„Bauen
ohne Architekten“
Die 20-Millionen-Metropole Mexiko-Stadt ist eine der
größten Städte der Welt und deshalb besonders geeignet,
deutsche Studenten mit dem Chaos, aber auch mit der Vitalität
schnell wachsender Megastädte zu konfrontieren. Das „Bauen
ohne Architekten“ war das Thema einer Exkursion nach Mexiko-Stadt.
Gemeinsam mit Studierenden der Universidad Autónoma Metropolitanan
(UAM) wurden einige informelle Stadtrandgebiete untersucht
und aufgemessen, um die Leistungsfähigkeit, aber auch
die Grenzen des massenhaften Selbsthilfe-Städtebaus zu
dokumentieren. Die Fallstudien waren Teil eines DFG-geförderten
Forschungsprojekts, das sich mit der langfristigen Entwicklung
von Spontansiedlungen beschäftigt. Das Thema der „wachsenden
Häuser“ wurde in Stuttgart weiter vertieft, wobei die
Entwürfe zeigen, daß das spontane Bauen auch unserer hochentwickelten,
aber auch oft überregulierten Baukultur wertvolle Anregungen
geben kann.
Workshops
in Südamerika
Eine andere Exkursion führte nach Brasilien, zunächst
nach Rio de Janeiro, wo es einige interessante Städtebau-Projekte
gibt: Hauptziel der Reise war jedoch die südbrasilianische
Hafenstadt Porto Alegre, um gemeinsam mit Studenten der
Universidade Federal de Rio Grande do Sur (UFRGS) einen
Entwurfsworkshop zu realisieren. Bearbeitet wurde ein
100 Hektar großes Hafen- und Eisenbahngelände in unmittelbarer
Nähe des Zentrums, das als neue „Waterfront“ ein enormes
Potential für die Stadtentwicklung von Porto Alegre besitzt.
Dabei nahmen die Stadtplaner, Presse und Öffentlichkeit
von Porto Alegre regen Anteil am Workshop und seinen Ergebnissen.
Die Exkursion führte weiter nach nach Buenos Aires, Montevideo
und Sao Paulo, wobei die historischen Altstädte und die
Architektur-Klassiker der lateinamerikanischen Moderne
auf dem Programm standen. In Stuttgart wurde das Workshop-Thema
„Waterfront Porto Alegre“ in Entwürfen und Diplomarbeiten
fortgeführt, wobei eine umfangreiche Ideensammlung entstand.
Neue
Wohnformen in Europa
Ein universitärer Austausch ist keine Einbahnstraße; bereits
im Juni gab es einen Gegenbesuch in Stuttgart. Zwei Wochen
lang beschäftigten sich deutsche und brasilianische Studenten
mit neuen Wohnformen in Europa. Hierzu gehörten Vorträge
am Städtebau-Institut, Projektbesuche in Stuttgart, Tübingen
und Freiburg sowie ein kurzer Entwurfsworkshop, in dem
ein Industrieareal am Neckar bearbeitet wurde. Wie in
Porto Alegre waren in Stuttgart die brasilianischen Studenten
bei ihren deutschen Kommilitonen untergebracht, die auch
für ein intensives Freizeitprogramm sorgten. Die brasilianische
Gruppe schloß an den Stuttgarter Aufenthalt eine vom DAAD
organisierte Deutschland-Rundreise an.
Exotische
Baukultur in Oman
Zugang zu einer exotischen Baukultur bekamen Stuttgarter
Architekturstudenten bei einer Exkursion im Oman. Auch
diese stand im Zusammenhang mit einem Forschungsprojekt,
das den Strukturwandel in Oasenstädten untersucht. Der
Aufenthalt wurde zusammen mit der Sultan Quaboos University
und omanischen Studenten realisiert. Die traditionell
geprägte Kultur und das extreme Klima waren eine Herausforderung
für die Gruppe, insbesondere bei den Feldarbeiten in den
abgelegenen Oasen. Belohnt wurden die Teilnehmer durch
die Einblicke in eine uralte Kultur, die aber akut gefährdet
ist, weil die Menschen zunehmend die Oasen verlassen und
in die Städte ziehen. Die anschließend in Stuttgart bearbeiteten
Entwürfe und die Forschungsergebnisse wurden kürzlich
in der Hauptstadt Muscat präsentiert, eine erweiterte
Ausstellung wird im Herbst dieses Jahres folgen.
