Verbrennungsforschung
an Detailproblemen
Die
Untersuchung der Wechselwirkung zwischen turbulentem Strömungsfeld
und chemischer Reaktionskinetik spielt eine zentrale Rolle
der Forschungsaktivitäten am Institut für Technische Verbrennung
(ITV). Hierzu sind experimentelle und theoretische Arbeiten
an Detailproblemen notwendig, um globalere Modelle entwickeln
zu können. Dies wird in der Abbildung unten links anschaulich:
Man sieht den Zündprozess eines Methan-Luft Gemisches,
dem mit Hilfe von Ventilatoren ein turbulentes Strömungsfeld
aufgeprägt wurde. In der oberen Reihe ist das Eigenleuchten
des Flammenkerns und der sich ausbreitenden Flammenfront
zu sehen. Die untere Reihe zeigt den qualitativen Verlauf
der OH Konzentration. Anfangs ist der Flammenkern noch
sehr rund, die Oberfläche glatt, d.h. der Flammenkern
ist noch nicht mit dem turbulenten Strömungsfeld in Wechselwirkung
getreten. Mit der Zeit verwinkelt sich aber die Oberfläche
und bildet eine unregelmäßige, durch das turbulente Strömungsfeld
aufgeweitete Flammenfront. Der Zündprozeß selbst wird
ausschließlich durch die chemische Reaktionskinetik bestimmt.
Basierend auf den experimentellen Untersuchungen werden
mit Hilfe detaillierter kinetischer Modelle, die mehrere
tausend Elementarreaktionen umfassen, Reaktionsmechanismen
in Simulationsprogramme implementiert, um Verbrennungsprozesse
exakt beschreiben zu können. Da aber solche Mechanismen
bei der Modellierung technischer Verbrennungssysteme zu
einem nicht zu bewältigenden Rechenzeitaufwand führen,
wurden Methoden entwickelt, die, ausgehend von den detaillierten
Mechanismen, reduzierte, aber praktikable Kinetiken liefern.
Dies führt zu einer enormen Reduktion der Dimension des
Systems von Erhaltungsgleichungen. Die reduzierten Mechanismen
beschreiben jedoch den Verbrennungsprozeß ebenso zuverlässig
und lassen sich direkt in Programme zur Modellierung technischer
Verbrennungssysteme implementieren. Ein verbleibendes
Problem sind die stark unterschiedlichen Längenskalen.
Da auch hier eine direkte numerische Simulation technischer
Systeme aus Gründen des Rechenzeitaufwandes nicht möglich
ist, müssen statistische Modelle eingesetzt werden, die
eine Beschreibung der Turbulenz-Chemie Wechselwirkung
erlauben. Kommerzielle Programmpakete und ihre meist übervereinfachten
Verbrennungsmodelle führen oft zu qualitativ falschen
Aussagen. Deshalb werden zuverlässige statistische Modelle
in Verbindung mit zuverlässigen kinetischen Modellen eingesetzt
werden. Als Beispiel für eine solche Flammensimulation
mittels statistischer Modelle zeigt die Abbildung 2 das
mittlere Strömungsfeld einer staukörperstabilisierten
Flamme. Hier bildet sich über dem sogenannten Staukörper,
der den äußeren Luftstrom und den Brennstoffstrom in der
Mitte trennt, eine Rezirkulationszone der Strömung aus,
auf der sich die Flamme über dem Brennerkopf stabilisieren
läßt.
Vom
Detail zum Gesamtsystem
Die aus den Grundlagenuntersuchungen resultierenden mathematischen
Modelle werden zur Beschreibung von Verbrennungsvorgängen
in den verschiedensten industriellen Anlagen herangezogen.
Am Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen
der Universität Stuttgart (IVD) wurde hierfür seit mehreren
Jahren das dreidimensionale Feuerraumsimulationsprogramm
AIOLOS entwickelt, das sowohl die Simulation von dezentralen
Klein- und Haushaltsfeuerungen, von Industrie- und Heizkraftwerken
als auch von Müllverbrennungsanlagen und Großkraftwerken
erlaubt. AIOLOS liefert die Verteilung der Zustandsgrößen
im Feuerraum, d.h. Geschwindigkeits-, Temperatur- und
Konzentrationsfelder mit hoher räumlicher und, bei Bedarf
und entsprechenden vor-handenen Rechenzeitressourcen,
auch zeitlicher Auflösung. Die Vorteile gegenüber experimentellen
Methoden liegen im reduzierten Kosten- und Zeitaufwand,
der Reproduzierbarkeit von Randbedingungen sowie der Möglichkeit,
einen vertieften Einblick in komplex zusammenhängende
physikalische Phänomene zu erhalten. Die simulationsgestützte
Feuerraumgestaltung und -optimierung ermöglicht die Untersuchung
der Auswirkungen verschiedener Parameter, wie Brennstoffzusammensetzung,
Feuerraumkonfiguration, Verschmutzungs- und Korrosionswahrscheinlichkeit
und Brennergestaltung auf die wichtigsten Zielgrößen wie
Temperaturverlauf, Schadstoffentstehung und Ausbrandverhalten.
(Vgl. hierzu auch Uni-Kurier Nr. 79, Juni 1998, S. 49
und Uni-Kurier Nr. 86, 2/2000, S. 33).
