Bei
der numerischen Strömungsberechnung werden, vereinfacht
ausgedrückt, für jeden Punkt im Raum die physikalischen
Grundgleichungen (Massen-, Impuls- und Energieerhaltung)
gelöst. Ein großes Problem besteht darin, daß fast alle
technisch relevanten Strömungen turbulent sind. Eine turbulente
Strömung ist gekennzeichnet durch stochastische Wirbelstrukturen
unterschiedlichster Größe. Betrachtet man zum Beispiel
den aufsteigenden Rauch bei einer Zigarette, so erkennt
man unmittelbar über der Glut einen geordneten Verlauf,
die Strömung ist laminar. Bald darauf jedoch bilden sich
chaotische Wirbelstrukturen, die Strömung wird turbulent.
Die großen Wirbel zerfallen in immer kleinere Strukturen,
bis schließlich von den kleinsten Wirbeln die Bewegungsenergie
durch die viskose Reibung in Wärme aufgelöst wird. Da
also die kleinsten auftretenden Wirbel wesentlich das
Reibungsverhalten prägen, müssten diese Wirbel bei einer
Berechnung genau erfaßt werden. Werden alle diese Wirbel
bis zu den kleinsten auftretenden Längenskalen (Kolmogorov
Länge) aufgelöst, spricht man von einer „Direkten Numerischen
Simulation“.
Genaue
Simulationen dauern Jahre
Trotz der dramatischen Entwicklung im Computer- sowie
im Softwarebereich sind aber bei einem komplexen technischen
Problem diese Wirbel bei weitem nicht auslösbar, die Anzahl
der benötigten Punkte im Raum, die notwendig sind, um
auch die kleinsten Skalen zu erfassen, wäre so groß, daß
eine solche Berechnung selbst auf heutigen Superrechnern
noch Jahrzehnte dauern würde. Deshalb zählt die Berechnung
turbulenter Strömungen sicherlich noch für viele Jahre
zu den „Great Challenges“ in der Simulationstechnik. Da
die exakte Strömung für technische Probleme nicht zu errechnen
ist und der Ingenieur ohnehin meist nur am mittleren Strömungsverhalten
interessiert ist, werden gemittelte Berechnungen für die
Hauptströmung durchgeführt. Die kleinen turbulenten Wirbelstrukturen
werden dabei rechnerisch nicht erfaßt, sondern es wird
lediglich ihr Einfluß auf die Hauptströmung mittels empirischer
Modelle, den sogenannten Turbulenzmodellen, beschrieben.
Die Entwicklung und Verbesserung solcher Modelle ist ein
Gegenstand aktueller Forschung. Damit gelingt es, die
Hauptströmung für viele technische Problemstellungen,
wie etwa für Prozeßoptimierungen, genügend genau vorherzusagen.
Trotz dieser „Vereinfachung“ erfordern komplexe technische
Problemstellungen die Lösung der Grundgleichungen für
mehrere Miollionen Punkte im Raum und für viele Zeitschritte.
Dies kann nur auf modernen Höchstleistungsrechnern in
vertretbarer Zeit durchgeführt werden. Die Strömungsberechnung
liefert für jeden berechneten Punkt im Raum Zahlenwerte
für Druck, Geschwindigkeiten, Temperatur usw. Um sich
daraus rasch ein Bild der Strömung machen zu können, bedarf
es umfassender Visualisierungstools und moderner Technik,
wie z. B. einer „Virtual-Reality“-Umgebung. Da die Berechnungen
auf empirischen Modellen beruhen, werden auch künftig
immer noch Messungen notwendig sein. Durch ein abgestimmtes
Zusammenwirken von Simulation und Experiment wird aber
ein sehr viel effizienteres Arbeiten ermöglicht und die
Anzahl aufwendiger Experimente deutlich reduziert. Die
Abbildung auf dieser Seite zeigt die Strömung in einer
axialen Wasserturbine. Eine Schwierigkeit für die Simulation
von Turbomaschinen dieser Art besteht darin, daß sie aus
einem feststehenden Leitrad (Stator) und einem rotierenden
Laufrad (Rotor) bestehen. Dadurch wird die Strömung instationär
und die einzelnen Schaufeln werden dynamisch beansprucht.
Da sich das Laufrad auch gegenüber dem äußeren Gehäuse
bewegt, ergibt sich eine zusätzliche Strömung durch den
daraus entstehenden Trennspalt. Betrachtet man die Strömung
im Laufrad zu einem bestimmten Zeitpunkt, so erkennt man,
daß die Strömung durch den Spalt am Laufradaustritt zu
einen Wirbel führt (Spaltwirbel). Das zeigt, daß eine
große Querströmung vorliegt, die zu unnötigen Verlusten
führt. Die Laufradgeometrie mußte also noch deutlich verbessert
werden. Erst dadurch konnte eine deutliche Wirkungsgradsteigerung
der Turbine erreicht werden.
KONTAKT
Dr.-Ing.
A. Ruprecht, Institut für Strömungsmechanik und Hydraulische
Strömungsmaschienen, Tel: 0711/685-3256 e-mail: ruprecht@ihs.uni-stuttgart.de