Home           Inhalt           Suchen

Stuttgarter unikurier Nr. 87 April 2001
Photovoltaik auf dem Weg in die dritte Generation:
Strom von der Sonne - heute schon am Markt
 

Die Photovoltaik beschäftigt sich mit der direkten Umwandlung von Sonnenenergie in elektrischen Strom mit Hilfe von Solarzellen. Die Sonne strahlt in Deutschland an einem wolkenlosen Mittag im Sommer eine Leistung von ca. 1000 Watt pro Quadratmeter auf die Erdoberfläche ein. Auf den Erdquerschnitt umgerechnet, liefert die Sonne theoretisch innerhalb von einer halben Stunde genug Energie für den Jahresbedarf der Menschheit. Schaut man jedoch genauer hin, so fällt die Bilanz allerdings bei weitem nicht so günstig aus. Schließlich ist die technische Nutzung der Sonnenstrahlung mit Umwandlungsverlusten behaftet, nicht jede Fläche ist nutzbar und die Sonne scheint auch keine 24 Stunden pro Tag.

kleinbal.gif (902 Byte)
 

Die Einstrahlungsleistung der Sonne unterliegt naturgegeben den aktuellen Wetterbedingungen sowie dem tages- und jahreszeitlichen Zyklus. Daten für die mittlere Einstrahlung sind für jeden Punkt der Erde genau bekannt: In Nord- und Mitteldeutschland stellt die Sonne innerhalb eines Jahres eine Energie von 1000 bis 1100 Kilowattstunden pro Quadratmeter zur Verfügung. In Süddeutschland sind es beinahe 1200 Kilowattstunden pro Quadratmeter, während in der Sahara und einigen anderen Gebieten der Erde Spitzenwerte von 2200 Kilowattstunden pro Quadratmeter erreicht werden. Wenn man in Deutschland 800 Quadratkilometer günstig gelegener Dachfläche (von ca. 3500 Quadratkilometer Gesamtdachfläche) mit Photovoltaikanlagen eines Systemwirkungsgrades von neun Prozent ausstatten würde, könnte man sofort ca. vier Prozent des Stromverbrauches in Deutschland decken. Von einem solchen Anteil an der Stromversorgung sind wir aber noch weit entfernt! Allein die recht hohen Kosten von Photovoltaik-Anlagen behindern derzeit eine extensive Verbreitung photovoltaischer Systeme. Allerdings können sich die derzeitigen Wachstumsraten durchaus sehen lassen: der Markt wächst seit langem mit einer jährlichen Zuwachsrate von zwanzig Prozent. Weitere Steigerungen sind nur über eine Senkung der Herstellungskosten zu erreichen. Hierzu sind sowohl Steigerungen des Wirkungsgrades als auch kostengünstigere Techniken für die Herstellung nötig.

Wirkungsgradsteigerungen
Vor einigen Jahren wurde am Institut für Physikalische Elektronik gezeigt, daß der theoretisch maximale Wirkungsgrad von Solarzellen aus einem einzigen Material nicht nur 30 Prozent, sondern 44 Prozent beträgt, selbst dann, wenn man ein Material mit einer einzigen Bandlücke verwendet. Allerdings sind heutige Solarzellen noch weit entfernt von diesem Wert. Selbst mit sogenannten Tandemzellen (sie verwenden mehrere verschiedene Materialien) erreicht man im Labor erst 33 Prozent, und die Herstellkosten sind auch für einzelne Zellen noch sehr hoch. In der Forschung zur Steigerung des Wirkungsgrades steckt noch jede Menge Potential. Die Entwicklung neuer Materialien und die Suche nach anderen Umwandlungsprinzipien ist deshalb ein Schwerpunkt der Photovoltaikforschung am Institut für Physikalische Elektronik der Universität Stuttgart (IPE).

Erste Generation
Heutige Photovoltaikanlagen enthalten meist Zellen aus kristallinem Silicium, die mit relativ einfachen Produktionsverfahren Modulwirkungsgrade um 15 Prozent erzielen. Diese Zellen sind etwa 300 µm dick; sie repräsentieren die erste Generation von Photovoltaikmaterialien. Aus dem kristallinen Silicium gefertigte Laborzellen erreichen Spitzenwirkungsgrade von fast 25 Prozent, allerdings benötigt man sehr komplizierte und deshalb auch teure Herstellprozesse für solche Höchsteffizienzzellen der ersten Generation. Es ist deshalb kaum zu erwarten, daß marktfähige Module aus konventionellen, dicken Siliciumscheiben höhere Wirkungsgrade als 18 Prozent erzielen werden. Mit solchen herkömmlichen Modulen und mit den heutigen Herstelltechnologien sind in der vorhersehbaren Zukunft Kosten unterhalb von fünf Mark pro Watt Spitzenleistung und damit Stromgestehungskosten unterhalb von einer Mark pro Kilowattstunde kaum möglich, denn weitere Wirkungsgradsteigerungen sind nahezu unausweichlich mit Kostensteigerungen in der Herstellung verbunden. Vollkommen neue Materialien, die es zuließen, andere Prinzipien der Energiewandlung nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch und mit hohem Wirkungsgrad einzusetzen, sind derzeit leider auch nicht in Sicht. Allerdings steckt gerade hier noch das größte Potential für Fortschritte in der Zukunft. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sind weitere Kostensenkungen wohl nur durch die Entwicklung neuartiger, kostensenkender Herstelltechnologien und durch Massenproduktion möglich. Von den derzeit bekannten Technologien werden sogenannte Dünnschicht-Solarzellen die Photovoltaik in den nächsten Jahren am weitesten voranbringen. Am IPE wird an Dünnschichtsolarzellen aus amorphem Silicium, kristallinem Silicium und Kupfer-Indium-Diselenid (CIS) geforscht. Über die CIS-Technologie hat der Uni-Kurier bereits in einer früheren Ausgabe berichtet. (Siehe Uni-Kurier Nr. 81, April 1999, S. 57f.)

