Einen konventionell ehrenden Artikel über Gerhart Schröder zu schreiben, gestaltet sich eher schwierig: die Vita bleibt sorgsam verborgen, sein Lebenslauf scheint nicht greifbar. Selbst die Homepage der Abteilung für Romanische Literaturen, deren Leiter Gerhart Schröder seit 1974 gewesen ist, liefert die erhofften Informationen nicht. Hier wird ein bildlicher Platzhalter vorgeschoben, der Wunsch nach mehr Information, die Hoffnung auf den Blick dahinter schließlich genarrt durch ein lapidares „Diese Seite wurde noch nicht eingerichtet“. Eine Standardformulierung zwar, aber dennoch nicht minder
charakteristisch für den Inhaber der Seite und seine Weigerung, sich auf einer einmal erdachten Position einzurichten. Er hat sich vielmehr die nie zum Stillstand kommenden arabesken Windungen der Essays von Montaigne zu eigen gemacht, um sich einem einmal gestellten Problem stets von neuem, stets aus einer anderen Richtung zu nähern, ohne sich dabei an die üblichen Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen zu halten. Diese selbstverständliche Interdisziplinarität, die sich bei Gerhart Schröder schon in einem natur- und geisteswissenschaftlichen Studium angezeigt hatte, prägt auch die Forschungsprojekte des vor etwa
zehn Jahren von ihm initiierten Zentrums für Kulturwissenschaften und Kulturtheorie. Die dort in Angriff genommenen Vorhaben wie etwa die Neubestimmung der Ursprünge der Moderne verlangen zu ihrer Bewältigung auch die Leichtigkeit und Intelligenz jener Strategien, welche Gerhart Schröder in seinen Schriften immer wieder untesucht: von List ist schon in seinem Hauptwerk „Logos und List“ (1985) die Rede, seine weiteren Schriften kreisen immer wieder um List („Kunst und List“), Beweglichkeit („Anamorphosen der Rhetorik“, 1997, „Metamorphosen der Zeit“, 1999) sowie um Spiel („Jeux de vérité“, „Serio ludere“) und: auch Lachen ist erwünscht („Weisheit und Gelächter“).
Passend zu seinen Forschungen wurde Gerhart Schröder am 20. Juli 2001 mit einem großen Fest im interkulturellen und interdisziplinären Rahmen der Akademie Schloß Solitude von der
Romanistik verabschiedet. Was jedoch nicht heißt, daß die Windungen der Arabeske zum Stillstand gekommen wären, denn Gerhart Schröder bleibt geschäftsführender Direktor des Zentrums für Kulturwissenschaften und Kulturtheorie, auch warten einige Buchprojekte sehnsüchtig auf ihre Fertigstellung. Die Kunst, anders zu denken, so der Titel eines Bandes mit Beiträgen von Kollegen, Freunden und Schülern, der Gerhart Schröder zum Abschied von seinen Mitarbeiterinnen überreicht wurde, die Kunst, anders zu denken, wird ihn nicht zur Ruhe kommen lassen.
Cornelia Lund
Literatur:
„Paradox oder Über die Kunst, anders zu denken.“ Mélanges für Gerhart Schröder. Herausgegeben von Gisela
Febel, Françoise Joly und Silke Pflüger, Kemnat 2001.