von Studierenden eindrucksvoll bewies. Nach
dem Flug über Stuttgarts Innenstadt, einer Kurve über
dem Hauptbahnhof und der schwungvollen Umrundung von K2,
K3 und K4 ging es direkt in den Hörsaal vom KI, und ein
Blick in das Institut für Photogrammetrie von Dieter Frisch
zeigte den Zuhörern nicht nur die Arbeitsräume der Doktoranden,
sondern auch den „gläsernen Schreibtisch“ des Chefs. So
realistisch ist die Virtualität. Neben den offensichtlichen
Vorteilen der neuen Technik, z.B. Orientierung mit Hilfe
von im Handy integriertem GPS-Empfänger und UMTS, virtuelle
Museumsbesuche oder die Simulation des Stadtklimas, stellte
der ganz reale Fachmann zum Abschluß auch einige Fragen:
Wo bleibt das Recht auf Privatsphäre?, Öffnet die neue
Technik Dieben Tür und Tor?, Muß alles technisch Machbare
auch gemacht werden? Doch trotz allem: „Die virtuellen
Umgebungen werden uns bald ganz normal vorkommen“, resümierte
der Professor für Photogrammetrie und Vermessungswesen,
denn „die Kunden von morgen sind die heutigen PC-Kids
und für die ist der Computer schon ganz real“.
J.
Alber
KONTAKT
Institut für Photogrammetrie, Geschwister-Scholl-Str.
24D, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3386, Fax 0711/121-3297,
e-mail: dieter.fritsch@ifp.uni-stuttgart.de