Zweite Generation
Die am IPE entwickelten Dünnschichtsolarzellen bestehen aus einer dünnen Schicht eines Halbleiters, das auf einem Trägermaterial, dem sogenannten „Substrat“, aufgebracht wird. Aus Kostengründen sollte die halbleitende, lichtabsorbierende Schicht möglichst dünn und das Substrat billig und großflächig sein. Bis vor kurzem waren Dünnschichtsolarzellen aus amorphem Silicium die einzigen kommerziell erhältlichen Solarzellen dieser Art. Leider erlauben sie nur Wirkungsgrade bis ca. zehn Prozent. Dagegen sind die beim CIS erzielten Wirkungsgrade mit ca. 18 Prozent fast doppelt so hoch. Beim CIS mündete die 15 jährige Entwicklungsarbeit des IPE in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Sonnenergie- und Wasserstofforschung in Stuttgart schließlich vor kurzem in den Aufbau einer Produktion von Dünnschi.htmlodulen aus CIS durch die Firma Würth Solar in Marbach. Massenproduktion vorausgesetzt, erscheint mit solchen Modulen ein Kostenziel von zwei Mark pro Watt Spitzenleistung realistisch. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden diese Solarzellen der zweiten Generation die Fertigungstechnologie von Solarzellen in den nächsten zehn Jahren stark beeinflussen und den Markt der Photovoltaik noch schneller wachsen lassen.

Auf einem Silicium-Wafer („Muttersubstrat“) wird eine abtrennbare Siliciumschicht hergestellt; in dieser Schicht wird eine Solarzelle fabriziert. Nach dem Transfer der Zelle auf ein billiges Trägermaterial (z.B. auf oder unter Glas oder eine Plastikfolie) und Abtrennen steht das Muttersubstrat zur Wiederverwendung zur Verfügung.

Dritte Generation
Neben den Solarzellen aus CIS beschäftigen wir uns schon mit der nächsten, der dritten Generation von Zellen. Sie kombiniert die Vorteile der klassischen Siliciumtechnologie mit den Errungenschaften der dünnen Schichten: Statt an kompletten dicken Scheiben wie in der konventionellen Technologie zu arbeiten, wird am IPE eine Technik eingesetzt, die es gestattet, hauchdünne Schichten von den Scheiben abzulösen und auf ein Fremdsubstrat zu übertragen. Aus diesen dünnen Filmen werden die Zellen fabriziert. Die abgetragene Schicht kann auf der Scheibe durch einen Epitaxieschritt wieder ersetzt werden, so daß die dicke Siliciumscheibe als Substrat („Muttersubstrat“) theoretisch beliebig oft wiederverwendet werden kann. Die Abbildung zeigt das Prinzip des Verfahrens. Durch die wiederholte Nutzung eines (relativ teueren) Siliciumwafers zur Herstellung einer Vielzahl von Solarzellen werden die Materialkosten bei der Solarzellenherstellung erheblich reduziert. Drastische Kostensenkungen sind allerdings nur möglich, wenn man mit den dünnen Filmen ähnlich hohe Wirkungsgrade erzielt wie mit dicken Scheiben. Hierzu muß die elektronische Qualität der dünnen Schichten mit dem des „Muttersubstrats“ vergleichbar sein. Kürzlich gelang am IPE ein entscheidender Durchbruch: im Labor wurden Solarzellenwirkungsgrade von 14 Prozent erzielt mit nur 25 µm dünnen Siliciumfilmen, die auf ein billiges Glassubstrat übertragen sind. Das Institut für Physikalische Elektronik hält damit den Weltrekord und die Wissenschaftler sind zuversichtlich, daß sie die Werte bis auf mindestens 17 Prozent verbessern können.

KONTAKT
Prof. Dr. habil. Jürgen H. Werner, Institut für Physikalische Elektronik, Pfaffenwaldring 47, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-7141, Fax 0711/685-7143,
e-mail: werner@ipe.uni-stuttgart.de
http://www.uni-stuttgart.de/ipe

 


last change: 27.04.01 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart

Home           Inhalt           Suchen