Allerdings
fehlen auf unserem Planeten für die Fusion von gewöhnlichen
Wasserstoffkernen sowohl die große Massenanziehung der
Sonne, mit der die Reaktionspartner bei hoher Temperatur
zusammengehalten werden, als auch die Geduld und Zeit
für diese sehr langsam ablaufenden Prozesse. Es sind jedoch
etwa achtzig weitere Fusionsreaktionen bekannt, von denen
mehrere ungleich viel schneller ablaufen als die in der
Sonne und die sich deshalb für eine Lösung unseres langfristigen
Energieproblems anbieten. Dies ist in erster Linie die
Reaktion zwischen den Wasserstoff-Isotopen Deuterium (D),
dem „schweren“ Wasserstoff, und Tritium (T), dem „überschweren“
Wasserstoff, auf der die gegenwärtigen Fusionsreaktorkonzepte
basieren. Das Deuterium steht in Form von schwerem Wasser
(D2O) mit einem Anteil von 0,015 Prozent in den Weltmeeren
als Ausgangsstoff für die Fusion in nahezu unerschöpflicher
Fülle und mit gleichmäßiger geographischer Verteilung
zur Verfügung. Hingegen kommt das Tritium in der Natur
kaum vor, da der überschwere Wasserstoff mit einer Halbwertszeit
von 12,35 Jahren zerfällt. Es kann jedoch mit den bei
der Fusion entstehenden Neutronen aus Lithium „erbrütet“
werden. Auch die Lithium-Vorräte sind geographisch gleichmäßig
verteilt und könnten den derzeitigen Weltenergiebedarf
für 30 Millionen Jahre sichern.
Nachhaltige
Energieversorgung ...
Damit empfiehlt sich die Kernfusion für eine langfristige,
umweltfreundliche und nachhaltige Energieversorgung, da
sie keine klimaschädlichen Treibhausgase emittiert, nur
äußerst geringe, nicht-radioaktive Brennstofftransporte
erfordert und auch keine radioaktiven Endprodukte entstehen.
Das an den Fusionsreaktionen beteiligte radioaktive Tritium
erfordert zwar sorgfältige Handhabung, wird jedoch im
Fusionsreaktor selbst erzeugt und anschließend vollständig
wieder verbraucht. Da auch bei der Kernfusion die Energie
in Form von Neutronen freigesetzt wird, ist allerdings
eine Aktivierung des Strukturmaterials, welches das Reaktionsvolumen
eines Kernfusionsreaktors umschließt, unvermeidlich. Durch
geeignete Materialauswahl für die erste Wand - wie z.
B. martensitische Stähle oder Vanadium-Titan-Legierungen
- wird es aber gelingen, diese Aktivierung nach der Reaktorbetriebszeit
so schnell abklingen zu lassen, daß die Materialien nach
einigen Jahrzehnten wiederverwendet werden können. Auch
die Sicherheitseigenschaften des Fusionsreaktors sind
hervorragend, da die mit dem System verknüpften Energien
bei einer unkontrollierten Freisetzung nicht zur Zerstörung
führen können und ihm damit inhärente Sicherheit verleihen.
Im Gegensatz zum Spaltungsreaktor wird das Reaktionsmaterial
(der „Brennstoff“) beim Fusionsreaktor nur in so kleinen
Mengen kontinuierlich in das Plasmagefäß eingefüllt, wie
es für den Betrieb der jeweils nächsten wenigen Minuten
erforderlich ist.
...
aber nicht leicht zu erreichen
Allerdings sind die Reaktionsbedingungen im Fusionsreaktor
nicht leicht zu erreichen und aufrecht zu erhalten. Hierfür
sind Temperaturen von etwa 150 Millionen Grad für die
Reaktionspartner erforderlich, die sich dann im Plasmazustand
befinden und in einen ringförmigen starken Magnetfeldkäfig,
einen Torus vom Typ Stellarator oder Tokamak, eingeschlossen
werden müssen, um ihre hohe Energie nicht an die den Plasmatorus
umgebenden materiellen Wände zu verlieren. Die international
eng koordinierten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
zum Fusionsreaktor haben zu beeindruckenden Erfolgen geführt,
die im Überschreiten der Temperaturen von 300 Millionen
Grad und der Fusionsleistungen von 16 Megawatt bei den
Experimenten des europäischen Gemeinschaftsprojekts JET
(Joint European Torus) ihren sichtbaren Ausdruck gefunden
haben. Der nächste Schritt wird der von Forschergruppen
aus der ganzen Welt geplante Internationale Thermonukleare
Experimental-Reaktor ITER sein, mit dem ein thermonuklear
brennendes Plasma demonstriert werden soll. Die Bundesrepublik
Deutschland nimmt bei der Fusionsforschung mit ihrer Entwicklungsgemeinschaft
Kernfusion zwischen den Forschungszentren Max-Planck-Institut
für Plasmaphysik in Garching und den Forschungszentren
Karlsruhe und Jülich weltweit eine führende Rolle ein,
in die das Institut für Plasmaforschung (IPF) der Universität
Stuttgart vertraglich eng eingebunden ist. Das IPF trägt
wesentlich zur Entwicklung der Mikrowellenheizung der
toroidal eingeschlossenen Plasmen des Garchinger Stellarators
W7 AS und des Divertor-Tokamaks ASDEX Upgrade bei und
baut die Übertragungsleitung der 10 Megawatt intensiven
Mikro-wellenheizung für den neuen Greifswalder Stellarator
Wendelstein 7 X. Mit verschiedenen Diagnostikmethoden
liefert es darüber hinaus auch grundlegende Beiträge zur
Untersuchung der Plasmen - insbesondere über deren Wechselwirkung
mit den Wandmaterialien, die für die künftigen Entwicklungen
der Fusionsforschung, die noch Jahrzehnte in Anspruch
nehmen werden, eine zunehmend wichtige Rolle spielen.
KONTAKT
Prof. Dr. U. Schumacher, Institut für Plasmaforschung,
Pfaffenwaldring 31, 70569 Stuttgart, e-mail: schumacher@ipf.uni-stuttgart.de