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Stuttgarter unikurier Nr. 88 Dezember 2001
Karl Dietrich Adam - Professor mit Leib und Seele:
100 Semester und kein bißchen müde
 

„Mir bedeutet das Noch-Lehren-Dürfen sehr viel“, sagt Karl Dietrich Adam überzeugend. Auch nach hundert Semestern des Dozierens ohne Unterlaß möchte er den Umgang mit seinen Studenten nicht missen. In seine seit „Urzeiten am Mittwoch Nachmittag“ stattfindende Vorlesung kommen weit über hundert junge Studierende und eine stattliche Anzahl Gasthörer. Da sitzen die Kommilitoninnen und Kommilitonen schon mal neben einem einstigen Chefarzt oder einer Rektorin.

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Zwei Fachgebiete verbinden Karl Dietrich Adam als Hochschullehrer mit der Universität Stuttgart: seit 1951 die Paläontologie als Geschichte des Lebens auf der Erde und seit 1968 zudem die Urgeschichte, die sowohl die leibliche Entwicklung als auch die geistige Entfaltung der vorzeitlichen Menschheit aufzeigt. Derart zwei Fakultäten, der für Geo- und Biowissenschaften, sowie jener für Geschichts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zugehörend, blieb der Verwaltung seine Identität geraume Zeit verborgen. Schmunzelnd fügt Adam an: „Die haben über Jahre hinweg nicht mitbekommen, daß es sich um ein und dieselbe Person handelt.“

Berufswunsch Geologe
Am 14. März 1921 wurde Karl Dietrich Adam in Heilbronn am Neckar geboren. Bereits als Quartaner verkündete der eifrig Mineralien und Fossilien sammelnde Gymnasiast, er wolle Geologe werden. Nach dem Abitur 1939 am Cannstatter humanistischen Gymnasium folgte die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst. Vom Wehrdienst freigestellt, konnte er zwar noch im Jahresverlauf an der Erlanger Universität das Studium der Geologie aufnehmen, doch schon bald wurde der nach Göttingen übergewechselte Student zu den Waffen gerufen. Erst eine schwere Verwundung und die Verlegung in das heimatliche Standortlazarett „erschlossen dem Genesenden wieder Zugang zu akademischen Gefilden“. Wegen der zu erwartenden dauernden Einschränkung der für einen Geologen unverzichtbaren „Geländegängigkeit“ allerdings mit einer Hinwendung zur Paläontologie.
In Prof. Dr. Fritz Berckhemer, der als Paläontologe an der Württembergischen Naturaliensammlung wirkte und zugleich an der Technischen Hochschule Stuttgart lehrte, fand Adam seinen Lehrmeister. Als Promotionsthema regte dieser 1942 die Bearbeitung der an der Fundstätte des Steinheimer Urmenschen ergrabenen Belege vorzeitlicher Elefanten an. Mit der Rückkehr zur Truppe fand diese Aufgabe jedoch eine frühe Unterbrechung, und erst nach der Heimkehr aus der Kriesgefangenschaft konnte Adam die Studien wieder aufnehmen, die 1948 mit der Dissertation in Stuttgart einen Abschluß fanden. 
Nach Assistentenjahren am Geologisch-Mineralogischen Institut der Universität Erlangen wechselte Adam 1950 als Hauptkonservator an das Stutgarter Naturkundemuseum, und mit Beginn des Wintersemesters 1951/52 wurde ihm unter Prof. Dr. Hermann Aldinger die Vertretung der Paläontologie zunächst als Lehrbeauftragter, nach der Habilitation als Privatdozent anvertraut. Mit der Erweiterung der Venia legendi kam, veranlaßt durch Prof. Dr. August Nitschke, als weiteres Fachgebiet die Urgeschichte am Historischen Institut hinzu.

Für die Einheit von Forschung und Lehre tritt Karl Dietrich Adam
ein, hier mit einem der langjährigen Objekte seines Interesses, dem
Abguß des Schädels einer jungen Frau aus dem Fund von Steinheim
an der Murr.
(Foto: Pfisterer)

