Stuttgarter unikurier
Nr. 87 April 2001 |
„Terrastock
2000“:
Internationale
Konferenz für thermische Energiespeicherung |
An
heißen Sommertagen ist uns Wärme gelegentlich lästig,
im Winter hätten wir gern mehr davon. Fast die Hälfte
der verfügbaren Energie wird in unseren Breiten jährlich
für Heizung verbraucht. Die Idee, Wärme zu speichern,
ist nicht neu: schon unsere Vorfahren haben sich massive
Steinhäuser gebaut. Die Steine speichern Wärme im Winter,
ebenso nächtliche Kälte an Sommertagen. Früher war es
verbreitet, sich in Winternächten gewärmte Ziegelsteine
ins Bett zu legen. Manche kennen vielleicht noch die frühere
Praxis von Brauereien, im Winter Eiszapfen an Gestellen
wachsen zu lassen und diese in Kellern zu lagern, um das
Bier im Sommer kühl zu halten. - Die technische Entwicklung
hat solche Verfahren längst überholt, nicht jedoch die
Idee der Wärmespeicherung und das zugrundeliegende physikalische
Prinzip. Vom 28. August bis zum 1. September trafen sich
rund 200 Experten aus 20 Ländern an der Universität Stuttgart
zur achten internationalen Konferenz für Wärmespeicherung.
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Solar
unterstützte Nahwärmeversorgung mit Langzeit-Wärmespeicher
in Friedrichshafen (Bild 1) |
Die
Universität Stuttgart war von der Internationalen Energie-Agentur
als Tagungsort der International Conference on Thermal
Energy Storage (Terrastock 2000) ausgewählt worden, da
das hiesige Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik
(ITW) sich schon seit einigen Jahrzehnten mit Wärmespeicherung
beschäftigt und auf dem Sektor der saisonalen Wärmespeicherung
eine führende Rolle in Deutschland einnimmt. Nicht zuletzt
ist der erste Langzeit-Wärmespeicher in Deutschland, ein
künstlich errichteter Kies/Wasser-Wärmespeicher, dort
angesiedelt. Dieser Speicher und seine Anbindung an ein
Feld von Solarkollektoren auf dem Dach des Institutsgebäudes
auf dem Uni-Campus in Vaihingen wurde zum Pilotprojekt
für viele „solare Nahwärmeanlagen“ in Deutschland. Über
die Notwendigkeit der Speicherung von thermischer Energie
wird schon lange nicht mehr diskutiert, sie gilt in vielen
Bereichen als wesentlich. Lösungen von der Kurzzeit- bis
zur Langzeit-Wärmespeicherung existieren auf dem Markt,
das Speicherverfahren unterscheidet sich jedoch nach dem
gewählten physikalischen Prinzip (Speicherung fühlbarer
Wärme, latenter Wärme oder thermochemische Speicherung).
Ist das Prinzip festgelegt, gibt es noch zahlreiche Möglichkeiten,
insbesondere bei der Wahl des Speichermediums. Dies zeigte
sich auch in den wissenschaftlichen Beiträgen zur Tagung;
es gab Verfechter aller Arten der Wärmespeicherung, auch
die Verwendung eines bevorzugten Speichermaterials war
nicht auszumachen. Die Tagung gab einen Überblick über
die internationalen Arbeiten auf dem Gebiet der Wärmespeicherung
und Einblick in die nationalen Aktivitäten. In Einzelvorträgen
wurden Spezialgebiete der Wärmespeicherung behandelt.
Ergänzend zu Berichten aus der Forschung wurden Ergebnisse
von Laboruntersuchungen, jedoch auch bereits realisierter
Wärmespeicher vorgestellt. Dieser Bezug zum Markt, zu
Herstellern und Anwendern, wurde auch durch die begleitend
veranstaltete Fachmesse deutlich. Ein Schwerpunkt war
die „saisonale Wärmespeicherung“, also die Speicherung
von Wärme für Zeiten des Mangels über einen längeren Zeitraum.
