Bei
der industriellen Herstellung synthetischer Garne entsteht
der Abfallstoff Propionitril (Ethylcyanid). Dieses ist
sehr giftig und seine Entsorgung verursacht große Umweltprobleme;
lange Zeit wurden solche Verbindungen sogar in der Nordsee
„verklappt“. Bisher setzt man Propionitril üblicherweise
auf chemischem Wege zu Ammoniumpropionat um. Ammoniumpropionat
wiederum ist nützlich und kann den Futtermitteln zur Verdauungsförderung
zugesetzt werden, da es ein natürlicher von Propionibakterien
gebildeter Bestandteil in der Darmflora von Wiederkäuern
ist. Die bei dem chemischen Verfahren erforderliche Neutralisation
führt jedoch zu einer hohen Salzbelastung des Abwassers.
Es gibt aber auch eine Umsetzung auf biologischem Wege,
die in der Natur von einer Reihe von Bakterien geleistet
wird.
Für
Menschen toxisch - für Mikroorganismen eßbar
Die Eigenschaft, Nitrile zu hydrolysieren, also zu spalten
oder zu verseifen, ist in der Natur unter Mikroorganismen
weit verbreitet, da solche Verbindungen natürlicherweise
etwa als Fraßschutz bei vielen Pflanzen vorkommen. Anwendungstechnisch
von großem Interesse ist die Nutzung der mikrobiellen
Nitrilhydrolyse inzwischen bereits bei einer Reihe von
Entgiftungsprozessen und industriellen Biotransformationsverfahren,
die mit Hilfe von Mikroorganismen oder Enzymen durchgeführt
werden. Bereits seit Anfang der 90er Jahre etabliert ist
etwa in Japan die technische Anwendung von solchen Mikroorganismen
zur Herstellung der Kunststoffvorstufe Acrylamid aus Acrylonitril.
Will man durch Biotransformation jedoch nicht nur wie
in diesem Beispiel ein Amid, sondern wie im Fall des Ammoniumpropionat
eine Säure herstellen, muß man dafür Mikroorganismen einsetzen,
die enzymatische Reaktionen durchführen können wie in
der Abbildung unten gezeigt. Mit Hilfe dieser Reaktion
gelingt es einigen Mikroorganismen sogar, Nitrile als
einzige Kohlenstoff- und/ oder Stickstoffquelle zum Wachstum
zu nutzen. Was für den Menschen also hochgiftig ist, wird
für die Mikroorganismen zum Nahrungsmittel. In der Regel
muß dabei die Synthese dieser Enzyme jedoch während des
Wachstums der Mikroorganismen erst durch Zugabe entsprechender
Verbindungen - sogenannter Induktoren - angeregt werden.
In einem gemeinsamen Projekt der BASF AG in Ludwigshafen
und der Biokatalyse-Arbeitsgruppe des Instituts für Bioverfahrenstechnik
der Universität Stuttgart unter der Leitung von Professor
Dr. Christoph Syldatk wurde ein Verfahren entwickelt,
bei dem das Bakterium Rhodococcus erythropolis DSM 13002
in zwei Reaktionsschritten Propionitril zu Ammoniumpropionat
umsetzen kann. Mit nicht mehr wachsenden („ruhenden“)
Zellen wurden umfangreiche reaktionskinetische Untersuchungen
zur Umsetzung von Propionitril zu Ammoniumpropionat, zum
Einschluß („Immobilisierung“) der Zellen in speziellen
Gelen, zu ihrer Wiederverwendung und zu möglichen Prozeßauslegungen
durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchungen, die inzwischen
von der BASF AG zum Patent angemeldet wurden, zeigten,
daß es mit einer entsprechenden Prozeßführung möglich
ist, Konzentrationen von bis zu 1.5 Mol Propionitril zu
Ammoniumpropionat umzusetzen. Bei Verwendung einer speziellen
„Zufüttertechnik“ für das toxische Propionitril („Fed-Batch-Technik“)
ist es sogar möglich, extrem hohe Endproduktkonzentrationen
von bis zu 3 Mol Ammoniumpropionat (das entspricht über
200g Produkt pro Liter) zu erreichen. Mit den durch natürliches
Polymer Alginat, das z. B. auch bei der Speiseeisherstellung
Anwendung findet, immobilisierten Zellen ist außerdem
eine kontinuierliche Umsetzung des Propionitrils möglich.
Diese Ergebnisse sind in der Doktorarbeit von Dr.rer.nat.
Hans-Jürgen Christian festgehalten.
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Mögliche
Enzymreaktionen zur Hydrolyse von Nitrilen zu den
korrespondierenden organischen Säuren. |
Wirtschaftliche
Umsetzung angestrebt
Trotz dieser erfolgreich durchgeführten Optimierungen
sind für eine wirtschaftliche Umsetzung des Prozesses
bei der Züchtung des Stammes im Bioreaktor sowohl die
erreichten Zellkonzentrationen als auch die Kontinuität
der Enzymaktivitäten noch zu begrenzt. Auf diese Parameter
können sowohl die Mediumszusammensetzung, die Zugabe verschiedener
Nitrile während der Züchtung als Induktoren, oder auch
eine Belichtung Einfluß haben. Es ist jedoch grundsätzlich
schwierig, bei Zellen während einer absatzweisen (Batch-)Kultur
solche Effekte äußerer Faktoren auf die Enzymsynthese
und -stabilitäten reproduzierbar zu untersuchen. Gegenstand
eines gemeinsamen Forschungsvorhabens der Stuttgarter
Arbeitsgruppe mit der Arbeitsgruppe Microbial Technology
von Professor Dr. Alan T. Bull an der University of Kent
in Canterbury (Großbritannien), die sich seit einigen
Jahren intensiv mit der Biodiversität von Rhodococcus
erythropolis-Bakterien aus Tiefseebiotopen beschäftigt,
war im vergangenen Jahr daher, für diesen Stamm ein besser
geeignetes Medium und eine geeignete Züchtungsstrategie
zu entwickeln, um reproduzierbare und gleichbleibende
Bedingungen für Untersuchungen der verschiedenen Einflußfaktoren
auf Wachstum und Enzymsynthese zu haben. In Großbritannien
war es bereits gelungen, für andere Gram-positive und
schwer kultivierbare Bakterien sowohl Systeme zur kontinuierlichen
Kultivierung als auch zu deren Zellrückhaltung und Hochzelldichtekultivierung
zu etablieren. Gemeinsam mit den britischen Wissenschaftlern
konnte schließlich ein Versuchsaufbau entwickelt werden,
der es nun erlaubt, Effekte wie den Einfluß von Induktoren,
komplexen Mediumsbestandtei-len, Metallionen und auch
die Bedeutung der Belichtung bei der Zellanzucht unter
physiologisch gleichbleibenden Bedingungen zu untersuchen.
Damit kann nun erfolgreich der Einfluß der verschiedenen
Parameter auf das Zellwachstum und die Enzymaktivität
verfolgt werden. In den kommenden zwei Jahren werden nun
die Stuttgarter Wissenschaftler gemeinsam mit den Briten
und zwei Industriepartnern im Rahmen des BMBF-Förderprogrammes
„Nachhaltige Bioproduktion“ die Umsetzung komplex aufgebauter
(„sterisch gehinderter“) Nitrile weiter untersuchen.
Kontakt
Prof. Dr.rer.nat. Christoph Syldatk, Institut für Bioverfahrenstechnik,
Allmandring 31, 70569 Stuttgart
Tel. 0711/685-5157 Fax 0711/685-5164 e-mail: syldatk@ibvt.uni-stuttgart.de