Allgemeinbildende Urgeschichte
Gerne weist Adam auf den hohen allgemeinbildenden Wert der Urgeschichte hin, die die Erd- und Lebensgeschichte beschließt, zugleich aber natur- wie geisteswissenschaftliche Disziplinen verbindet. Der Professor scheut sich auch nicht, immer wieder aufzuzeigen, wie sehr das altsteinzeitliche Erbe noch in uns fortwirkt. So versucht er beispielsweise seinen Studenten nahezubringen, daß man mit der lauthals geforderten unbegrenzten Selbstverwirklichung sträflich gegen die menschliche Natur verstößt, da wir als Nachfahren von Jägern und Sammlern noch immer in eine Gemeinschaft - Familie, Sippe oder Gruppe - eingebunden sind und uns nur innerhalb dieser zu verwirklichen vermögen. „Dies den jungen Menschen auf ihren Lebensweg als des Überlegens wert mitzugeben, ist gewiß legitim und eine gute Sache“, meint Adam.
Studierende der ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen, besonders der Luft- und Raumfahrttechnik sowie des Maschinenwesens, hören seine Vorlesung. Im Rahmen des Alternativen Studiums haben sie fachfremde Leistungsnachweise zu erbringen und sich - unter einer Vielzahl anderer Lehrangebote - für die Urgeschichte entschieden. Dieser Zuspruch motiviert Adam, weiterhin Vorlesungen, Übungen und Exkursionen in seinem Fachgebiet anzubieten, das nur selten in vergleichbarem Umfang gelehrt wird. Aberhunderten von Kommilitoninnen und Kommilitonen gab er bisher Einblicke in die Urgeschichte und fügt hinzu: „Ich bin überaus glücklich, an einer technisch geprägten Universität lehren zu können, da bei deren Studierenden ein erfreulich diszipliniertes Arbeiten die Regel ist.“ 

Voller Einsatz für Forschung und Lehre
Klein und überschaubar ist das Stuttgarter Historische Institut. Man kennt sich, man fühlt sich wohl, und für Karl Dietrich Adam ist es des Hervorhebens wert, „von den Kollegen noch immer nicht nur gelitten, sondern auch geschätzt zu werden.“ Dies und der Umgang mit den Studierenden „macht mir viel Freude, gibt mir viel Kraft“, kann Adam in seinem hundertsten Stuttgarter Semester uneingeschränkt bekennen, er, der sich zu jenen zählt, für die Forschen und Lehren unlösbar miteinander verwoben sind. „Das eine wie das andere erfordert vollen Einsatz, und nur wer solches akzeptiert und realisiert, sollte als Hochschullehrer wirken.“
Eingängige und anregende Wissensvermittlung ist auch eine wichtige Aufgabe musealer Einrichtungen, und so wundert es nicht, daß Adam die „Museumslandschaft“ Baden-Württembergs durch Rat und Tat zu bereichern bemüht war. Davon zeugt insbesondere das von ihm geschaffene, dem Homo steinheimensis gewidmete Urmensch-Museum, dessen Auf- und Ausbau 1991 mit der Verleihung der „Goldenen Bürgermedaille“ der Stadt Steinheim an der Murr kommunale Anerkennung fand. Ein Jahrzehnt später wurde ihm für seinen Einsatz beim Planen und Gestalten des Meteorkrater-Museums die „Goldene Ehrennadel“ der Gemeinde Steinheim am Albuch verliehen. „Dies sind“, so äußert sich der Geehrte, „Würdigungen, die mich freuen, wohingegen ich mit Orden und Ehrenzeichen wegen leidvoller Erfahrungen nach dem Kriege nichts mehr zu tun haben möchte.“

Alt an Jahren, frisch im Geist
Achtzig Jahr alt geworden und noch immer tätig zu sein - darin sieht Adam eine ihm gewährte Gnade. „Carpe diem“ - nutze den Tag - diese Worte von Horaz dürften es sein, die dem agilen Professor Anlaß gaben, für das kommende Semester seine Lehrveranstaltung unter das Thema „Kult und Kunst im Eiszeitalter - Stationen der kulturellen Evolution“ zu stellen, ein Thema, das ihn seit Studientagen faszinierte. „Daß ich nach wie vor in Forschung und Lehre mithalten kann und den Fortschritt in meinem Fachgebiet kritisch zu verfolgen vermag, gründet auf dessen Eigenart; denn in der Urgeschichte ist es von unschätzbarem Wert, zurückgreifen zu können auf das in vielen Jahrzehnten Gesehene, Erfahrene und offenen Sinnes Erlebte!“
Der nach Jahren alt gewordene, im Geiste jedoch dank seiner Hinwendung zu Generationen von Studierenden frisch gebliebene Jubilar, der über ein halbes Jahrhundert hinweg als akademischer Lehrmeister der Jugend wirkte - „dank der Lehrer, die mir das Wissen, der Freunde, die mir die Kraft gaben“ -, wird dies hoffentlich noch lange und mit gleicher Begeisterung tun!

Julia Alber

 


last change: 12.12.01 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart

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