Die
Rahmenbedingungen der vernetzten Welt haben bestimmenden
Einfluß auf die Wirtschaft, die Informations- und Kommunikationstechnik,
die Arbeitsprozesse und die Gesellschaft. In seinem Einführungsvortrag
hob der Leiter der Ringvorlesungsreihe, Prof. Dr.-Ing.
Hans-Jörg Bullinger, hervor, daß durch die Überwindung
beliebiger Entfernungen mit den neuen Technologien die
Information heute zu einer globalen Ressource geworden
sei und damit auch zu einem neuen, zusätzlichen Poduktionsfaktor
neben den klassischen Faktoren Arbeit, Kapital und Boden.
Ironisch
unterhaltsam, bei konziser und zugleich weltläufiger Darstellung
und dabei immer mit leicht schwäbischem Akzent hielt Prof.
Bullinger die Studierenden dazu an, sich bereits im Studium
auf das Arbeiten in der vernetzten Welt einzustellen.
„Pflegen Sie Ihr Schwäbisch, aber ergänzen Sie es durch
gutes Englisch.“ Denn ohne vertragssicheres Englisch und
technische Fertigkeiten sei heute kein Studium und kein
Arbeitsplatz mehr denkbar, betonte Bullinger. Entgegen
der Befürchtung, daß in der technisch vernetzten Welt
der Mensch in den Hintergrund gerate, stellte er heraus,
daß gerade in der New Economy den Mitarbeitern und ihrer
Qualifikation besondere Bedeutung zuwächst. Während 1970
noch 40 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeitskraft in
Produktions- und Montagetätigkeiten einsetzten, sind dies
heute gerade noch 22 Prozent. Auf der anderen Seite stieg
die Zahl der Beschäftigten in wissensintensiven Dienstleistungen
von 29 auf 55 Prozent. In Baden-Württemberg seien bereits
heute dreimal mehr Menschen im Erlebnisbereich tätig als
im Maschinenbau und diese Märkte müßte man langsam ernst
nehmen, mahnte Bullinger.
Mit
Blick auf die gewandelten Rahmenbedingungen für künftige
Arbeitsprozesse prognostizierte der Arbeitswissenschaftler
Bullinger, daß die Flexibilisierung von Ort und Zeit der
Arbeit noch weiter zunehmen werde unter gleichzeitiger
Abnahme der Bedeutung des Normalarbeitsverhältnisses zugunsten
der Zunahme von Selbständigkeit und einer Grenzverwischung
zwischen Arbeit und Freizeit. Die durchgehende Vernetzung
und Technisierung werde vor allem auch neue Qualifikationsanforderungen
für den Ingenieur hervorbringen. Nicht nur technische
Brillanz, sondern zunehmend Managerfähigkeiten sowie Führungskompetenz
und Wissensorgani- sation werden gebraucht.
Genau an diesen Aspekt des Vortrages von Prof. Bullinger
konnte Dr. Günter Hellbardt vom VDI/VDE Arbeitskreis Gesellschaft
und Technik Stuttgart anschließen, der die Verantwortung
der Ingenieure in der heutigen Zeit zum Thema machte.
Um der anwachsenden Verantwortung gerecht zu werden, müßten
auch Ingenieure den Diskurs suchen, sich in politische
und soziale Diskussionen einbringen und immer an der Aufstellung
und Abwägung mehrerer Alternativen und Lösungen arbeiten.
In diese Richtung ziele auch der Ethikkodex für Ingenieure,
der gegenwärtig vom VDI und weiteren Verbänden diskutiert
werde.
Auch Dr. Ullrich Kischko von der Akademie für Mittelstand
und Entrepreneurship in Aichtal wandte sich der Wirtschaftsethik
in Zeiten der Globalisierung zu. Er plädierte für universalistische
Ansätze der Ethik und empfahl die Organisation von Verantwortung
durch institutionalisierte und dialogisch angelegte Folgebeurteilungsprozesse.
Das Electronic Business, also die netzgestützte Abwicklung
von Geschäftsprozessen, werde in Zukunft kein schmückendes
Beiwerk oder auf wenige Produkte eingeschränkt bleiben,
sondern zum integralen Bestandteil des Wirtschaftslebens
werden. Dr. Wolfgang Heimsch von der Geschäftsleitung
der Siemens Business Services räumte dabei auch mit den
gängigen Mythen über diese Branche auf, denn e-business
sei weder leicht noch billig, aber es führe auch nicht
zur gleichzeitigen Zerstörung oder Kannibalisierung traditioneller
Austauschbeziehungen.
