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Stuttgarter unikurier Nr. 87 April 2001
Physik auf schnellen Rechnern:
Wozu sind Computerexperimente gut?
 

„Panta Rhei“ - Alles fließt: Mit dieser Formel wies Heraklit bereits vor mehr als 2500 Jahren auf die Bedeutung von Strömungen zur Erklärung der physikalischen Welt hin. Und auch für Beobachtungen und Analysen des Strömungsverhaltens gibt es zahlreiche historische Beispiele. Bekannt sind etwa die Analysen von Leonardo da Vinci geworden, von denen eine rechts abgebildet ist. Vor allem in der Energietechnik kommt der Analyse des Strömungsverhaltens heute eine entscheidende Rolle zu. Betrachtet man zum Beispiel ein mit fossilen Brennstoffen betriebenes Kraftwerk, so dominieren Strömungsvorgänge die Funktionen aller wesentlichen Bauteile vom Brenner, Feuerraum und dem Wärmetauscher bis zur Turbine. Und so bildet die Strömungsmechanik auch einen wichtigen Forschungsschwerpunkt für mehrere Mitglieder des Zentrums für Energieforschung Stuttgart (ZES). Beobachtungen und Messungen werden allerdings heute zunehmend durch Computersimulationen ersetzt, weil dadurch schnellere und kostengünstigere Vorhersagen möglich sind.

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Bei der numerischen Strömungsberechnung werden, vereinfacht ausgedrückt, für jeden Punkt im Raum die physikalischen Grundgleichungen (Massen-, Impuls- und Energieerhaltung) gelöst. Ein großes Problem besteht darin, daß fast alle technisch relevanten Strömungen turbulent sind. Eine turbulente Strömung ist gekennzeichnet durch stochastische Wirbelstrukturen unterschiedlichster Größe. Betrachtet man zum Beispiel den aufsteigenden Rauch bei einer Zigarette, so erkennt man unmittelbar über der Glut einen geordneten Verlauf, die Strömung ist laminar. Bald darauf jedoch bilden sich chaotische Wirbelstrukturen, die Strömung wird turbulent. Die großen Wirbel zerfallen in immer kleinere Strukturen, bis schließlich von den kleinsten Wirbeln die Bewegungsenergie durch die viskose Reibung in Wärme aufgelöst wird. Da also die kleinsten auftretenden Wirbel wesentlich das Reibungsverhalten prägen, müssten diese Wirbel bei einer Berechnung genau erfaßt werden. Werden alle diese Wirbel bis zu den kleinsten auftretenden Längenskalen (Kolmogorov Länge) aufgelöst, spricht man von einer „Direkten Numerischen Simulation“.

Genaue Simulationen dauern Jahre
Trotz der dramatischen Entwicklung im Computer- sowie im Softwarebereich sind aber bei einem komplexen technischen Problem diese Wirbel bei weitem nicht auslösbar, die Anzahl der benötigten Punkte im Raum, die notwendig sind, um auch die kleinsten Skalen zu erfassen, wäre so groß, daß eine solche Berechnung selbst auf heutigen Superrechnern noch Jahrzehnte dauern würde. Deshalb zählt die Berechnung turbulenter Strömungen sicherlich noch für viele Jahre zu den „Great Challenges“ in der Simulationstechnik. Da die exakte Strömung für technische Probleme nicht zu errechnen ist und der Ingenieur ohnehin meist nur am mittleren Strömungsverhalten interessiert ist, werden gemittelte Berechnungen für die Hauptströmung durchgeführt. Die kleinen turbulenten Wirbelstrukturen werden dabei rechnerisch nicht erfaßt, sondern es wird lediglich ihr Einfluß auf die Hauptströmung mittels empirischer Modelle, den sogenannten Turbulenzmodellen, beschrieben. Die Entwicklung und Verbesserung solcher Modelle ist ein Gegenstand aktueller Forschung. Damit gelingt es, die Hauptströmung für viele technische Problemstellungen, wie etwa für Prozeßoptimierungen, genügend genau vorherzusagen. Trotz dieser „Vereinfachung“ erfordern komplexe technische Problemstellungen die Lösung der Grundgleichungen für mehrere Miollionen Punkte im Raum und für viele Zeitschritte. Dies kann nur auf modernen Höchstleistungsrechnern in vertretbarer Zeit durchgeführt werden. Die Strömungsberechnung liefert für jeden berechneten Punkt im Raum Zahlenwerte für Druck, Geschwindigkeiten, Temperatur usw. Um sich daraus rasch ein Bild der Strömung machen zu können, bedarf es umfassender Visualisierungstools und moderner Technik, wie z. B. einer „Virtual-Reality“-Umgebung. Da die Berechnungen auf empirischen Modellen beruhen, werden auch künftig immer noch Messungen notwendig sein. Durch ein abgestimmtes Zusammenwirken von Simulation und Experiment wird aber ein sehr viel effizienteres Arbeiten ermöglicht und die Anzahl aufwendiger Experimente deutlich reduziert. Die Abbildung auf dieser Seite zeigt die Strömung in einer axialen Wasserturbine. Eine Schwierigkeit für die Simulation von Turbomaschinen dieser Art besteht darin, daß sie aus einem feststehenden Leitrad (Stator) und einem rotierenden Laufrad (Rotor) bestehen. Dadurch wird die Strömung instationär und die einzelnen Schaufeln werden dynamisch beansprucht. Da sich das Laufrad auch gegenüber dem äußeren Gehäuse bewegt, ergibt sich eine zusätzliche Strömung durch den daraus entstehenden Trennspalt. Betrachtet man die Strömung im Laufrad zu einem bestimmten Zeitpunkt, so erkennt man, daß die Strömung durch den Spalt am Laufradaustritt zu einen Wirbel führt (Spaltwirbel). Das zeigt, daß eine große Querströmung vorliegt, die zu unnötigen Verlusten führt. Die Laufradgeometrie mußte also noch deutlich verbessert werden. Erst dadurch konnte eine deutliche Wirkungsgradsteigerung der Turbine erreicht werden.

KONTAKT
Dr.-Ing. A. Ruprecht, Institut für Strömungsmechanik und Hydraulische Strömungsmaschienen, Tel: 0711/685-3256 e-mail: ruprecht@ihs.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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