Die
zugrunde liegenden physikalischen Modelle und numerischen
Methoden können am Beispiel einer Kohlenstaubfeuerung
gezeigt werden (Abbildung links). Als wichtigste, von
einer Modellformulierung zu erfassende Teilprozesse können
die turbulente Gas- und Feststoffströmung, die thermische
Zersetzung (Pyrolyse) der Kohle, die chemischen Reaktionen
der freigesetzten flüchtigen Bestandteile, der Abbrand
der zurück bleibenden Kokspartikel und die vor allem von
der Strahlung dominierte Wärmeübertragung identifiziert
werden. Das Gesamtmodell kann dementsprechend unterteilt
werden in das Strömungsmodell, das Reaktionsmodell und
in das Wärmeübertragungsmodell. Bei der Modellbildung
einer Feststoffverbrennung ergibt sich die Notwendigkeit,
das Verhalten der aus Rauchgas und Partikeln bestehenden
Zweiphasenströmung zu beschreiben. Hierfür wird in AIOLOS
für die meisten Anwendungsfälle eine Kontinuumsapproximation
verwendet. Zur Beschreibung der chemischen Reaktionen
der Kohlestaubverbrennung wird ein kinetisches Reaktionsmodell
mit einer geringen Zahl an Globalreaktionen verwendet.
Eine detaillierte Beschreibung des komplexen Ablaufes
der Reaktionen bei der Kohleverbrennung ist aufgrund der
teilweise noch unverstandenen Phänomenologie, aber auch
wegen der Rechenzeitintensivität solcher Detailreaktionsmodelle
derzeit für Großkraftwerksanwendungen noch nicht realisierbar.
Der Abbrand des nach der Entgasung der Kohle verbleibenden
Kokses trägt zu etwa 90 Prozent zur gesamten Reaktionszeit
bei und stellt damit den bei weitem langsamsten Reaktionsschritt
bei der Umsetzung der Kohle im Feuerraum dar. Als drittes
physikalisches Hauptphänomen ist der in Kohlestaubfeuerungen
dominierende Mechanismus der Energieübertragung zwischen
Flamme und Feuerraumwänden durch thermische Strahlung
durch ein geeignetes Modell zu beschreiben. Im Unterschied
zur Wärmeleitung stehen bei der Wärmestrahlung alle Volumenelemente
nicht nur mit den unmittelbaren Nachbarn, sondern mit
allen anderen Elementen und mit den Wandelementen im Austausch.
Für die Lösung der hieraus entstehenden Intensitätsbilanzgleichung
wird das zur Gruppe der differentiellen Methoden zählende
„Discrete Ordinates“ Verfahren als derzeit bester Kompromiß
zwischen Rechenzeitbedarf und Vorhersagegenauigkeit eingesetzt.
Berechnungen
erfordern Höchstleistungsrechner
Bei der Simulation von Großkraftwerkskesseln stellen die
Abmessungen sowie der zunehmend komplexer werdende Aufbau
der Brenner hohe Ansprüche an die Flexibilität des Verfahrens.
Bei der Entwicklung des Simulationsprogramms wurde deshalb
sehr auf die erforderliche Rechenzeit und den Speicherplatzbedarf
geachtet. Es konnten bereits Antwortzeiten von wenigen
Tagen auf Arbeitsplatzrechnern bei der Simulation kohlegefeuerter
Kraftwerke erreicht werden. Mit den am Höchstleistungsrechenzentrum
an der Universität Stuttgart vorhandenen Supercomputern
kann die Rechenzeit durch Vektorisierung und Parallelisierung
des Programmcodes entscheidend weiter reduziert werden,
so daß das Programm als Ingenieurwerkzeug in der Praxis
eingesetzt werden kann. Erst der Einsatz von Höchstleistungsrechnern
ermöglicht die Erschließung neuer, fortschrittlicher Anwendungsfelder
in der Kraftwerkssimulation. So wurden beispielsweise
mit dem am Rechenzentrum in Stuttgart eingesetzten parallelen
Vektorrechner NEC SX-4/32 instationäre Berechnungen von
Laständerungsvorgängen an einem Kessel durchgeführt, der
im Vollastbetrieb eine elektrische Leistung von 750 Megawatt
liefert. Der Kessel ist 76 Meter hoch bei einem Durchmesser
von 18 Metern. Es wurde ein Lastwechsel von Voll- auf
Teillast untersucht, wobei im Verlauf der Lastreduktion
die Brennstoffzuteilung auf der untersten Brennerebene
vollständig zurückgefahren wurde. Die obige Abbildung
zeigt die berechnete Temperaturverteilung während des
Lastwechsels. Aufgrund der Strahlbrenner, die tangential
auf einen imaginären Kreis gerichtet sind, bildet sich
im Inneren des Brennraums ein Flammenwirbel aus. Es ist
ersichtlich, daß die gute Durchmischung zu einer gleichmäßigen
Temperaturverteilung für alle in gleichem Abstand von
der Achse des Flammenwirbels entfernt liegenden Positionen
in der dargestellten horizontalen Schnittebene führt.
Die Simulation zeigte, daß die Lastreduktion einen Temperaturabfall
in der untersten Brennerebene bewirkt, wobei die Temperaturspitzen
den Eindruck erzeugen, daß der Flammenwirbel aufreißt.
KONTAKT
Prof. Dr. Ulrich Maas, Dr. Dietmar Schmidt, Institut für
Technische Verbrennung, Tel: 0711 / 6855634, Fax 0711/
685-5653, e-mail: office@itv.uni-stuttgart.de
http://www.uni-stuttgart.de/itv
Prof. Dr. Klaus R.G. Hein, PD Dr. Uwe Schnell, Institut
für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen, Tel: 0711/685-3487,
Fax 0711/6853491, e-mail: ivd@ivd.uni-stuttgart.de,
http://www.ivd.uni-stuttgart.de