Den
Einstieg gestaltete Prof. Dr. Eckart Olshausen, der über
„die Anfänge der abendländischen Wissenschaft“ sprach.
Zwischen unserem modernen und dem antiken Wissenschaftsverständnis
gibt es einen Unterschied, lernten die Zuhörer: die modernen
Naturwissenschaften befassen sich nur mit Teilen, die
Philosophie und andere Geisteswissenschaften dagegen mit
dem Ganzen. Die Einheit von Natur- und Geisteswissenschaften
findet sich bei den Griechen, die eine zweckfreie Grundhaltung
gegenüber der Wissenschaft hatten - Ziel war die Einsicht
in die Strukturen.
Großes
Wissenschaftsinteresse im 12. Jahrhundert
Im 12. Jahrhundert setzte im abendländischen Europa ein
neues, intensives Interesse an den Wissenschaften ein.
Gefragt waren neben der Theologie die Jurisprudenz und
die Naturwissenschaften, berichtete Prof. Dr. Wolfgang
Stürner. Die Wissenschaftler am Hofe des Stauferkaisers
Friedrich II (1194 -1250) widmeten sich vielen Projekten.
Das erste große abendländische Gesetzbuch wurde verfaßt,
die Aristoteleskommentare des Averroes aus dem Arabischen
übersetzt und der Hofastronom Michael Scotus faßte seine
Kenntnisse in einer großen Enzyklopädie der Wissenschaften
zusammen. Der hochbegabte Herrscher sandte seine Fragen
zu Problemen der Mathematik, Optik oder Philosophie an
die Gelehrten in aller Welt und verfaßte selbst ein berühmtes
Falkenbuch. Mit mittelalterlichen Karten, die nicht nur
geographische, sondern auch historische Informationen
enthielten, beschäftigte sich Prof. Dr. Folker Reichert.
„Von der christlichen zur exakten Kartographie“ lautete
sein Vortragsthema, das die Zuhörer über die Symbol- oder
Bedeutungskarten bis hin zur exakten Kartographie mit
Windrosen, Maßstab und Gradnetz führte und vielleicht
auch das eine oder andere Vorurteil korrigierte: „Die
mittelalterlichen Kartenmacher waren keineswegs unfähig,
die Oberfläche der Erde genau wiederzugeben.“ Der württembergische
Baumeister Heinrich Schickhardt (1558 -1635) hat mit seinem
Nachlaß von rund 1500 Skizzen und Zeichnungen zu einer
einmaligen Dokumentation der Technikgeschichte beigetragen.
Dr. Robert Kretzschmar, Archivdirektor im Hauptstaatsarchiv
Stuttgart, beschrieb am Beispiel dieses „bodenständigen
und praxisorientierten Tüftlers“, welchen Aufstieg ein
Bau- und Werkmei- ster um 1600 nehmen konnte, dessen Auftraggeber
der Landesherr höchst persönlich war.
Verkehrswege
in alter Zeit
Mit den „Verkehrswegen im Ancien Régime, dem Straßenbau
in Vorderösterreich im 18. Jahrhundert“, machte am fünften
Abend Dr. Bernhard Theil seine Zuhörer vertraut. Die Geschichte
des Straßenbaus ist „Siedlungsgeschichte, Wirtschaftsgeschichte,
Technikgeschichte, politische Geschichte und vor allem
Kulturgeschichte im weitesten Sinne“, so der Referent,
der die Entwicklung des befestigten Straßenbaus im Widerstreit
verschiedener Interessen darstellte. Unter dem inner-
wie außerkirchlichen Druck der Aufklärung, der die Existenz
der Klöster in Frage stellte, beschäftigten sich die Mönche
verstärkt mit Mathematik und den Naturwissenschaften.
„Sowohl ein Naturalienkabinett wie auch eine Physikalische
Sammlung gehörten zur Standardausrüstung eines zeitgemäß
ausgestatteten Konvents“, berichtete Prof. Dr. Franz Quarthal
in seinem Vortrag „Die Rolle der Naturwissenschaften im
klösterlichen Wissenschaftsbetrieb des 18. Jahrhunderts
in Südwestdeutschland.“ Die Patres der damaligen Zeit
widmeten sich nicht nur theoretischen Abhandlungen zur
Mathematik, sie stellten physikalische Geräte her wie
beispielsweise Blitzableiter, Erd- und Himmelsgloben,
beschäftigten sich mit Weinbau, der Dreifelderwirtschaft
und dem Wasserbau oder verbesserten mechanische Uhrwerke.
Wissenschaft
in der NS-Zeit
In eine ganz andere Zeit führte der Vortrag „Die Sozialität
des Raumes. Planbarkeit und Steuerung sozialräumlicher
Einheiten in der NS-Diktatur“ von Prof. Dr. Wolfgang Pyta.
Weit mehr als bislang angenommen, haben die Nationalsozialisten
auf wissenschaftliches Expertenwissen zurückgegriffen
und sich der freiwilligen Mitarbeit gerade einer jungen
Elite aus fast allen Wissenschaftsbereichen versichert,
berichtete Prof. Pyta, und verdeutlichte an mehreren Beispielen,
wie anfällig und verführbar die Technokraten waren, denen
staatlicherseits unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten
in Aussicht gestellt wurden. Mit „den gesellschaftlichen
Aufgaben der Physik und die staatliche Förderung“ beschloß
Prof. Dr. Armin Hermann die Vortragsreihe. „Die Begründer
der neuzeitlichen Physik im 17. Jahrhundert sprachen von
der Doppelaufgabe der Wissenschaft“, so Hermann, „der
Erkenntnisgewinnung und deren Anwendung zum Nutzen des
Menschen.“ Wenngleich es zunächst mit der technischen
Anwendung haperte, „bewiesen die elektromagnetische Telegraphie
und die künstliche Düngung jedoch die Nützlichkeit von
Physik und Chemie, und bald erhielten die exakten Naturwissenschaften
einen Großteil der staatlichen Mittel.“
Julia
Alber
Kontakt
Prof. Eckart Olshausen, Historisches Institut, Keplerstr.
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Tel. 0711/121-3450, -3456 Fax 0711/121-3584
e-mail: eckart.olshausen@po.hi.uni-stuttgart.de