In der Wissensgesellschaft wird Kreativität zu einer der
wichtigsten Voraussetzungen der Produktivität werden.
Wie die Entwicklung der Kreativität durch eine intelligente
Bürogestaltung und Organisation von Gebäuden und Arbeitsprozessen
unterstützt werden kann, zeigte Dipl-Ing. Alexander Rieck
vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation
am Beispiel von Office 21, einem Institutsentwurf für
eine interaktive Bürolandschaft. Welche Auswirkungen die
elektronischen Medien auf die Sprache haben kann, untersuchte
Dr. Wilfried Schütte vom Mannheimer Institut für Deutsche
Sprache am Beispiel des kommunikativen Stils in professionell
genutzten Mailinglisten. Die allmähliche Durchdringung
der Alltagssprache und der reduzierten Kürzel und Sprachfragmente
der Internet-Sprache sei nicht nur positiv zu sehen. Aber
es bilde sich durchaus ein eigenes Sprachverhalten mit
spezifischen Regeln und Sprachmustern heraus.
Daß in dem Verhältnis von Technik und Gesellschaft kein
naturwüchsiger Determinismus herrschen muß, stellte Prof.
Dr. Ortwin Renn von der Akademie für Technikfolgenabschätzung
und Uni Stuttgart heraus. Traditionelle Technikleitbilder
waren entweder von den immanent technischen Zielen der
Leistungssteigerung oder den ökonomisch orientierten Zielen
der Produktmaximierung geprägt und der damit verbundenen
Zwangsläufigkeit technischer Entwicklungen. Prof. Renn
schlug dagegen vor, aus der Analyse des gesellschaftlichen
Technikbedarfs das Leitbild für eine nachhaltige Technikentwicklung
abzuleiten. Wichtig sei dabei, daß die Menschen, denen
unsere heutige Gesellschaft zu technikbezogen erscheint,
sich in diese Bedarfsanalyse einschalten können, um das
befruchtende Nebeneinander pluraler Lebensformen und funktionsnotwendiger
Techniken zu erfahren.
Die WAP-Technologie als einen Schritt in die Richtung
eines „Pervasive Computing“ stellte Dipl.-Ing. Michael
Wasmund von der Entwicklungabteilung von IBM Deutschland
vor. Pervasive Computing ist der Name für das Ideal eines
unbeschränkten, jederzeit möglichen Zugangs zu den relevanten
Dienstleistungen und Informationen der modernen Kommunikationstechnik
Für einen differenzierten Blick auf die Entwicklung der
Informationsgesellschaft plädierte Dipl.-Ing. Carl-Otto
Gentsch vom Öko-Institut Freiburg. Am Beispiel der Telearbeit
zeigte Gentsch, daß man das Ziel der Nachhaltigkeit in
der IuK-Entwicklung nur erreichen kann, wenn man die Techniken
und den Bedarf sehr genau aufeinander abstimmt. Während
Telearbeit und Multimedia lange als besonders umweltentlastend
und als Paradebeispiel einer nachhaltigen Entwicklung
gepriesen wurden, zeigten neuere Untersuchungen, daß dies
nur eingeschränkt der Fall ist. Werden nämlich die Zusatzinvestitionen
und der organisatorische Mehraufwand berücksichtigt, zeige
sich, daß die erhofften Auswirkungen der Telearbeit erst
bei genügend großer Entfernung von Wohnort und Arbeitsplatz
einsetzen. Ähnliches gelte auch für Videokonferenzsysteme.
Welf Schröter vom Forum Soziale Technikgestaltung des
DGB Landesbezirks stellte zum Abschluß der Vorlesungsreihe
noch einmal den Strukturwandel der Arbeit in den Mittelpunkt.
Das Absinken des Normalarbeitsverhältnisses zugunsten
der Arbeit über das Netz enthalte einerseits Chancen zu
mehr selbstbestimmtem Arbeiten, erhöhe aber auch den Druck
auf die Beschäftigten zu weiterer Qualifizierung und höherer
Leistung. Online-Kompetenz werde auf jeden Fall zum Anforderungsprofil
für die Arbeitnehmer der Zukunft gehören. /eng
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