Städtewachstum
in Ostasien
Eine Exkursion nach Shanghai und Peking hatte zum Ziel,
die Studierenden mit den explosiv wachsenden Städten Ostasiens
zu konfrontieren. Die Exkursion begann in Shanghai, derzeit
die größte Baustelle der Welt, wo mit dem Megaprojekt
Pudong ein gewaltiger Kraftakt unternommen wird, um die
Hafenstadt in wenigen Jahren in eine moderne „world city“
zu verwandeln. Dem rigorosen Stadtumbau fallen allerdings
viele historische Quartiere zum Opfer, insbesondere die
traditionellen Hofhausviertel in Peking werden großflächig
abgerissen und neu bebaut. Diese Altstadtviertel oder
„Hutongs“ waren das Thema eines Workshops, der in Zusammenarbeit
mit der Tongji-University in Shanghai und dem College
of Civil Engineering and Architecture in Peking zustande
kam. Zehn Tage lang enwickelten deutsche und chinesische
Studenten gemeinsam Vorschläge, wie die alten Quartiere
teilweise erhalten, teilweise aber auch neu und dicht
bebaut werden könnten, ohne den historischen Kontext zu
zerstören. „Vom Hofhaus zum Hochhaus“ heißt der Entwurf,
der am Städtebau-Institut bearbeitet wird.
Kooperation
mit Algerien
Eine enge und langjährige Beziehung gibt es zur École
Polytechnique d´Architecture et d´Urbanisme in Algier,
wo es in den letzten Jahren aufgrund der politischen Lage
aber unmöglich war, gemeinsame Studienprojekte zu realisieren.
Um dennoch die Kontakte mit diesem wichtigen Mittelmeerland
zu stärken, traf sich im November eine deutsche, algerische
und französische Studentengruppe zu einem Workshop in
Marseille. Thema war der riesige Hafen, der wie viele
andere Industriehäfen in Europa teilweise funktionslos
geworden ist und auf neue Nutzungen wartet. Viele Reisen
finden innerhalb von Kooperations- und Forschungsprojekten
ohne Studenten statt, wobei aber immer nach Möglichkeiten
gesucht wird, die Kontakte auch für zukünftige Studienprojekte
zu nutzen. Das ist auch in Nepal der Fall, wo es mindestens
ein Dutzend Architekten und Stadtplaner gibt, die das
Stuttgarter Aufbaustudium „Infrastructure Planning“ absolviert
haben. Mit Unterstützung dieser Alumni ist eine Nepal-Exkursion
und ein Workshop in der Altstadt von Katmandu geplant.
Eine weitere Exkursion steht im Frühjahr an, die vor allem
nach Guadalajara in Mexiko führen wird, wo gemeinsam mit
mexikanischen Studenten ein Städtebau-Projekt bearbeitet
wird. Eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung von Exkursionen
spielen die Doktoranden des Städtebau-Instituts, die aus
China, Ägypten, Syrien und anderen Ländern kommen, das
gleiche gilt für die ausländischen Gastdozenten, die sich
fast ständig am Städtebau-Institut aufhalten. So fehlt
es nicht an Internationalisierung, eher schon an Zeit
und Mitteln, die vielen Kontakte auch langfristig zu pflegen
und auszubauen.
E.
Ribbeck
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Eckhart Ribbeck, Städtebau-Institut, Breitscheidstr.
2,
70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3370 Fax 0711/121-3745
e-mail: eckhart.ribbeck@si.uni-stuttgart.de