Der Gedanke ist nicht neu; doch erst seit etwa fünf Jahren
sind in Deutschland Wärmeversorgungssysteme mit Langzeit-Wärmespeichern
in Betrieb. Hierbei handelt es sich um solar unterstütze
Nahwärmeversorgungssysteme, die meist Wärme für Wohnsiedlungen
mit mindestens 100 Wohneinheiten liefern. Die zeitliche
Verschiebung zwischen Solarstrahlungsangebot im Sommer
und maximalem Wärmebedarf im Winter wird über die saisonale
Wärmespeicherung ausgeglichen. Die deutschen Pilotanlagen
sind auf solare Deckungsanteile von 40 bis 60 Prozent
des Gesamtwärmebedarfs ausgelegt. Bild 1 zeigt das Schema
der Pilotanlage in Friedrichshafen. Die von den Sonnenkollektoren
gewonnene Wärme wird über das Solarnetz zur Heizzentrale
transportiert und bei Bedarf direkt an die Gebäude verteilt.
Die Kollektoren sind auf den Dächern der Wohngebäude montiert,
der saisonale Wärmespeicher ist in das Gelände der Siedlung
integriert. Die im Sommer anfallende Überschußwärme wird
in den saisonalen Wärmespeicher eingespeist und im Herbst
und Winter zur Heizung und Trinkwassererwärmung genutzt.
Langzeit-Wärmespeichertypen.
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Für
das Konzept der Langzeit-Wärmespeicherung wurden im wesentlichen
vier Bau-Varianten entwickelt (siehe Bild 2). Neben dem
Heißwasser-Wärmespeicher ist dies der Kies/Wasser-, der
Erdsonden- und der Aquifer-Wärmespeicher. Die Entscheidung
für einen bestimmten Speichertyp hängt von den örtlichen
Gegebenheiten und insbesondere von den geologischen und
hydrogeologischen Verhältnissen im Untergrund des Standorts
ab.
Wärmespeicherung
als Herausforderung
Das ITW forscht gemeinsam mit weiteren Einrichtungen an
der Weiterentwicklung der Speicherkonzepte. Durch die
wissenschaftliche Begleitung der realisierten Wärmespeicher
in Hamburg, Friedrichshafen, Neckarsulm, Steinfurt-Borghorst,
Chemnitz, Rostock und Hannover soll die Funktionstüchtigkeit
demonstriert werden; gleichzeitig sollen durch die Vermessung
Vorhersagen über den Betrieb zuverlässiger werden. Während
in Deutschland solche Systeme ihre Leistungsfähigkeit
gerade erst beweisen, gibt es in den Niederlanden bereits
über 100 Aquifer-Wärmespeicher, in Skandinavien, vor allem
in Schweden, weitere Dutzend Wärmespeicher, die zuverlässig
ihren Dienst erfüllen. Trotzdem, so war die einstimmige
Meinung der Vortragenden, gilt es auch dort weiter zu
forschen, die Kosten zu senken und die Effektivität der
Speicher zu steigern, um sich am Markt zu etablieren.
Es sind nicht nur die großen Speicher, die den Wissenschaftlern
Kopfzerbrechen bereiten; auch bei den kleinen, etwa für
Einfamilienhäuser, gibt es noch das eine oder andere Problem.
Wie kann man beispielsweise die Temperaturschichtung verbessern
oder die Leistungsfähigkeit festlegen und in einen europäischen
Teststandard bringen? Diskutiert wurden auch neue „Latent-Speichermaterialien“,
die beim Schmelzen und Verfestigen Wärme aufnehmen oder
freisetzen und fast ebenso bequem zu handhaben sind wie
Wasser. „Die Speicherung von Wärme ist eine Herausforderung,
für die die Menschheit in Zukunft Antworten finden muß.
Terrastock 2000 lieferte dazu einen Beitrag“, faßte Tagungsleiter
Prof. Dr.-lng. Erich Hahne das Ergebnis zusammen. Die
Konferenz wurde unter anderem mit Mitteln des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie unterstützt.
M.
Benner, E. Hahne
Der
Tagungsband ist für 80,- DM (+ Verpackung und Porto) am
Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik erhältlich
(Pfaffenwaldring 6, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-3536,
Fax 0711/685-3503, e-mail:
terrastock@itw.uni-stuttgart.de). Weitere Informationen
unter www.itw.uni-stuttgart.de/terrastock
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