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Stuttgarter unikurier Nr. 87 April 2001
Ein Besuch in der Abteilung Wärmerohre:
Energietransport ohne Pumpe und Lüfter
 

Der Boiler zischt und füllt die Kaffeetasse mit kochend heißem Wasser. Der Besucher, ein mittelständischer Unternehmer, schaut noch besorgt und nimmt nur zögernd das einer Stricknadel ähnelnde Metallstäbchen in die Hand: „Werde ich mir jetzt die Finger verbrennen?“, fragt er skeptisch. Nach etwas Zuspruch taucht er das Ende ein wenig in das siedend heiße Wasser, nur um es schnell wieder herauszuziehen - zu heiß. Anschließend wird der „Test“ mit kaltem Wasser wiederholt, um die Finger ebenso schnell wieder zu kühlen. Was der Besucher hier „hautnah“ erfahren hat, sind die Haupteigenschaften eines sogenannten „Wärmerohrs“: die extrem gute Wärmeleitfähigkeit bei praktisch vernachlässigbarer Wärmespeicherung. Ein massives Kupferröhrchen zum Vergleich - und Kupfer ist einer der besten metallischen Wärmeleiter - hätte sich bei dem Test lediglich um wenige Grad erwärmt und dies auch nur sehr langsam.

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Auf manchen Schränken im Labor stapeln sich meterweise Metallrohre, angefangen von wenigen Millimetern bis über 20 Zentimeter Durchmesser. Manche besitzen auf ihrer Innenseite Rillen, die meisten sind glatt. Zwischen den Tischen und Regalen stehen seltsame, undefinierbare mit Kabelbündel verbundene Aufbauten nach Flash-Gordon-Manier von Tisch- bis Schrankwandgröße. „Musikalisch” wird alles von einem Orchester ratternder Vakuumpumpen begleitet. Der Laborbereich „Wärmerohr“ wirkt auf den Besucher eher wie eine Mischung aus Werkstatt und Technikmuseum als ein Forschungslabor für hochpräzise Einzelanfertigungen. „Wozu werden Wärmerohre bevorzugt eingesetzt?”, interessiert den Unternehmer. Die allgemeine Antwort, zur Temperaturkontrolle und zum unmittelbaren Wärmetransport von „A“ nach „B“, also von einer Wärmequelle zu einer Wärmesenke, beantwortet seine Frage noch nicht. Eher schon ein Anwendungsfall wie die Leistungstransistorkühlung. Wer sich einmal die Finger an der Gehäuserückwand eines Stereoverstärkers verbrannt hat , weiß um die auch in haushaltsüblichen Geräten anfallende Wärmeproduktion. Ein teurer Stereoverstärker kann es durchaus mit dem 1kW-Heizlüfter aufnehmen. Die eigentlichen Wärmequellen sind dabei meistens auf berippte Kühlbleche montierte Leistungstransistoren oder elektrische Widerstände. Die Rippen vergrößern die Wärmeübertragungsfläche, aber diese Kühlkörper lassen sich sinnvoll nicht unbeschränkt vergößern; die maximal mögliche Wärmeabgabe ist begrenzt. Anders dagegen die Technologie der Wärmerohre; hier kann noch nahezu beliebig verbessert werden!

Studium der Energietechnik

Die Wichtigkeit und Komplexität der Energietechnik erfordert eine moderne und qualifizierte Ausbildung. Neben dem Studium des Maschinenbaus und der Elektrotechnik, in dem viele Schwerpunktfächer aus der Energietechnik angeboten werden, hat die Universität Stuttgart vor wenigen Semestern auch einen eigenständigen Studiengang „Energie- und Anlagentechnik“ eingerichtet. Ziel dieses Studiengangs ist eine zukunftsorientierte Ingenieurausbildung mit einem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Energiewandlung und der rationellen und umweltfreundlichen Verwendung der Energie. Es werden innovative und zukunftsweisende Techniken sowohl zur regenerativen Energieerzeugung als auch für konventionelle Anlagen behandelt. Besonderen Wert wird bei der Ausbildung auf die Vermittlung der Zusammenhänge zwischen Natur, Technik, Ökonomie und Ökologie gelegt sowie auf eine ganzheitliche Betrachtung und Bewertung technischer Anlagen. Der Studiengang ist daher interdisziplinär angelegt mit Schwerpunkten in den Fakultäten Energietechnik, Elektrotechnik und Informationstechnik.

