Home           Inhalt           Suchen

Stuttgarter unikurier Nr. 88 Dezember 2001
Aus der Sicht der Schule - Lehrer berichten (1):
Mehr Kooperation statt Info-Flut
 

Nimmt man die Menge der verschickten Info-Materialien als Gradmesser für den Zustand der Beziehung Universität-Schule, müßte eigentlich alles bestens sein. Wöchentlich erhalte ich von Einrichtungen des tertiären Bildungssektors circa einen Umzugskarton voll Materialien mit der Bitte um Weiterleitung an die „Betroffenen“. Diese nicht mehr zu bewältigende, sicher in bester Absicht ausgelöste Info-Flut verunsichert mehr, als daß sie hilft. Und es ist zu befürchten, daß im Rahmen der von den Unis angestrebten Auswahl künftiger Studentinnen und Studenten diese Flut an Info- und Werbematerial noch weiter zunimmt. Auch Veranstaltungen wie „Tag der offenen Tür“ und „Studientag“ in der bisherigen Form tragen nicht unbedingt zur Entscheidungssicherheit und Motivation unserer OberstufenschülerInnen bei. Diese mehr oder minder gut organisierten, von den Beteiligten unterschiedlich motiviert und engagiert angebotenen „Massenveranstaltungen“ vermitteln viel- leicht ein mehr oder minder realistisches Bild des Uni-Alltags. Entscheidungshilfen oder Motivation für ein Studium wird nach Aussagen vieler SchülerInnen nicht vermittelt.

kleinbal.gif (902 Byte)
 

Aufgabe der Schule in diesem Kontext ist es, diese vielfältigen Angebote zu sortieren, verbreiten und aufzubereiten. Dabei spielt eine entscheidende Rolle, wie dieser Tätigkeitsbereich in der jeweiligen Schule strukturell und personell verankert ist. Bei uns ist - sicher nicht die Regel an Stuttgarter bzw. baden-württembergischen Gymnasien - dieser Tätigkeitsbereich Teil unseres Schulprofils und Bestandteil meines Deputats. Aus vielen Gesprächen weiß ich, daß dieser Aufgabenbereich häufig als nicht „honorierte“ Zusatzaufgabe Kolleginnen und Kollegen (meist im Fach Gemeinschaftskunde) „übertragen“ wird. Die Motivation ist dann entsprechend.
An unserer Schule haben wir eine Konzeption der Berufs- und Studieninformation entwickelt, die unseren Schülerinnen und Schülern ab Klasse 9 Orientierung und Hilfen anbietet. Die Kontakte zur Universität erfolgen schwerpunktmäßig in den Jahrgangsstufen 12 und 13. Wegen der räumlichen Nähe erfolgt die Vorbereitung des Studientags (unitag) für SchülerInnen in Zusammenarbeit mit der ZSB der Uni Hohenheim. Unser „Studientag“ umfaßt als Pflichtveranstaltung eine Vorbereitung (ein Nachmittag an der Uni mit Vertretern der ZSB), den eigentlichen Besuchstag (teilweise betreut durch „Paten“, also Ehemalige unserer Schule, die jetzt studieren) und eine freiwillige Nachbereitung an unserer Schule. Im Rahmen unserer Info- und Gesprächsreihe „Meine Studien- und Berufswahl“, eine Abendveranstaltung an der Schule für Schüler ab Klasse 10, treten neben Berufspraktikern auch Vertreter der Universitäten auf. Speziell für den Jahrgang 12 bieten wir Ziel-Orientierungsseminare zur Studien- und Berufswahl (ZOS) an. Im Rahmen dieser Seminare kommt oft ein von der ZSB der Uni Stuttgart entwickelter Baustein zum Einsatz: „Let’s Surf - Studieninfo im Internet“.

Was kann noch geschehen?
Unabhängig von der beschriebenen Situation an unserer Schule halte ich folgende Maßnahmen für erforderlich:
Die Kooperation Stuttgarter Schulen mit den Universitäten sollte durch den Aufbau überschaubarer Netzwerke, in denen räumlich benachbarte Schulen zusammenarbeiten, weiterentwickelt werden. In diesem Kontext müssen auch Möglichkeiten und Notwendigkeit der strukturellen und personellen Verankerung (u.a. Deputatsanrechnung) erörtert und entsprechende Vorschläge und Forderungen formuliert werden. Auch im Hinblick auf die ZOS-Seminare ist eine verstärkte Kooperation „Schule-Hochschule“ denkbar, da gemischte Trainerteams aus LehrerIn und StudienberaterIn zur Regel werden sollten.

Und die Motivation ...
Bleibt noch die Frage nach der Motivation der SchülerInnen. Die genannten Vorschläge tragen vielleicht ein wenig dazu bei, daß aus der derzeit eher demotivierenden Praxis in der Kooperation „Schule - Universität“ durch konzeptionelle Weiterentwicklungen, die zu mehr Entscheidungssicherheit beitragen, etwas mehr Lust und Neugier auf’s Studieren entsteht.
Daneben spielen aber auch die Entwicklungen an der Schule eine wichtige Rolle. Inhaltliche und methodische Ansätze, wie sie z.B. in dem sogenannten „Seminarfach“ für die Jahrgangsstufe 12 zum Tragen kommen, sollten verstärkt in der Oberstufe umgesetzt werden. In diesem Sinne könnte Unterricht stellenweise auch wissenschaftspropädeutische Funktion bekommen. Dies ließe sich vielleicht ergänzen durch Kooperationsangebote der Universitäten: warum sollen interessierte SchülerInnen nicht bereits in der Oberstufe spezielle Kurse an der Uni belegen können, die sowohl schulisch als auch später bei einem Studium anrechenbar sind? Das „Schnupperstudium“ erfüllt diese Aufgabe meines Erachtens derzeit nicht. Auf diese Weise könnte so manche Schülerin und mancher Schüler rechtzeitig „testen“, ob ein Studium überhaupt in Frage kommt. Und es wäre für die Hochschule vorteilhaft, da sie es später mit besser vorbereiteten StudienanfängerInnen zu tun hat.
Fazit: beide Partner können von einer Weiterentwicklung bzw. Optimierung in der Zusammenarbeit eigentlich nur profitieren.

Kontakt
Ulrich Storz, Paracelsus-Gym.-Hohenheim, Paracelsusstraße 36, 70599 Stuttgart
Tel. (0711) 45 99 94 6, Fax (0711) 45 99 94 70
e-mail: Ulrich.Storz@t-online.de
http://www.pgh-stuttgart.de

 


last change: 12.12.01 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart

Home           Inhalt           Suchen