Der
wissenschaftliche Teil auf dem Uni-Campus in Vaihingen
umfaßte etwa 150 Poster und weit über 100 Vorträge in
fünf parallelen Sitzungen. Die Präsentationen behandelten
nahezu alle Aspekte der Geologie Lateinamerikas und alle
aktuellen Umweltprobleme. Zahlreiche Nachwuchswissenschaftler
erhielten bei 30 Übersichtsreferaten Gelegenheit, ihre
Arbeit zu präsentieren und so den Grundstein für ihre
Karriere zu legen. Als Neuerung hatte Tagungsleiter Prof.
Hartmut Seyfried einstündige wissenschaftliche Streitgespräche
eingeführt. Dabei ging es um drei Fragen, auf die es bis
heute noch keine über-zeugende Antwort gibt: „Warum sind
die Anden ein so mächtiges Gebirge?“, „Waren Nord- und
Südamerika früher ein gemeinsamer Kontinent?“ und die
„Entstehung der Karibik“. Obwohl vorab etwas mißtrauisch
beäugt, wurden diese Streitgespräche von den Teilnehmern
enthusiastisch angenommen. Da die strittigen Themen in
kurzer Zeit von den unterschiedlichsten Seiten beleuchtet
wurden, konnten auch Außenstehende einen hohen Grad an
Informationsdichte aus diesen Debatten ziehen. Diskussionsteilnehmer
und Zuhörer waren sich einig, daß diese Art von Streitgesprächen
fortgesetzt werden sollte. Als Detail am Rande sei hier
erwähnt, daß die Teilnehmer der drei Runden spontan und
ohne Zutun des Tagungsleiters einmal auf deutsch, dann
auf spanisch und in der letzten Runde schließlich auf
englisch debattierten.
Rezzo
Schlauch: Rolle der Verwaltung bei Beseitigung der Armut
Besonderen Zuspruch erfuhren die beiden Abendveranstaltungen
des Kongresses mit jeweils rund 250 Gästen, ein Empfang
im Institut für Geologie und Paläontologie im Herdweg
51 und eine festliche Abendveranstaltung im Staatlichen
Museum für Naturkunde am Löwentor. Den öffentlichen Festvortrag
zum Thema „Lateinamerika zwischen Globalisierung und Ökologisierung“
hielt in diesem Rahmen Rezzo Schlauch, Fraktionsvorsitzender
der Grünen im Deutschen Bundestag. Insbesondere zwei Punkte
der simultan ins Spanische übersetzten Rede erregten Aufmerksamkeit.
Zum ersten die Tat-sache, daß ein führender deutscher
Politiker im Detail die Konsequenzen erläuterte, die sich
aus dem Lernprozeß der letzten Jahre ergeben haben: Weg
von der unseligen „Entwicklungshilfe“-Politik und hin
zu einer partnerschaftlichen Beziehung. In diesem Zusammenhang
kam auch der Hinweis auf die oft vergessene Tatsache,
daß die Wirt-schaftskraft Lateinamerikas diejenige Chinas
um mehr als das Dreifache übertrifft, sehr gut an. Der
zweite, insbesondere von den Teilnehmern aus Lateinamerika
anschließend intensiv diskutierte Punkt war der Hinweis
darauf, daß eine gut funktionierende und transparente
Verwaltung die Grundvoraussetzung für die Beseitigung
der Armut ist. Jeder, der schon einmal in Lateinamerika
gelebt hat, weiß Geschichten über Willkür und Schwerfälligkeit
zu erzählen. Es kam sehr gut an, daß Rezzo Schlauch dies
nicht im Stil besserwisserischer Standard-Ermahnungen
vortrug, wie sie immer wieder aus den in-dustrialisierten
Ländern zu hören sind, sondern als gut nachvollziehbaren
Hinweis auf ein offensichtliches - und vor allem lösbares
- Problem, das die Lateinamerikaner aus eigener Kraft
meistern können und müssen.
Tango
Argentino
Anschließend gaben Tagungsleiter Prof. Seyfried und seine
Partnerin Birgit Wälder eine Kostprobe ihrer langjährigen
gemeinsamen Leidenschaft, des Tango Argentino. Diese von
stehenden Ovationen begleitete Vorführung beeindruckte
vor allem die zahlreichen argentinischen Gäste. In den
Pausen sorgte eine mexikanische Mariachi-Kapelle für Stimmung,
bis schließlich einige Teilnehmer aus Kuba ihrem Temperament
freien Lauf ließen und mit einer nicht enden wollenden
Guantanamera, bei der mehr als 15 Ta-gungsteilnehmer mit
zum Teil höchst geistreichen Stegreifreimen brillierten,
für einen unvergeßlichen Abschluß des Abends sorgten.
Die Mitarbeiter des Instituts für Geologie und eine große
Zahl studentischer Hilfskräfte haben mit viel Engagement
diese organisatorische Herausforderung gemeistert und
erhielten von den Teilnehmern viel Lob für permanente
Präsenz und intensive dreisprachige Betreuung. Die Universität
Stuttgart, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung
und Kunst, die Vereinigung von Freunden der Universität
und die Deutsche Forschungsgemeinschaft haben es ermöglicht,
die Tagung durchzuführen und zahlreiche lateinamerikanische
Wissenschaftler mit Reisebeihilfen zu unterstützen. Besonders
erfreulich war, daß auch in Zeiten knapper Kassen eine
große Zahl von Unternehmen den Kongreß bereitwillig und
großzügig gefördert haben.
Elmar
Buchner/uk
KONTAKT
Prof. Dr. Hartmut Seyfried, Institut für Geologie und
Paläontologie, Herdweg 51, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-1339,
-1321, Fax 0711/121-1341, e-mail: hartmut.seyfried@geologie.uni-stuttgart.de