KONTAKT
Studiendekan Prof. Dr.-Ing. Jochen Wiedemann, Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen, Pfaffenwaldring 12, Tel: 0711/685-5600, e-mail: wiedeman@ivk.uni-stuttgart.de

An den im Labor lagernden Rohren und Metallnetzen wird dem Besucher die Funktionsweise eines Wärmerohrs erklärt: In einem geschlossenen Behälter, z.B. einem Kupferrohr, befinden sich eine Flüssigkeit und ihr Dampf in einem thermodynamischen Gleichgewicht, d.h. der Dampf und die Flüssigkeit besitzen dieselbe Temperatur und denselben Druck. Die Flüssigkeit ist in einer an der Rohrwand haftenden Kapillarstruktur eingebracht - sehr häufig Metallnetze, einem „Küchenflies” ähnlich. Wird an einer Stelle von außen Wärme zugeführt, z.B. durch Eintauchen in heißes Wasser, so verdampft Flüssigkeit aus der Kapillarstruktur und nimmt dabei die Wärme auf. Aufgrund kleinster Druckunterschiede strömt der Dampf in Richtung der kühlsten Stelle, im beschriebenen Fall zu den Fingern. Im Bereich dieser Wärmesenke kondensiert der Dampf in die Kapillarstruktur zurück und gibt dadurch die vormals aufgenommene Wärme wieder ab. Die Flüssigkeit strömt aufgrund der Kapillarkräfte in der Kapillarstruktur zurück zum Heizer und schließt so den Stofftransportkreislauf. Was ein Wärmerohr durch den Trick mit der Kapillarstruktur schafft, nämlich den Flüssigkeitstransport mittels Kapillarkräften, erforderte ansonsten vergleichsweise anfällige, teure und stromfressende mechanische Pumpen und Lüfter. Anfassen darf der Besucher die im Labor lagernden Rohre allerdings nicht mehr. Nicht um das Wissen zu schützen -, die wesentlichen Grundlagen der Technologie sind in über 30 Jahre alten Büchern nachzulesen - sondern um die Strukturoberflächen vor noch so gründlich gewaschenen Händen zu schützen. Bereits geringste Verunreinigungen der Strukturoberflächen oder der Arbeitsflüssigkeit können ein Wärmerohr unbrauchbar machen. Wird Wasser als Arbeitsflüssigkeit im Wärmerohr verwendet und die darin gelöste Luft nicht vollständig entfernt, bildet sich mit Sicherheit ein Luftpolster, das wie eine Wärmebarriere wirkt. Daher auch die Vakuumpumpen. Denn ein Wärmerohr muß vor der Befüllung vollständig evakuiert, d.h. luftleer gepumpt werden.

In sogenannten „Gloveboxen“ werden im Labor die kritischeren Arbeitsflüssigkeiten wie die Metalle Cäsium, Natrium oder Lithium unter Edelgasatmosphäre aufbewahrt. „Wieso Metall?“ fragt der Besucher. Metall ist nur eines der Arbeitsmittel, speziell für den Hochtemperaturbereich. Die verwendeten Flüssigkeiten müssen der Erstarrungstemperatur und der maximal (kritischen) Temperatur, bei der ein Stoff noch flüssig sein kann, angepaßt sein. Es können also verflüssigte Gase wie Stickstoff für sehr tiefe Temperaturen eingesetzt werden, während Wasser oder ähnliche Flüssigkeiten für moderate Temperaturen in Frage kommen, oder eben geschmolzene Metalle wie beispielsweise Natrium für sehr hohe Temperaturen gebraucht werden. Eben je nach Anwendungsfall. Zum Schluß wird dem Besucher eines der neuen Forschungsprojekte demonstriert: eine unscheinbare verkabelte transparente Kunststoffbox in Schuhschachtelgröße. Doch hier handelt es sich um eine Testvorrichtung zur Leistungsuntersuchung von Metallkeramikwärmerohren. Anders als Wissenschaftler in den USA, die versuchen, Mikrowärmerohre in Siliziumchips zu integrieren, versucht man in Stuttgart, mehrere blanke Siliziumchips direkt auf einer gemeinsamen wärmeleitenden Platine zu montieren. Bisher werden dazu vergleichsweise teure, aber hervorragend wärmeleitende Diamantplättchen verwendet. Dies lohnt sich alledings nur in den seltensten Fällen, etwa zur Temperaturkontrolle von leistungsstarken Laserdioden. Sollen aber einmal dutzende Chips auf einer großen Fläche montiert werden, dann sind die Stuttgarter Platinen tatsächlich besser als Diamant!

KONTAKT
Marcus Schneider, Institut für Kernenergetik und Energiesysteme, Abteilung Energiewandlung und Wärmetechnik, Tel: 0711/685-2422

 


last change: 27.04.01 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart

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